und wendet sich damit so kühn als frank unmittelbar an die Behörde, deren Namen gegen ihn so betrüglich mißbraucht worden war. Konnte dieser Schritt auch schwerlich zum Ziele führen, -- wir wissen nicht, ob das Schreiben wirklich abgegangen und angelangt sei, auch im letzteren Fall aber durfte ein so ferner Hülfe¬ ruf in seinem Deutsch kaum hoffen beachtet zu werden --, so zeigte er doch den unverlorenen Kern des edelsten Selbstgefühls, das die beschämende Demüthigung zwar empfindet, aber nicht in ihr untergeht, sondern sie ein¬ gestehend abwirft, und nach wie vor zu Höherem strebt. Wirklich besteht das Ansehn Erhards unter seinen Freun¬ den auch nach dieser Katastrophe fast ungeschwächt fort; ihn zu tadeln, ihm sogenannten guten Rath zu erthei¬ len drängt sich niemand herbei, ihm wahrhaft zu helfen ist die tüchtigste Freundeshand bereit. Nur sein Freund Grundherr, durch redlichen Eifer und sittliche Ruhe mehr als durch Talente ausgezeichnet, nimmt in dem nach¬ folgenden Briefe aus dem Unglück Erhards nothgedrun¬ gen Anlaß, ihm mancherlei vorzuhalten, was mit jenem Irrsal näher zusammenhängt, und so ihm den einzigen Gewinn, der bei solchem Sturze noch zu erraffen ist, hervorzuheben und zu wahren. Auch von Schiller fin¬ det sich später ein Brief, der die hochfliegenden That¬ gedanken in stillere, gelassene Wirksamkeit herabzustim¬ men sucht. Doch beherrscht die hohe Meinung, welche die Freunde von ihm haben, immer den guten Willen,
und wendet ſich damit ſo kuͤhn als frank unmittelbar an die Behoͤrde, deren Namen gegen ihn ſo betruͤglich mißbraucht worden war. Konnte dieſer Schritt auch ſchwerlich zum Ziele fuͤhren, — wir wiſſen nicht, ob das Schreiben wirklich abgegangen und angelangt ſei, auch im letzteren Fall aber durfte ein ſo ferner Huͤlfe¬ ruf in ſeinem Deutſch kaum hoffen beachtet zu werden —, ſo zeigte er doch den unverlorenen Kern des edelſten Selbſtgefuͤhls, das die beſchaͤmende Demuͤthigung zwar empfindet, aber nicht in ihr untergeht, ſondern ſie ein¬ geſtehend abwirft, und nach wie vor zu Hoͤherem ſtrebt. Wirklich beſteht das Anſehn Erhards unter ſeinen Freun¬ den auch nach dieſer Kataſtrophe faſt ungeſchwaͤcht fort; ihn zu tadeln, ihm ſogenannten guten Rath zu erthei¬ len draͤngt ſich niemand herbei, ihm wahrhaft zu helfen iſt die tuͤchtigſte Freundeshand bereit. Nur ſein Freund Grundherr, durch redlichen Eifer und ſittliche Ruhe mehr als durch Talente ausgezeichnet, nimmt in dem nach¬ folgenden Briefe aus dem Ungluͤck Erhards nothgedrun¬ gen Anlaß, ihm mancherlei vorzuhalten, was mit jenem Irrſal naͤher zuſammenhaͤngt, und ſo ihm den einzigen Gewinn, der bei ſolchem Sturze noch zu erraffen iſt, hervorzuheben und zu wahren. Auch von Schiller fin¬ det ſich ſpaͤter ein Brief, der die hochfliegenden That¬ gedanken in ſtillere, gelaſſene Wirkſamkeit herabzuſtim¬ men ſucht. Doch beherrſcht die hohe Meinung, welche die Freunde von ihm haben, immer den guten Willen,
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[292/0306]
und wendet ſich damit ſo kuͤhn als frank unmittelbar
an die Behoͤrde, deren Namen gegen ihn ſo betruͤglich
mißbraucht worden war. Konnte dieſer Schritt auch
ſchwerlich zum Ziele fuͤhren, — wir wiſſen nicht, ob
das Schreiben wirklich abgegangen und angelangt ſei,
auch im letzteren Fall aber durfte ein ſo ferner Huͤlfe¬
ruf in ſeinem Deutſch kaum hoffen beachtet zu werden —,
ſo zeigte er doch den unverlorenen Kern des edelſten
Selbſtgefuͤhls, das die beſchaͤmende Demuͤthigung zwar
empfindet, aber nicht in ihr untergeht, ſondern ſie ein¬
geſtehend abwirft, und nach wie vor zu Hoͤherem ſtrebt.
Wirklich beſteht das Anſehn Erhards unter ſeinen Freun¬
den auch nach dieſer Kataſtrophe faſt ungeſchwaͤcht fort;
ihn zu tadeln, ihm ſogenannten guten Rath zu erthei¬
len draͤngt ſich niemand herbei, ihm wahrhaft zu helfen
iſt die tuͤchtigſte Freundeshand bereit. Nur ſein Freund
Grundherr, durch redlichen Eifer und ſittliche Ruhe mehr
als durch Talente ausgezeichnet, nimmt in dem nach¬
folgenden Briefe aus dem Ungluͤck Erhards nothgedrun¬
gen Anlaß, ihm mancherlei vorzuhalten, was mit jenem
Irrſal naͤher zuſammenhaͤngt, und ſo ihm den einzigen
Gewinn, der bei ſolchem Sturze noch zu erraffen iſt,
hervorzuheben und zu wahren. Auch von Schiller fin¬
det ſich ſpaͤter ein Brief, der die hochfliegenden That¬
gedanken in ſtillere, gelaſſene Wirkſamkeit herabzuſtim¬
men ſucht. Doch beherrſcht die hohe Meinung, welche
die Freunde von ihm haben, immer den guten Willen,
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/306>, abgerufen am 22.11.2024.
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