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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837.

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geschahe aber nicht also, und ich hatte nicht die geringste
Anlage dazu. Er gab sich alle mögliche Mühe mit
mir, aber es zeigte sich bald, daß ich nicht zum Vir¬
tuosen bestimmt war.

Die viele Mühe, die sich mein Vater mit mir gab,
brachte mich aber doch in der Musik so weit, daß ich
die Scala singen und ein Instrument rein stimmen lernte.
Es ist dies ein Beweis, wie viel unverdrossener Fleiß
beim Unterricht bewirken kann; denn ich erinnere mich
noch sehr wohl, wie ich anfangs gar nicht hören konnte,
ob ein von mir meinem Vater nachgesungener Ton der
nämliche, oder ein anderer war. Das Gefühl der stär¬
keren oder schwächeren Anstrengung meiner Stimm¬
organe und die größere oder kleinere Hebung des Luft¬
röhrenkopfes, wodurch ich endlich nach meines Vaters
Ausspruch den Ton traf, wurden mir das Maß von
der Höhe und Tiefe der Töne, und endlich fühlte ich,
ob ich den gleichen Ton mitsang oder nicht. Bei diesem
Gefühl blieb ich auch stehen, und nur dies Gefühl der
Aenderung meiner Stimmorgane, um den gleichen Ton
hervorzubringen, kann mich entscheiden lassen, welcher
unter wenig verschiedenen Tönen der höhere oder tiefere
ist. Diese Mühe, die es mir kostete, Höhe und Tiefe
der Töne zu unterscheiden, hatte ich aber nicht nöthig,
mir zu geben, um die specifische Art des Klanges zu
unterscheiden; nie, nachdem ich einmal ein Instrument
gehört hatte, verwechselte ich dieses ungesehen mit einem

geſchahe aber nicht alſo, und ich hatte nicht die geringſte
Anlage dazu. Er gab ſich alle moͤgliche Muͤhe mit
mir, aber es zeigte ſich bald, daß ich nicht zum Vir¬
tuoſen beſtimmt war.

Die viele Muͤhe, die ſich mein Vater mit mir gab,
brachte mich aber doch in der Muſik ſo weit, daß ich
die Scala ſingen und ein Inſtrument rein ſtimmen lernte.
Es iſt dies ein Beweis, wie viel unverdroſſener Fleiß
beim Unterricht bewirken kann; denn ich erinnere mich
noch ſehr wohl, wie ich anfangs gar nicht hoͤren konnte,
ob ein von mir meinem Vater nachgeſungener Ton der
naͤmliche, oder ein anderer war. Das Gefuͤhl der ſtaͤr¬
keren oder ſchwaͤcheren Anſtrengung meiner Stimm¬
organe und die groͤßere oder kleinere Hebung des Luft¬
roͤhrenkopfes, wodurch ich endlich nach meines Vaters
Ausſpruch den Ton traf, wurden mir das Maß von
der Hoͤhe und Tiefe der Toͤne, und endlich fuͤhlte ich,
ob ich den gleichen Ton mitſang oder nicht. Bei dieſem
Gefuͤhl blieb ich auch ſtehen, und nur dies Gefuͤhl der
Aenderung meiner Stimmorgane, um den gleichen Ton
hervorzubringen, kann mich entſcheiden laſſen, welcher
unter wenig verſchiedenen Toͤnen der hoͤhere oder tiefere
iſt. Dieſe Muͤhe, die es mir koſtete, Hoͤhe und Tiefe
der Toͤne zu unterſcheiden, hatte ich aber nicht noͤthig,
mir zu geben, um die ſpecifiſche Art des Klanges zu
unterſcheiden; nie, nachdem ich einmal ein Inſtrument
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[213/0227] geſchahe aber nicht alſo, und ich hatte nicht die geringſte Anlage dazu. Er gab ſich alle moͤgliche Muͤhe mit mir, aber es zeigte ſich bald, daß ich nicht zum Vir¬ tuoſen beſtimmt war. Die viele Muͤhe, die ſich mein Vater mit mir gab, brachte mich aber doch in der Muſik ſo weit, daß ich die Scala ſingen und ein Inſtrument rein ſtimmen lernte. Es iſt dies ein Beweis, wie viel unverdroſſener Fleiß beim Unterricht bewirken kann; denn ich erinnere mich noch ſehr wohl, wie ich anfangs gar nicht hoͤren konnte, ob ein von mir meinem Vater nachgeſungener Ton der naͤmliche, oder ein anderer war. Das Gefuͤhl der ſtaͤr¬ keren oder ſchwaͤcheren Anſtrengung meiner Stimm¬ organe und die groͤßere oder kleinere Hebung des Luft¬ roͤhrenkopfes, wodurch ich endlich nach meines Vaters Ausſpruch den Ton traf, wurden mir das Maß von der Hoͤhe und Tiefe der Toͤne, und endlich fuͤhlte ich, ob ich den gleichen Ton mitſang oder nicht. Bei dieſem Gefuͤhl blieb ich auch ſtehen, und nur dies Gefuͤhl der Aenderung meiner Stimmorgane, um den gleichen Ton hervorzubringen, kann mich entſcheiden laſſen, welcher unter wenig verſchiedenen Toͤnen der hoͤhere oder tiefere iſt. Dieſe Muͤhe, die es mir koſtete, Hoͤhe und Tiefe der Toͤne zu unterſcheiden, hatte ich aber nicht noͤthig, mir zu geben, um die ſpecifiſche Art des Klanges zu unterſcheiden; nie, nachdem ich einmal ein Inſtrument gehoͤrt hatte, verwechſelte ich dieſes ungeſehen mit einem

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/227>, abgerufen am 26.11.2024.