mehr Flüssigen hervor. Dieser Gegensatz spricht sich aber in der Urmasse als der von verbindender Masse und Körnchen aus. Ent- weder wird nun ein Drittes von diesen und zwar eine mehr flüs- sige oder eine mehr feste Masse gebildet, oder das Festere geht in eine höhere feste Form über oder das Flüssige durchläuft diese Metamorphose, während die Körnchen entweder zwischen oder in ihm bleiben oder ganz schwinden. Mehr Momente sind nicht denkbar und jede Form der Gewebe muss nothwendig in eine dieser Abtheilungen gehören. Der beste Probierstein wird bald die Geschichte der Genese derselben liefern. Zuvörderst müssen wir aber erst die der Organtheile selbst in Erwägung ziehen.
Die Organtheile sind nicht einfache, einander coordinirte Theile, sondern befinden sich in einer mehrfachen Reihe von Sub- ordinationen, sind also überaus relativ. Man kann aber im All- gemeinen hier drei Grade unterscheiden, und zwar nähere, ent- ferntere und entfernteste Organtheile. Einige Beispiele mögen das Gesagte erläutern und tiefer begründen. So sind die nähe- ren Organtheile eines jeden drüsigen oder drüsigten Organes Gänge, eigenthümliches Parenchym (?), Blutgefässe, eine äussere dichtere oder lockerere Hülle u. dgl. m. Das Ganze der Gänge zerfällt wiederum in untergeordnete Theile, und zwar z. B. in den Nie- ren in ferreinsche Pyramiden, in den Speicheldrüsen in die Drü- senlappen, in den Lungen in Läppchen. Diese endlich zerfallen in die entferntesten Bestandtheile, so in den Nieren in die Harn- kanälchen, in den Speicheldrüsen in die Speichelkanälchen u. dgl. mehr. Die entferntesten Bestandtheile nehmen noch bisweilen verschiedene Formen an, wie z. B. in den Nieren, in der Mark- und Rindersubstanz. Die entfernteren Bestandtheile bilden ge- wisse Mittelglieder, welche auch durch Abtheilungen der äusse- ren Form oft bezeichnet sind.
Die Entstehung aller Organtheile und Gewebe lässt sich un- ter fünt Gesetze bringen, denen sie mehr oder minder in dem zeitlichen Verfolge ihrer Genese unterworfen sind.
1. Das Gesetz der vorbereitenden Umänderung. Die beiden Gegensätze des Urstoffes, die Kügelchen und die zähe verbindende Masse gehen gewisse Metamorphosen ein und verflüssigen sich entweder gänzlich oder zum Theil oder nehmen theilweise eine dichtere Consistenz, veränderte Gestalt und Grösse an.
2. Das Gesetz der isolirten Entstehung. Es bilden sich ein-
VIII. Entstehung der Organtheile und Gewebe.
mehr Flüssigen hervor. Dieser Gegensatz spricht sich aber in der Urmasse als der von verbindender Masse und Körnchen aus. Ent- weder wird nun ein Drittes von diesen und zwar eine mehr flüs- sige oder eine mehr feste Masse gebildet, oder das Festere geht in eine höhere feste Form über oder das Flüssige durchläuft diese Metamorphose, während die Körnchen entweder zwischen oder in ihm bleiben oder ganz schwinden. Mehr Momente sind nicht denkbar und jede Form der Gewebe muſs nothwendig in eine dieser Abtheilungen gehören. Der beste Probierstein wird bald die Geschichte der Genese derselben liefern. Zuvörderst müssen wir aber erst die der Organtheile selbst in Erwägung ziehen.
