seinem Geist und Herzen das vornehmste Leben führt, und aus eignen, alleinigen Kräften, in fortgesetzten schwelgerischen Genüssen, eine Bildung erreicht, deren eine begünstigtere Stellung zur Welt unter beeifertem, vielfachen Mitwirken noch sich zu rühmen haben könnte. Von dieser ersten Gestalt seiner anhebenden Entwickelung bleibt Erhards ganzes folgendes Leben bezeichnet, die Art seines Geistes und seines Gemüths, seine Hand¬ lungs- und seine Erscheinungsweise, alles nimmt und behält von daher sein Gepräge. Er ist ein Autodidaktus im vollen Sinne, den das Wort haben kann; er genießt und leidet alle Bedingungen dieser ausgezeichneten und in ihrem Werthe gleichwohl oft zweifelhaften Eigenschaft. Selten werden uns von einer solchen Laufbahn so frühe Urkunden geboten, die mit den spätesten noch so sehr übereinstimmen. Aber wenn diese Briefe vor allem das persönlich Karakteristische darlegen, so müssen sie demnächst doch wieder auch darin gelten, was sie als Ausdruck ihrer Zeit sind. Dieses Allgemeine damaliger deutscher Gemüthswelt strömt gewaltig in diesen Be¬ sonderheiten. Denn wenn auch in jedem Jugendgeschlecht ein Streben sich wiederholt, welchem das Mißverhältniß des Wollens und der Stoffe immer einen ähnlichen Karakter verleiht, so ist doch dieses sittlich-geistige Ver¬ arbeiten der kleinsten Begebnisse, dieses Erörtern der Begriffe, dieses Abfragen und Sichten der Gefühle, dabei das Trockne, Einfärbige, der bei allem redlichsten
ſeinem Geiſt und Herzen das vornehmſte Leben fuͤhrt, und aus eignen, alleinigen Kraͤften, in fortgeſetzten ſchwelgeriſchen Genuͤſſen, eine Bildung erreicht, deren eine beguͤnſtigtere Stellung zur Welt unter beeifertem, vielfachen Mitwirken noch ſich zu ruͤhmen haben koͤnnte. Von dieſer erſten Geſtalt ſeiner anhebenden Entwickelung bleibt Erhards ganzes folgendes Leben bezeichnet, die Art ſeines Geiſtes und ſeines Gemuͤths, ſeine Hand¬ lungs- und ſeine Erſcheinungsweiſe, alles nimmt und behaͤlt von daher ſein Gepraͤge. Er iſt ein Autodidaktus im vollen Sinne, den das Wort haben kann; er genießt und leidet alle Bedingungen dieſer ausgezeichneten und in ihrem Werthe gleichwohl oft zweifelhaften Eigenſchaft. Selten werden uns von einer ſolchen Laufbahn ſo fruͤhe Urkunden geboten, die mit den ſpaͤteſten noch ſo ſehr uͤbereinſtimmen. Aber wenn dieſe Briefe vor allem das perſoͤnlich Karakteriſtiſche darlegen, ſo muͤſſen ſie demnaͤchſt doch wieder auch darin gelten, was ſie als Ausdruck ihrer Zeit ſind. Dieſes Allgemeine damaliger deutſcher Gemuͤthswelt ſtroͤmt gewaltig in dieſen Be¬ ſonderheiten. Denn wenn auch in jedem Jugendgeſchlecht ein Streben ſich wiederholt, welchem das Mißverhaͤltniß des Wollens und der Stoffe immer einen aͤhnlichen Karakter verleiht, ſo iſt doch dieſes ſittlich-geiſtige Ver¬ arbeiten der kleinſten Begebniſſe, dieſes Eroͤrtern der Begriffe, dieſes Abfragen und Sichten der Gefuͤhle, dabei das Trockne, Einfaͤrbige, der bei allem redlichſten
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ſeinem Geiſt und Herzen das vornehmſte Leben fuͤhrt,
und aus eignen, alleinigen Kraͤften, in fortgeſetzten
ſchwelgeriſchen Genuͤſſen, eine Bildung erreicht, deren
eine beguͤnſtigtere Stellung zur Welt unter beeifertem,
vielfachen Mitwirken noch ſich zu ruͤhmen haben koͤnnte.
Von dieſer erſten Geſtalt ſeiner anhebenden Entwickelung
bleibt Erhards ganzes folgendes Leben bezeichnet, die
Art ſeines Geiſtes und ſeines Gemuͤths, ſeine Hand¬
lungs- und ſeine Erſcheinungsweiſe, alles nimmt und
behaͤlt von daher ſein Gepraͤge. Er iſt ein Autodidaktus
im vollen Sinne, den das Wort haben kann; er genießt
und leidet alle Bedingungen dieſer ausgezeichneten und
in ihrem Werthe gleichwohl oft zweifelhaften Eigenſchaft.
Selten werden uns von einer ſolchen Laufbahn ſo fruͤhe
Urkunden geboten, die mit den ſpaͤteſten noch ſo ſehr
uͤbereinſtimmen. Aber wenn dieſe Briefe vor allem
das perſoͤnlich Karakteriſtiſche darlegen, ſo muͤſſen ſie
demnaͤchſt doch wieder auch darin gelten, was ſie als
Ausdruck ihrer Zeit ſind. Dieſes Allgemeine damaliger
deutſcher Gemuͤthswelt ſtroͤmt gewaltig in dieſen Be¬
ſonderheiten. Denn wenn auch in jedem Jugendgeſchlecht
ein Streben ſich wiederholt, welchem das Mißverhaͤltniß
des Wollens und der Stoffe immer einen aͤhnlichen
Karakter verleiht, ſo iſt doch dieſes ſittlich-geiſtige Ver¬
arbeiten der kleinſten Begebniſſe, dieſes Eroͤrtern der
Begriffe, dieſes Abfragen und Sichten der Gefuͤhle,
dabei das Trockne, Einfaͤrbige, der bei allem redlichſten
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/293>, abgerufen am 23.11.2024.
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