Einwurf sicher! -- Es stehe indeß mit der Wahrheit dieser Be¬ merkungen, wie's wolle, genug, auf die Originalität derselben bin ich stolz, und eben deßwegen bin ich durch Vermittlung der bekannten Selbstliebe jetzt ausgesöhnt mit den schmutzigen Stra¬ ßen. -- Sollten sich übrigens in Ihrer Bekanntschaft Melancho¬ lische und Trübsinnige befinden, so geben Sie ihnen den Rath, sich auf eine Zeit lang nach Paris zu verfügen, und zugleich den strengen Befehl, in den engen Gassen täglich einige Stunden spaziren zu gehen. Entweder der nothwendige schnelle Uebergang von einer Idee zur andern kurirt sie, oder auch, man fährt sie todt, und sie entweichen alsdann aus einmal der Sünde des Selbst¬ mords und einem lästigen Leben. Dies Mittel ist auf jeden Fall zweckmäßig, und weil ich's in keinem Schriftsteller noch angeführt finde, so werde ich dasselbe der gelehrten Welt in einem kleinen Traktate bekannt machen. Dies Werkchen wird früher erscheinen, als das bewußte, und da Sie natürlicherweise auf die versprochene Dedikation äußerst begierig sind, so bin ich gesonnen, sie diesem Vorschlag eines neuen Mittels gegen die Melancholie vordrucken zu lassen. Ich hoffe Ihren Beifall hierdurch um so mehr zu ver¬ dienen, da der menschenliebende Inhalt dieses Werkes mit Ihrem menschenfreundlichen Herzen sich weit besser verträgt, als sich die Grübeleien eines andern vertragen würden mit dem einfachen und liebenswürdigen Gang Ihres Verstandes! --
Vom Palais-Royal, den Tuillerien u. s. w. sag' ich Ihnen heute nichts. Eben so wenig von den Schauspielen, -- aber ich werde mich bemühen, dies nachzuholen, wenn meine Sachkennt¬ niß gründlicher ist, wie jetzt. --
Die Nationalversammlung und ihre einzelnen Mitglieder sind bald der Gegenstand der Anbetung, bald des Gespötts, bald der Verachtung. Im Ganzen ist es ein wüthendes Chor. Ein gro¬ ßer Haufe leidenschaftlicher, übelunterrichteter, eigennütziger, ehr¬
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Einwurf ſicher! — Es ſtehe indeß mit der Wahrheit dieſer Be¬ merkungen, wie's wolle, genug, auf die Originalitaͤt derſelben bin ich ſtolz, und eben deßwegen bin ich durch Vermittlung der bekannten Selbſtliebe jetzt ausgeſoͤhnt mit den ſchmutzigen Stra¬ ßen. — Sollten ſich uͤbrigens in Ihrer Bekanntſchaft Melancho¬ liſche und Truͤbſinnige befinden, ſo geben Sie ihnen den Rath, ſich auf eine Zeit lang nach Paris zu verfuͤgen, und zugleich den ſtrengen Befehl, in den engen Gaſſen taͤglich einige Stunden ſpaziren zu gehen. Entweder der nothwendige ſchnelle Uebergang von einer Idee zur andern kurirt ſie, oder auch, man faͤhrt ſie todt, und ſie entweichen alsdann aus einmal der Suͤnde des Selbſt¬ mords und einem laͤſtigen Leben. Dies Mittel iſt auf jeden Fall zweckmaͤßig, und weil ich's in keinem Schriftſteller noch angefuͤhrt finde, ſo werde ich daſſelbe der gelehrten Welt in einem kleinen Traktate bekannt machen. Dies Werkchen wird fruͤher erſcheinen, als das bewußte, und da Sie natuͤrlicherweiſe auf die verſprochene Dedikation aͤußerſt begierig ſind, ſo bin ich geſonnen, ſie dieſem Vorſchlag eines neuen Mittels gegen die Melancholie vordrucken zu laſſen. Ich hoffe Ihren Beifall hierdurch um ſo mehr zu ver¬ dienen, da der menſchenliebende Inhalt dieſes Werkes mit Ihrem menſchenfreundlichen Herzen ſich weit beſſer vertraͤgt, als ſich die Gruͤbeleien eines andern vertragen wuͤrden mit dem einfachen und liebenswuͤrdigen Gang Ihres Verſtandes! —
