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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837.

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Maß auch des Guten und Besten, was man dem Pu¬
blikum an Einem Abend anfzunehmen zumuthen darf,
überschritten hatten. Das Gedicht aber ist mit großer
Sorgfalt entworfen und ausgearbeitet, und darf auch
ohne Hülfe der Komposition, als dramatisches Erzeug¬
niß, mit vollem Rechte für sich bestehen.

Nachdem Robert einen Theil von Deutschland ge¬
sehen, und auch in Wien einen längeren Aufenthalt
gemacht, besuchte er die Universität Halle, wo er jedoch
den Vorlesungen wenig Geschmack abgewann, sondern
meist eignen Studien und edlem Freundesumgange
lebte. Er machte hierauf eine Reise nach Holland,
und begab sich dann nach Paris, wo er ein dichterisch
genußreiches und fleißiges Leben führte, bis ihn die
Unglücksfälle Preußens im Jahre 1806 nach Berlin
zurückriefen. Für die Bühne lieferte er hier zunächst
wieder eine Uebersetzung, die des Trauerspiels "Omasis"
von Baour-Lormian, welche, in trefflichen Alexandri¬
nern gearbeitet, dieser Versart für den tragischen Ge¬
brauch im Deutschen neuen Eingang verschaffen wollte.
Eigne Hervorbringungen hielt er, wiewohl sehr frucht¬
bar und sonst auch gern mittheilend, aus der Oeffent¬
lichkeit immer lange zurück; auch konnte die Rücksicht
auf das Publikum ihn selten bei seinen Arbeiten be¬
stimmen, die er im Gegentheil völlig frei, nach ganz
persönlichen Antrieben und Stimmungen, oft nur für
einzelne Gelegenheiten, oder für einen kleinen Kreis

Maß auch des Guten und Beſten, was man dem Pu¬
blikum an Einem Abend anfzunehmen zumuthen darf,
uͤberſchritten hatten. Das Gedicht aber iſt mit großer
Sorgfalt entworfen und ausgearbeitet, und darf auch
ohne Huͤlfe der Kompoſition, als dramatiſches Erzeug¬
niß, mit vollem Rechte fuͤr ſich beſtehen.

Nachdem Robert einen Theil von Deutſchland ge¬
ſehen, und auch in Wien einen laͤngeren Aufenthalt
gemacht, beſuchte er die Univerſitaͤt Halle, wo er jedoch
den Vorleſungen wenig Geſchmack abgewann, ſondern
meiſt eignen Studien und edlem Freundesumgange
lebte. Er machte hierauf eine Reiſe nach Holland,
und begab ſich dann nach Paris, wo er ein dichteriſch
genußreiches und fleißiges Leben fuͤhrte, bis ihn die
Ungluͤcksfaͤlle Preußens im Jahre 1806 nach Berlin
zuruͤckriefen. Fuͤr die Buͤhne lieferte er hier zunaͤchſt
wieder eine Ueberſetzung, die des Trauerſpiels „Omaſis“
von Baour-Lormian, welche, in trefflichen Alexandri¬
nern gearbeitet, dieſer Versart fuͤr den tragiſchen Ge¬
brauch im Deutſchen neuen Eingang verſchaffen wollte.
Eigne Hervorbringungen hielt er, wiewohl ſehr frucht¬
bar und ſonſt auch gern mittheilend, aus der Oeffent¬
lichkeit immer lange zuruͤck; auch konnte die Ruͤckſicht
auf das Publikum ihn ſelten bei ſeinen Arbeiten be¬
ſtimmen, die er im Gegentheil voͤllig frei, nach ganz
perſoͤnlichen Antrieben und Stimmungen, oft nur fuͤr
einzelne Gelegenheiten, oder fuͤr einen kleinen Kreis

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[329/0343] Maß auch des Guten und Beſten, was man dem Pu¬ blikum an Einem Abend anfzunehmen zumuthen darf, uͤberſchritten hatten. Das Gedicht aber iſt mit großer Sorgfalt entworfen und ausgearbeitet, und darf auch ohne Huͤlfe der Kompoſition, als dramatiſches Erzeug¬ niß, mit vollem Rechte fuͤr ſich beſtehen. Nachdem Robert einen Theil von Deutſchland ge¬ ſehen, und auch in Wien einen laͤngeren Aufenthalt gemacht, beſuchte er die Univerſitaͤt Halle, wo er jedoch den Vorleſungen wenig Geſchmack abgewann, ſondern meiſt eignen Studien und edlem Freundesumgange lebte. Er machte hierauf eine Reiſe nach Holland, und begab ſich dann nach Paris, wo er ein dichteriſch genußreiches und fleißiges Leben fuͤhrte, bis ihn die Ungluͤcksfaͤlle Preußens im Jahre 1806 nach Berlin zuruͤckriefen. Fuͤr die Buͤhne lieferte er hier zunaͤchſt wieder eine Ueberſetzung, die des Trauerſpiels „Omaſis“ von Baour-Lormian, welche, in trefflichen Alexandri¬ nern gearbeitet, dieſer Versart fuͤr den tragiſchen Ge¬ brauch im Deutſchen neuen Eingang verſchaffen wollte. Eigne Hervorbringungen hielt er, wiewohl ſehr frucht¬ bar und ſonſt auch gern mittheilend, aus der Oeffent¬ lichkeit immer lange zuruͤck; auch konnte die Ruͤckſicht auf das Publikum ihn ſelten bei ſeinen Arbeiten be¬ ſtimmen, die er im Gegentheil voͤllig frei, nach ganz perſoͤnlichen Antrieben und Stimmungen, oft nur fuͤr einzelne Gelegenheiten, oder fuͤr einen kleinen Kreis

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/343>, abgerufen am 20.05.2024.