vor Gericht gestellt wurde. Der Unglückliche war auf der That ergriffen, die Sache selbst keinem Zweifel unterworfen, dem Ausspruch des Gesetzes unentfliehbar; es half nichts, daß der Arme nur im Augenblicke der schrecklichsten Noth und ohne Waffen zu jenem verzwei¬ felten Versuche geschritten war; die Todesstrafe wurde ausgesprochen. Kaum hatte Schlabrendorf von dem bevorstehenden Schicksale des ihm sonst unbekannten Landsmanns gehört, als er sich des Verlassenen eifrigst annahm, ihn wiederholt besuchte, und zuletzt, um seine Hülfe und Tröstung wirksamer darbieten zu können, mit ihm das Gefängniß ganz und gar theilte. Die Hinrichtung war nicht abzuwenden; Schlabrendorf aber, in seiner menschenfreundlichen Sinnesart muthig aus¬ harrend, begleitete den armen Sünder, in Ermangelung eines Geistlichen von dessen Glauben, zur Hinrichtung, und blieb unter frommem Zuspruch an des Unglücklichen Seite, bis derselbe den Geist aufgegeben hatte. Der König Georg der Dritte erfuhr diesen schönen Zug hoch¬ herziger Menschenliebe; wurde lebhaft davon ergriffen, und bezeigte dem edlen Grafen seitdem eine ganz be¬ sondere Hochachtung. Ein anderer Fall zeigt seine Gro߬ muth in nicht weniger hellem Lichte. Ein magdebur¬ gischer Kaufmann befand sich in Paris wegen Schulden in Verhaft. Seine dreizehnjährige Tochter wurde ver¬ anlaßt, sich an Schlabrendorf zu wenden, und that dies nicht vergebens. Die erforderliche Summe betrug
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vor Gericht geſtellt wurde. Der Ungluͤckliche war auf der That ergriffen, die Sache ſelbſt keinem Zweifel unterworfen, dem Ausſpruch des Geſetzes unentfliehbar; es half nichts, daß der Arme nur im Augenblicke der ſchrecklichſten Noth und ohne Waffen zu jenem verzwei¬ felten Verſuche geſchritten war; die Todesſtrafe wurde ausgeſprochen. Kaum hatte Schlabrendorf von dem bevorſtehenden Schickſale des ihm ſonſt unbekannten Landsmanns gehoͤrt, als er ſich des Verlaſſenen eifrigſt annahm, ihn wiederholt beſuchte, und zuletzt, um ſeine Huͤlfe und Troͤſtung wirkſamer darbieten zu koͤnnen, mit ihm das Gefaͤngniß ganz und gar theilte. Die Hinrichtung war nicht abzuwenden; Schlabrendorf aber, in ſeiner menſchenfreundlichen Sinnesart muthig aus¬ harrend, begleitete den armen Suͤnder, in Ermangelung eines Geiſtlichen von deſſen Glauben, zur Hinrichtung, und blieb unter frommem Zuſpruch an des Ungluͤcklichen Seite, bis derſelbe den Geiſt aufgegeben hatte. Der Koͤnig Georg der Dritte erfuhr dieſen ſchoͤnen Zug hoch¬ herziger Menſchenliebe; wurde lebhaft davon ergriffen, und bezeigte dem edlen Grafen ſeitdem eine ganz be¬ ſondere Hochachtung. Ein anderer Fall zeigt ſeine Gro߬ muth in nicht weniger hellem Lichte. Ein magdebur¬ giſcher Kaufmann befand ſich in Paris wegen Schulden in Verhaft. Seine dreizehnjaͤhrige Tochter wurde ver¬ anlaßt, ſich an Schlabrendorf zu wenden, und that dies nicht vergebens. Die erforderliche Summe betrug
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vor Gericht geſtellt wurde. Der Ungluͤckliche war auf
der That ergriffen, die Sache ſelbſt keinem Zweifel
unterworfen, dem Ausſpruch des Geſetzes unentfliehbar;
es half nichts, daß der Arme nur im Augenblicke der
ſchrecklichſten Noth und ohne Waffen zu jenem verzwei¬
felten Verſuche geſchritten war; die Todesſtrafe wurde
ausgeſprochen. Kaum hatte Schlabrendorf von dem
bevorſtehenden Schickſale des ihm ſonſt unbekannten
Landsmanns gehoͤrt, als er ſich des Verlaſſenen eifrigſt
annahm, ihn wiederholt beſuchte, und zuletzt, um ſeine
Huͤlfe und Troͤſtung wirkſamer darbieten zu koͤnnen,
mit ihm das Gefaͤngniß ganz und gar theilte. Die
Hinrichtung war nicht abzuwenden; Schlabrendorf aber,
in ſeiner menſchenfreundlichen Sinnesart muthig aus¬
harrend, begleitete den armen Suͤnder, in Ermangelung
eines Geiſtlichen von deſſen Glauben, zur Hinrichtung,
und blieb unter frommem Zuſpruch an des Ungluͤcklichen
Seite, bis derſelbe den Geiſt aufgegeben hatte. Der
Koͤnig Georg der Dritte erfuhr dieſen ſchoͤnen Zug hoch¬
herziger Menſchenliebe; wurde lebhaft davon ergriffen,
und bezeigte dem edlen Grafen ſeitdem eine ganz be¬
ſondere Hochachtung. Ein anderer Fall zeigt ſeine Gro߬
muth in nicht weniger hellem Lichte. Ein magdebur¬
giſcher Kaufmann befand ſich in Paris wegen Schulden
in Verhaft. Seine dreizehnjaͤhrige Tochter wurde ver¬
anlaßt, ſich an Schlabrendorf zu wenden, und that
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/175>, abgerufen am 24.11.2024.
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