Vom Palais-Royal, den Tuillerien u. ſ. w. ſag' ich Ihnen heute nichts. Eben ſo wenig von den Schauſpielen, — aber ich werde mich bemuͤhen, dies nachzuholen, wenn meine Sachkennt¬ niß gruͤndlicher iſt, wie jetzt. —
Die Nationalverſammlung und ihre einzelnen Mitglieder ſind bald der Gegenſtand der Anbetung, bald des Geſpoͤtts, bald der Verachtung. Im Ganzen iſt es ein wuͤthendes Chor. Ein gro¬ ßer Haufe leidenſchaftlicher, uͤbelunterrichteter, eigennuͤtziger, ehr¬
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Einwurf ſicher! — Es ſtehe indeß mit der Wahrheit dieſer Be¬
merkungen, wie's wolle, genug, auf die Originalitaͤt derſelben
bin ich ſtolz, und eben deßwegen bin ich durch Vermittlung der
bekannten Selbſtliebe jetzt ausgeſoͤhnt mit den ſchmutzigen Stra¬
ßen. — Sollten ſich uͤbrigens in Ihrer Bekanntſchaft Melancho¬
liſche und Truͤbſinnige befinden, ſo geben Sie ihnen den Rath,
ſich auf eine Zeit lang nach Paris zu verfuͤgen, und zugleich den
ſtrengen Befehl, in den engen Gaſſen taͤglich einige Stunden
ſpaziren zu gehen. Entweder der nothwendige ſchnelle Uebergang
von einer Idee zur andern kurirt ſie, oder auch, man faͤhrt ſie
todt, und ſie entweichen alsdann aus einmal der Suͤnde des Selbſt¬
mords und einem laͤſtigen Leben. Dies Mittel iſt auf jeden Fall
zweckmaͤßig, und weil ich's in keinem Schriftſteller noch angefuͤhrt
finde, ſo werde ich daſſelbe der gelehrten Welt in einem kleinen
Traktate bekannt machen. Dies Werkchen wird fruͤher erſcheinen,
als das bewußte, und da Sie natuͤrlicherweiſe auf die verſprochene
Dedikation aͤußerſt begierig ſind, ſo bin ich geſonnen, ſie dieſem
Vorſchlag eines neuen Mittels gegen die Melancholie vordrucken
zu laſſen. Ich hoffe Ihren Beifall hierdurch um ſo mehr zu ver¬
dienen, da der menſchenliebende Inhalt dieſes Werkes mit Ihrem
menſchenfreundlichen Herzen ſich weit beſſer vertraͤgt, als ſich
die Gruͤbeleien eines andern vertragen wuͤrden mit dem einfachen
und liebenswuͤrdigen Gang Ihres Verſtandes! —
Vom Palais-Royal, den Tuillerien u. ſ. w. ſag' ich Ihnen
heute nichts. Eben ſo wenig von den Schauſpielen, — aber ich
werde mich bemuͤhen, dies nachzuholen, wenn meine Sachkennt¬
niß gruͤndlicher iſt, wie jetzt. —
Die Nationalverſammlung und ihre einzelnen Mitglieder ſind
bald der Gegenſtand der Anbetung, bald des Geſpoͤtts, bald der
Verachtung. Im Ganzen iſt es ein wuͤthendes Chor. Ein gro¬
ßer Haufe leidenſchaftlicher, uͤbelunterrichteter, eigennuͤtziger, ehr¬
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/31>, abgerufen am 21.11.2024.
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