Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

ernstlich erkrankte, und nun entschieden glaubte, den
vielen weiteren Kämpfen, die sich voraussehen ließen,
mit seinen geschwächten Kräften nicht mehr gewachsen
zu sein. Doch ließ er deshalb in seinem Pflichtberufe
keineswegs nach; die heftigsten Fieberanfälle, die schmerz¬
lichsten Kopfleiden durften ihn nicht abhalten, die Ge¬
schäftsarbeiten regelmäßig fortzuführen, und insbesondere
auch die mündlichen diplomatischen Verhandlungen täglich
zu bestehen. Ganz in den Leistungen lebend, welche
die Zeitumstände von ihm forderten, achtete er nicht
seiner eigenen Hinopferung. Erst nachdem sein Zustand,
durch diese Anstrengung selbst, endlich dahin gebracht
war, daß er glaubte, den Aufgaben seiner Stellung
mit seinen geschwächten Kräften nicht mehr gewachsen
zu sein, reifte der Vorsatz in ihm, sich aus dem Staats¬
dienste zurückzuziehen. Auch die günstigere Aussicht, zu
welcher im Allgemeinen die politischen Angelegenheiten
nicht ohne seine thätige Mitwirkung zurückgeführt waren,
schien ein schicklicher Abschnitt für die eigne Laufbahn,
und er äußerte im Frühjahr 1831 den bestimmten
Wunsch, von derselben abzutreten. Doch sein Wunsch
wurde noch nicht gewahrt, sondern einstweilen durch
die Ernennung eines Staatssekretairs für die auswär¬
tigen Angelegenheiten nur eine erleichternde Geschäfts-
Anordnung eingerichtet.

Als jedoch die Krankheitsleiden, anstatt nachzulassen,
in der nächsten Zeit nur immer häufiger eintraten, und

ernſtlich erkrankte, und nun entſchieden glaubte, den
vielen weiteren Kaͤmpfen, die ſich vorausſehen ließen,
mit ſeinen geſchwaͤchten Kraͤften nicht mehr gewachſen
zu ſein. Doch ließ er deshalb in ſeinem Pflichtberufe
keineswegs nach; die heftigſten Fieberanfaͤlle, die ſchmerz¬
lichſten Kopfleiden durften ihn nicht abhalten, die Ge¬
ſchaͤftsarbeiten regelmaͤßig fortzufuͤhren, und insbeſondere
auch die muͤndlichen diplomatiſchen Verhandlungen taͤglich
zu beſtehen. Ganz in den Leiſtungen lebend, welche
die Zeitumſtaͤnde von ihm forderten, achtete er nicht
ſeiner eigenen Hinopferung. Erſt nachdem ſein Zuſtand,
durch dieſe Anſtrengung ſelbſt, endlich dahin gebracht
war, daß er glaubte, den Aufgaben ſeiner Stellung
mit ſeinen geſchwaͤchten Kraͤften nicht mehr gewachſen
zu ſein, reifte der Vorſatz in ihm, ſich aus dem Staats¬
dienſte zuruͤckzuziehen. Auch die guͤnſtigere Ausſicht, zu
welcher im Allgemeinen die politiſchen Angelegenheiten
nicht ohne ſeine thaͤtige Mitwirkung zuruͤckgefuͤhrt waren,
ſchien ein ſchicklicher Abſchnitt fuͤr die eigne Laufbahn,
und er aͤußerte im Fruͤhjahr 1831 den beſtimmten
Wunſch, von derſelben abzutreten. Doch ſein Wunſch
wurde noch nicht gewahrt, ſondern einſtweilen durch
die Ernennung eines Staatsſekretairs fuͤr die auswaͤr¬
tigen Angelegenheiten nur eine erleichternde Geſchaͤfts-
Anordnung eingerichtet.

