den Staat, und eine auf Bücherwesen gerichtete Geistesbildung, mehr in Wort als in That, das einzige sei, was in diesen Zei¬ ten uns gegeben worden; und dennoch scheint die ganze Ge¬ schichte doch nur um solcher Männer willen da zu sein! War nicht auch der Prinz Ludwig Ferdinand von Preußen ein junger Held, den ungünstige Schicksale den Ansprüchen seines Volkes schon zerstört und verzehrt hatten, als er anfangen sollte, spät dieselben zu erfüllen? Ich weiß es; Sie lieben diesen Prinzen nicht, und ich erinnere mich wohl, daß Sie ihn hart beschul¬ digten; aber Sie kannten ihn nicht, und niemand wurde jemals so wie er von wahrhaftigen Gerüchten dennoch nur verläumdet, weil diese Gerüchte wohl die äußere Thatsache zum scheinbaren Beleg hatten, aber nicht die inneren Gründe zur wahrhaften Erklärung. Deßhalb auch würde ein Dichter in einem Trauer¬ spiel diesen Prinzen treuer darstellen können, als ein noch so begabter, aber undichterischer Geschichtschreiber." --
So weit unser Brief. Auch in den spätern Ereig¬ nissen öffnete sich für Meyern die Bahn der Thätigkeit nicht, auf der ihm ein Blatt in der Geschichte der Ereignisse hätte werden mögen! Aber Denkwürdig¬ keiten seines Lebens und Wirkens wären wohl zu einem Buche zu sammeln, das einen edlen Menschen uns zu reicher, aufweckender und tröstlicher Unterhal¬ tung aufbewahrte. Er lebte später in Wien, dem großen Generalstab angehörig, und unter der Leitung des geist¬ vollen Generals Grafen von Radetzky, für militärische Bildung und Gesetzgebung vielfach thätig.
den Staat, und eine auf Bücherweſen gerichtete Geiſtesbildung, mehr in Wort als in That, das einzige ſei, was in dieſen Zei¬ ten uns gegeben worden; und dennoch ſcheint die ganze Ge¬ ſchichte doch nur um ſolcher Männer willen da zu ſein! War nicht auch der Prinz Ludwig Ferdinand von Preußen ein junger Held, den ungünſtige Schickſale den Anſprüchen ſeines Volkes ſchon zerſtört und verzehrt hatten, als er anfangen ſollte, ſpät dieſelben zu erfüllen? Ich weiß es; Sie lieben dieſen Prinzen nicht, und ich erinnere mich wohl, daß Sie ihn hart beſchul¬ digten; aber Sie kannten ihn nicht, und niemand wurde jemals ſo wie er von wahrhaftigen Gerüchten dennoch nur verläumdet, weil dieſe Gerüchte wohl die äußere Thatſache zum ſcheinbaren Beleg hatten, aber nicht die inneren Gründe zur wahrhaften Erklärung. Deßhalb auch würde ein Dichter in einem Trauer¬ ſpiel dieſen Prinzen treuer darſtellen können, als ein noch ſo begabter, aber undichteriſcher Geſchichtſchreiber.“ —
So weit unſer Brief. Auch in den ſpaͤtern Ereig¬ niſſen oͤffnete ſich fuͤr Meyern die Bahn der Thaͤtigkeit nicht, auf der ihm ein Blatt in der Geſchichte der Ereigniſſe haͤtte werden moͤgen! Aber Denkwuͤrdig¬ keiten ſeines Lebens und Wirkens waͤren wohl zu einem Buche zu ſammeln, das einen edlen Menſchen uns zu reicher, aufweckender und troͤſtlicher Unterhal¬ tung aufbewahrte. Er lebte ſpaͤter in Wien, dem großen Generalſtab angehoͤrig, und unter der Leitung des geiſt¬ vollen Generals Grafen von Radetzky, fuͤr militaͤriſche Bildung und Geſetzgebung vielfach thaͤtig.
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den Staat, und eine auf Bücherweſen gerichtete Geiſtesbildung,
mehr in Wort als in That, das einzige ſei, was in dieſen Zei¬
ten uns gegeben worden; und dennoch ſcheint die ganze Ge¬
ſchichte doch nur um ſolcher Männer willen da zu ſein! War
nicht auch der Prinz Ludwig Ferdinand von Preußen ein junger
Held, den ungünſtige Schickſale den Anſprüchen ſeines Volkes
ſchon zerſtört und verzehrt hatten, als er anfangen ſollte, ſpät
dieſelben zu erfüllen? Ich weiß es; Sie lieben dieſen Prinzen
nicht, und ich erinnere mich wohl, daß Sie ihn hart beſchul¬
digten; aber Sie kannten ihn nicht, und niemand wurde jemals
ſo wie er von wahrhaftigen Gerüchten dennoch nur verläumdet,
weil dieſe Gerüchte wohl die äußere Thatſache zum ſcheinbaren
Beleg hatten, aber nicht die inneren Gründe zur wahrhaften
Erklärung. Deßhalb auch würde ein Dichter in einem Trauer¬
ſpiel dieſen Prinzen treuer darſtellen können, als ein noch ſo
begabter, aber undichteriſcher Geſchichtſchreiber.“ —
So weit unſer Brief. Auch in den ſpaͤtern Ereig¬
niſſen oͤffnete ſich fuͤr Meyern die Bahn der Thaͤtigkeit
nicht, auf der ihm ein Blatt in der Geſchichte der
Ereigniſſe haͤtte werden moͤgen! Aber Denkwuͤrdig¬
keiten ſeines Lebens und Wirkens waͤren wohl zu
einem Buche zu ſammeln, das einen edlen Menſchen
uns zu reicher, aufweckender und troͤſtlicher Unterhal¬
tung aufbewahrte. Er lebte ſpaͤter in Wien, dem großen
Generalſtab angehoͤrig, und unter der Leitung des geiſt¬
vollen Generals Grafen von Radetzky, fuͤr militaͤriſche
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/325>, abgerufen am 21.11.2024.
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