meiner Mutter zu Gefallen laut, und hatte für die Staaten Partei genommen. Mich interessirten sie daher so frühe, als ich nur einen Vortrag einigermaßen be¬ greifen konnte, und es wurde dadurch eine Vorliebe für eine wahrhaft republikanische Verfassung, deren we¬ sentlicher Karakter darin besteht, daß die Regierung, von welcher Form sie übrigens sei, alle Angelegenheiten der Menschen als eine res publica und nicht als ihre res privata behandelt, gegründet, die nie, als mit mei¬ nem Leben, verlöschen wird. Das Lesen der Schrift¬ steller, aus denen die Jugend nur Latein und Griechisch lernen soll, befestigte diese Neigung noch mehr, und ich werde sie nie verläugnen, da ich, getreu meinen einge¬ gangenen Verbindlichkeiten, gehorche, wo ich Unterthan bin, und meine innern Wünsche und Hoffnungen der Vorsehung anheim stelle, die ich allein als den Rich¬ ter darüber anerkenne, und keine Regierung mir Ver¬ letzung der Wahrhaftigkeit und des Rechts befehlen wird und darf. Dies Gefühl für Freiheit war aber auch außerdem eine nothwendige Folge meiner Erziehung. Bei aller Neigung, welche mir von meinem Vater zu den Künsten und Wissenschaften eingepflanzt worden, war nie von ihm in mir der Gedanke erweckt worden, daß ich je etwas Andres zu meinem Lebensunterhalt treiben sollte als seine Profession. Alles, was ich lernte, lernte ich, weil ich Vergnügen daran fand, oder mei¬ nem Vater zu lieb, denn ich liebte meinen Vater so
meiner Mutter zu Gefallen laut, und hatte fuͤr die Staaten Partei genommen. Mich intereſſirten ſie daher ſo fruͤhe, als ich nur einen Vortrag einigermaßen be¬ greifen konnte, und es wurde dadurch eine Vorliebe fuͤr eine wahrhaft republikaniſche Verfaſſung, deren we¬ ſentlicher Karakter darin beſteht, daß die Regierung, von welcher Form ſie uͤbrigens ſei, alle Angelegenheiten der Menſchen als eine res publica und nicht als ihre res privata behandelt, gegruͤndet, die nie, als mit mei¬ nem Leben, verloͤſchen wird. Das Leſen der Schrift¬ ſteller, aus denen die Jugend nur Latein und Griechiſch lernen ſoll, befeſtigte dieſe Neigung noch mehr, und ich werde ſie nie verlaͤugnen, da ich, getreu meinen einge¬ gangenen Verbindlichkeiten, gehorche, wo ich Unterthan bin, und meine innern Wuͤnſche und Hoffnungen der Vorſehung anheim ſtelle, die ich allein als den Rich¬ ter daruͤber anerkenne, und keine Regierung mir Ver¬ letzung der Wahrhaftigkeit und des Rechts befehlen wird und darf. Dies Gefuͤhl fuͤr Freiheit war aber auch außerdem eine nothwendige Folge meiner Erziehung. Bei aller Neigung, welche mir von meinem Vater zu den Kuͤnſten und Wiſſenſchaften eingepflanzt worden, war nie von ihm in mir der Gedanke erweckt worden, daß ich je etwas Andres zu meinem Lebensunterhalt treiben ſollte als ſeine Profeſſion. Alles, was ich lernte, lernte ich, weil ich Vergnuͤgen daran fand, oder mei¬ nem Vater zu lieb, denn ich liebte meinen Vater ſo
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meiner Mutter zu Gefallen laut, und hatte fuͤr die
Staaten Partei genommen. Mich intereſſirten ſie daher
ſo fruͤhe, als ich nur einen Vortrag einigermaßen be¬
greifen konnte, und es wurde dadurch eine Vorliebe
fuͤr eine wahrhaft republikaniſche Verfaſſung, deren we¬
ſentlicher Karakter darin beſteht, daß die Regierung,
von welcher Form ſie uͤbrigens ſei, alle Angelegenheiten
der Menſchen als eine res publica und nicht als ihre
res privata behandelt, gegruͤndet, die nie, als mit mei¬
nem Leben, verloͤſchen wird. Das Leſen der Schrift¬
ſteller, aus denen die Jugend nur Latein und Griechiſch
lernen ſoll, befeſtigte dieſe Neigung noch mehr, und ich
werde ſie nie verlaͤugnen, da ich, getreu meinen einge¬
gangenen Verbindlichkeiten, gehorche, wo ich Unterthan
bin, und meine innern Wuͤnſche und Hoffnungen der
Vorſehung anheim ſtelle, die ich allein als den Rich¬
ter daruͤber anerkenne, und keine Regierung mir Ver¬
letzung der Wahrhaftigkeit und des Rechts befehlen wird
und darf. Dies Gefuͤhl fuͤr Freiheit war aber auch
außerdem eine nothwendige Folge meiner Erziehung.
Bei aller Neigung, welche mir von meinem Vater zu
den Kuͤnſten und Wiſſenſchaften eingepflanzt worden,
war nie von ihm in mir der Gedanke erweckt worden,
daß ich je etwas Andres zu meinem Lebensunterhalt
treiben ſollte als ſeine Profeſſion. Alles, was ich lernte,
lernte ich, weil ich Vergnuͤgen daran fand, oder mei¬
nem Vater zu lieb, denn ich liebte meinen Vater ſo
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/236>, abgerufen am 25.11.2024.
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