Als jedoch die Krankheitsleiden, anſtatt nachzulaſſen,
in der naͤchſten Zeit nur immer haͤufiger eintraten, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0389" n="375"/>
ern&#x017F;tlich erkrankte, und nun ent&#x017F;chieden glaubte, den<lb/>
vielen weiteren Ka&#x0364;mpfen, die &#x017F;ich voraus&#x017F;ehen ließen,<lb/>
mit &#x017F;einen ge&#x017F;chwa&#x0364;chten Kra&#x0364;ften nicht mehr gewach&#x017F;en<lb/>
zu &#x017F;ein. Doch ließ er deshalb in &#x017F;einem Pflichtberufe<lb/>
keineswegs nach; die heftig&#x017F;ten Fieberanfa&#x0364;lle, die &#x017F;chmerz¬<lb/>
lich&#x017F;ten Kopfleiden durften ihn nicht abhalten, die Ge¬<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;ftsarbeiten regelma&#x0364;ßig fortzufu&#x0364;hren, und insbe&#x017F;ondere<lb/>
auch die mu&#x0364;ndlichen diplomati&#x017F;chen Verhandlungen ta&#x0364;glich<lb/>
zu be&#x017F;tehen. Ganz in den Lei&#x017F;tungen lebend, welche<lb/>
die Zeitum&#x017F;ta&#x0364;nde von ihm forderten, achtete er nicht<lb/>
&#x017F;einer eigenen Hinopferung. Er&#x017F;t nachdem &#x017F;ein Zu&#x017F;tand,<lb/>
durch die&#x017F;e An&#x017F;trengung &#x017F;elb&#x017F;t, endlich dahin gebracht<lb/>
war, daß er glaubte, den Aufgaben &#x017F;einer Stellung<lb/>
mit &#x017F;einen ge&#x017F;chwa&#x0364;chten Kra&#x0364;ften nicht mehr gewach&#x017F;en<lb/>
zu &#x017F;ein, reifte der Vor&#x017F;atz in ihm, &#x017F;ich aus dem Staats¬<lb/>
dien&#x017F;te zuru&#x0364;ckzuziehen. Auch die gu&#x0364;n&#x017F;tigere Aus&#x017F;icht, zu<lb/>
welcher im Allgemeinen die politi&#x017F;chen Angelegenheiten<lb/>
nicht ohne &#x017F;eine tha&#x0364;tige Mitwirkung zuru&#x0364;ckgefu&#x0364;hrt waren,<lb/>
&#x017F;chien ein &#x017F;chicklicher Ab&#x017F;chnitt fu&#x0364;r die eigne Laufbahn,<lb/>
und er a&#x0364;ußerte im Fru&#x0364;hjahr <hi rendition="#b">1831</hi> den be&#x017F;timmten<lb/>
Wun&#x017F;ch, von der&#x017F;elben abzutreten. Doch &#x017F;ein Wun&#x017F;ch<lb/>
wurde noch nicht gewahrt, &#x017F;ondern ein&#x017F;tweilen durch<lb/>
die Ernennung eines Staats&#x017F;ekretairs fu&#x0364;r die auswa&#x0364;<lb/>
tigen Angelegenheiten nur eine erleichternde Ge&#x017F;cha&#x0364;fts-<lb/>
Anordnung eingerichtet.</p><lb/>
          <p>Als jedoch die Krankheitsleiden, an&#x017F;tatt nachzula&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
in der na&#x0364;ch&#x017F;ten Zeit nur immer ha&#x0364;ufiger eintraten, und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[375/0389] ernſtlich erkrankte, und nun entſchieden glaubte, den vielen weiteren Kaͤmpfen, die ſich vorausſehen ließen, mit ſeinen geſchwaͤchten Kraͤften nicht mehr gewachſen zu ſein. Doch ließ er deshalb in ſeinem Pflichtberufe keineswegs nach; die heftigſten Fieberanfaͤlle, die ſchmerz¬ lichſten Kopfleiden durften ihn nicht abhalten, die Ge¬ ſchaͤftsarbeiten regelmaͤßig fortzufuͤhren, und insbeſondere auch die muͤndlichen diplomatiſchen Verhandlungen taͤglich zu beſtehen. Ganz in den Leiſtungen lebend, welche die Zeitumſtaͤnde von ihm forderten, achtete er nicht ſeiner eigenen Hinopferung. Erſt nachdem ſein Zuſtand, durch dieſe Anſtrengung ſelbſt, endlich dahin gebracht war, daß er glaubte, den Aufgaben ſeiner Stellung mit ſeinen geſchwaͤchten Kraͤften nicht mehr gewachſen zu ſein, reifte der Vorſatz in ihm, ſich aus dem Staats¬ dienſte zuruͤckzuziehen. Auch die guͤnſtigere Ausſicht, zu welcher im Allgemeinen die politiſchen Angelegenheiten nicht ohne ſeine thaͤtige Mitwirkung zuruͤckgefuͤhrt waren, ſchien ein ſchicklicher Abſchnitt fuͤr die eigne Laufbahn, und er aͤußerte im Fruͤhjahr 1831 den beſtimmten Wunſch, von derſelben abzutreten. Doch ſein Wunſch wurde noch nicht gewahrt, ſondern einſtweilen durch die Ernennung eines Staatsſekretairs fuͤr die auswaͤr¬ tigen Angelegenheiten nur eine erleichternde Geſchaͤfts- Anordnung eingerichtet. Als jedoch die Krankheitsleiden, anſtatt nachzulaſſen, in der naͤchſten Zeit nur immer haͤufiger eintraten, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/389
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/389>, abgerufen am 21.11.2024.