Verhältnissen, die gewöhnlich dem Einwirken des Privat¬ mannes verschlossen sind, deren Behandlung aber in dem Lande, wo sich ein Franklin entwickeln konnte, der ächten Bürgerbildung, wie anderswo der Amtswürde, zustän¬ dig und geläufig wird. Doch London und Paris konn¬ ten ihm nicht genügen; nicht nur ein romantischer Trieb, der sich leicht begreifen läßt, sondern auch geschäftliche Anlässe von großer Wichtigkeit, denen er zu folgen hatte, zogen ihn durchaus nach Wien, wo zum großen Con¬ gresse die machtvollsten und glänzendsten Vertreter der europäischen Welt sich schon versammelten.
Eingedenk der früheren Verwarnung, fragte er bei dem österreichischen Gesandten an, ob ihm der Zutritt in Oesterreich wohl erlaubt werden möchte? Wie fern lag jener alte Vorgang dem jetzigen Zustande, wie tief begraben in der Erinnerung! Der Bürger der Ver¬ einigten Staaten, der wirksame Geschäftsmann, der von Lord Castlereagh und von dem Fürsten Talleyrand eifrig Empfohlene, hatte nichts mehr gemein mit jenem tollkühnen Abentheurer; der Mann, für den er Leben und Freiheit gewagt, war kaum noch ein Gegenstand der Aufmerksamkeit, geschweige denn des Hasses. In der Noth des Kampfes und in der Freude des Sieges waren ganz andre Aussöhnungen erfolgt, ganz andre Unbilden vergessen worden! Bollmanns vorsichtige An¬ frage wurde daher sehr gut aufgenommen, und durch die Versicherung beantwortet, er dürfe ohne Scheu nach
Verhaͤltniſſen, die gewoͤhnlich dem Einwirken des Privat¬ mannes verſchloſſen ſind, deren Behandlung aber in dem Lande, wo ſich ein Franklin entwickeln konnte, der aͤchten Buͤrgerbildung, wie anderswo der Amtswuͤrde, zuſtaͤn¬ dig und gelaͤufig wird. Doch London und Paris konn¬ ten ihm nicht genuͤgen; nicht nur ein romantiſcher Trieb, der ſich leicht begreifen laͤßt, ſondern auch geſchaͤftliche Anlaͤſſe von großer Wichtigkeit, denen er zu folgen hatte, zogen ihn durchaus nach Wien, wo zum großen Con¬ greſſe die machtvollſten und glaͤnzendſten Vertreter der europaͤiſchen Welt ſich ſchon verſammelten.
Eingedenk der fruͤheren Verwarnung, fragte er bei dem oͤſterreichiſchen Geſandten an, ob ihm der Zutritt in Oeſterreich wohl erlaubt werden moͤchte? Wie fern lag jener alte Vorgang dem jetzigen Zuſtande, wie tief begraben in der Erinnerung! Der Buͤrger der Ver¬ einigten Staaten, der wirkſame Geſchaͤftsmann, der von Lord Caſtlereagh und von dem Fuͤrſten Talleyrand eifrig Empfohlene, hatte nichts mehr gemein mit jenem tollkuͤhnen Abentheurer; der Mann, fuͤr den er Leben und Freiheit gewagt, war kaum noch ein Gegenſtand der Aufmerkſamkeit, geſchweige denn des Haſſes. In der Noth des Kampfes und in der Freude des Sieges waren ganz andre Ausſoͤhnungen erfolgt, ganz andre Unbilden vergeſſen worden! Bollmanns vorſichtige An¬ frage wurde daher ſehr gut aufgenommen, und durch die Verſicherung beantwortet, er duͤrfe ohne Scheu nach
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Verhaͤltniſſen, die gewoͤhnlich dem Einwirken des Privat¬
mannes verſchloſſen ſind, deren Behandlung aber in dem
Lande, wo ſich ein Franklin entwickeln konnte, der aͤchten
Buͤrgerbildung, wie anderswo der Amtswuͤrde, zuſtaͤn¬
dig und gelaͤufig wird. Doch London und Paris konn¬
ten ihm nicht genuͤgen; nicht nur ein romantiſcher Trieb,
der ſich leicht begreifen laͤßt, ſondern auch geſchaͤftliche
Anlaͤſſe von großer Wichtigkeit, denen er zu folgen hatte,
zogen ihn durchaus nach Wien, wo zum großen Con¬
greſſe die machtvollſten und glaͤnzendſten Vertreter der
europaͤiſchen Welt ſich ſchon verſammelten.
Eingedenk der fruͤheren Verwarnung, fragte er bei
dem oͤſterreichiſchen Geſandten an, ob ihm der Zutritt
in Oeſterreich wohl erlaubt werden moͤchte? Wie fern
lag jener alte Vorgang dem jetzigen Zuſtande, wie tief
begraben in der Erinnerung! Der Buͤrger der Ver¬
einigten Staaten, der wirkſame Geſchaͤftsmann, der von
Lord Caſtlereagh und von dem Fuͤrſten Talleyrand
eifrig Empfohlene, hatte nichts mehr gemein mit jenem
tollkuͤhnen Abentheurer; der Mann, fuͤr den er Leben
und Freiheit gewagt, war kaum noch ein Gegenſtand
der Aufmerkſamkeit, geſchweige denn des Haſſes. In
der Noth des Kampfes und in der Freude des Sieges
waren ganz andre Ausſoͤhnungen erfolgt, ganz andre
Unbilden vergeſſen worden! Bollmanns vorſichtige An¬
frage wurde daher ſehr gut aufgenommen, und durch
die Verſicherung beantwortet, er duͤrfe ohne Scheu nach
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/122>, abgerufen am 24.11.2024.
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