Die Organtheile sind nicht einfache, einander coordinirte Theile, sondern befinden sich in einer mehrfachen Reihe von Sub- ordinationen, sind also überaus relativ. Man kann aber im All- gemeinen hier drei Grade unterscheiden, und zwar nähere, ent- ferntere und entfernteste Organtheile. Einige Beispiele mögen das Gesagte erläutern und tiefer begründen. So sind die nähe- ren Organtheile eines jeden drüsigen oder drüsigten Organes Gänge, eigenthümliches Parenchym (?), Blutgefäſse, eine äuſsere dichtere oder lockerere Hülle u. dgl. m. Das Ganze der Gänge zerfällt wiederum in untergeordnete Theile, und zwar z. B. in den Nie- ren in ferreinsche Pyramiden, in den Speicheldrüsen in die Drü- senlappen, in den Lungen in Läppchen. Diese endlich zerfallen in die entferntesten Bestandtheile, so in den Nieren in die Harn- kanälchen, in den Speicheldrüsen in die Speichelkanälchen u. dgl. mehr. Die entferntesten Bestandtheile nehmen noch bisweilen verschiedene Formen an, wie z. B. in den Nieren, in der Mark- und Rindersubstanz. Die entfernteren Bestandtheile bilden ge- wisse Mittelglieder, welche auch durch Abtheilungen der äuſse- ren Form oft bezeichnet sind.
Die Entstehung aller Organtheile und Gewebe läſst sich un- ter fünt Gesetze bringen, denen sie mehr oder minder in dem zeitlichen Verfolge ihrer Genese unterworfen sind.
1. Das Gesetz der vorbereitenden Umänderung. Die beiden Gegensätze des Urstoffes, die Kügelchen und die zähe verbindende Masse gehen gewisse Metamorphosen ein und verflüssigen sich entweder gänzlich oder zum Theil oder nehmen theilweise eine dichtere Consistenz, veränderte Gestalt und Gröſse an.
2. Das Gesetz der isolirten Entstehung. Es bilden sich ein-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0667"n="639"/><fwplace="top"type="header">VIII. Entstehung der Organtheile und Gewebe.</fw><lb/>
mehr Flüssigen hervor. Dieser Gegensatz spricht sich aber in der<lb/>
Urmasse als der von verbindender Masse und Körnchen aus. Ent-<lb/>
weder wird nun ein Drittes von diesen und zwar eine mehr flüs-<lb/>
sige oder eine mehr feste Masse gebildet, oder das Festere geht<lb/>
in eine höhere feste Form über oder das Flüssige durchläuft diese<lb/>
Metamorphose, während die Körnchen entweder zwischen oder<lb/>
in ihm bleiben oder ganz schwinden. Mehr Momente sind nicht<lb/>
denkbar und jede Form der Gewebe muſs nothwendig in eine<lb/>
dieser Abtheilungen gehören. Der beste Probierstein wird bald<lb/>
die Geschichte der Genese derselben liefern. Zuvörderst müssen<lb/>
wir aber erst die der Organtheile selbst in Erwägung ziehen.</p><lb/><p>Die Organtheile sind nicht einfache, einander coordinirte<lb/>
Theile, sondern befinden sich in einer mehrfachen Reihe von Sub-<lb/>
ordinationen, sind also überaus relativ. Man kann aber im All-<lb/>
gemeinen hier drei Grade unterscheiden, und zwar nähere, ent-<lb/>
ferntere und entfernteste Organtheile. Einige Beispiele mögen<lb/>
das Gesagte erläutern und tiefer begründen. So sind die nähe-<lb/>
ren Organtheile eines jeden drüsigen oder drüsigten Organes Gänge,<lb/>
eigenthümliches Parenchym (?), Blutgefäſse, eine äuſsere dichtere<lb/>
oder lockerere Hülle u. dgl. m. Das Ganze der Gänge zerfällt<lb/>
wiederum in untergeordnete Theile, und zwar z. B. in den Nie-<lb/>
ren in ferreinsche Pyramiden, in den Speicheldrüsen in die Drü-<lb/>
senlappen, in den Lungen in Läppchen. Diese endlich zerfallen<lb/>
in die entferntesten Bestandtheile, so in den Nieren in die Harn-<lb/>
kanälchen, in den Speicheldrüsen in die Speichelkanälchen u. dgl.<lb/>
mehr. Die entferntesten Bestandtheile nehmen noch bisweilen<lb/>
verschiedene Formen an, wie z. B. in den Nieren, in der Mark-<lb/>
und Rindersubstanz. Die entfernteren Bestandtheile bilden ge-<lb/>
wisse Mittelglieder, welche auch durch Abtheilungen der äuſse-<lb/>
ren Form oft bezeichnet sind.</p><lb/><p>Die Entstehung aller Organtheile und Gewebe läſst sich un-<lb/>
ter fünt Gesetze bringen, denen sie mehr oder minder in dem<lb/>
zeitlichen Verfolge ihrer Genese unterworfen sind.</p><lb/><p>1. Das Gesetz der vorbereitenden Umänderung. Die beiden<lb/>
Gegensätze des Urstoffes, die Kügelchen und die zähe verbindende<lb/>
Masse gehen gewisse Metamorphosen ein und verflüssigen sich<lb/>
entweder gänzlich oder zum Theil oder nehmen theilweise eine<lb/>
dichtere Consistenz, veränderte Gestalt und Gröſse an.</p><lb/><p>2. Das Gesetz der isolirten Entstehung. Es bilden sich ein-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[639/0667]
VIII. Entstehung der Organtheile und Gewebe.
mehr Flüssigen hervor. Dieser Gegensatz spricht sich aber in der
Urmasse als der von verbindender Masse und Körnchen aus. Ent-
weder wird nun ein Drittes von diesen und zwar eine mehr flüs-
sige oder eine mehr feste Masse gebildet, oder das Festere geht
in eine höhere feste Form über oder das Flüssige durchläuft diese
Metamorphose, während die Körnchen entweder zwischen oder
in ihm bleiben oder ganz schwinden. Mehr Momente sind nicht
denkbar und jede Form der Gewebe muſs nothwendig in eine
dieser Abtheilungen gehören. Der beste Probierstein wird bald
die Geschichte der Genese derselben liefern. Zuvörderst müssen
wir aber erst die der Organtheile selbst in Erwägung ziehen.
Die Organtheile sind nicht einfache, einander coordinirte
Theile, sondern befinden sich in einer mehrfachen Reihe von Sub-
ordinationen, sind also überaus relativ. Man kann aber im All-
gemeinen hier drei Grade unterscheiden, und zwar nähere, ent-
ferntere und entfernteste Organtheile. Einige Beispiele mögen
das Gesagte erläutern und tiefer begründen. So sind die nähe-
ren Organtheile eines jeden drüsigen oder drüsigten Organes Gänge,
eigenthümliches Parenchym (?), Blutgefäſse, eine äuſsere dichtere
oder lockerere Hülle u. dgl. m. Das Ganze der Gänge zerfällt
wiederum in untergeordnete Theile, und zwar z. B. in den Nie-
ren in ferreinsche Pyramiden, in den Speicheldrüsen in die Drü-
senlappen, in den Lungen in Läppchen. Diese endlich zerfallen
in die entferntesten Bestandtheile, so in den Nieren in die Harn-
kanälchen, in den Speicheldrüsen in die Speichelkanälchen u. dgl.
mehr. Die entferntesten Bestandtheile nehmen noch bisweilen
verschiedene Formen an, wie z. B. in den Nieren, in der Mark-
und Rindersubstanz. Die entfernteren Bestandtheile bilden ge-
wisse Mittelglieder, welche auch durch Abtheilungen der äuſse-
ren Form oft bezeichnet sind.
Die Entstehung aller Organtheile und Gewebe läſst sich un-
ter fünt Gesetze bringen, denen sie mehr oder minder in dem
zeitlichen Verfolge ihrer Genese unterworfen sind.
1. Das Gesetz der vorbereitenden Umänderung. Die beiden
Gegensätze des Urstoffes, die Kügelchen und die zähe verbindende
Masse gehen gewisse Metamorphosen ein und verflüssigen sich
entweder gänzlich oder zum Theil oder nehmen theilweise eine
dichtere Consistenz, veränderte Gestalt und Gröſse an.
2. Das Gesetz der isolirten Entstehung. Es bilden sich ein-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 639. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/667>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.