und spiele auf der Geige hinter meiner Tapete. Ich hatte präludirt, indem ich meiner Geige einen ganz außerordentlichen Ton gab. Der Zuschauer kam, der Saal war voll; der Geruch aus der Küche, die nicht weit entfernt war, gab mir neue Kräfte; der Hunger, der ehemals den Horaz begeisterte, wußte auch deinen Vater zu begeistern. Während einer ganzen Woche gab ich jeden Tag zwei Vorstellungen. Ich ging aus der Schenke mit einem Rock, drei Hemden, Schuhen und Strümpfen, und genug Geld, um über die Gränze zu kommen. Eine kleine Heiserkeit, die von dem Hängen gekommen war, war völlig vergangen, so daß man in der Fremde meine wohltönende Stimme bewunderte. Du siehst, ich war berühmt zu zwanzig Jahren, und hatte einen Stand; du bist zwei und zwanzig Jahr alt, du hast ein neues Hemd auf dem Leibe; hier sind zwölf Franken, jetzt kannst du gehn. -- So entließ mich mein Vater. Ihr werdet gestehn, daß es mehr hieß, da heraus zu kommen, als Dardanus zu machen, oder Castor und Pollux. Seit der Zeit sah ich alle Leute ihre Hemden nach ihrer Weise zerschneiden, und vor dem Publikum mit Puppen spielen, alles, um ihren Mund zu stopfen. Das Kauen, nach mir, ist das wahre Re¬ sultat der erlesensten Dinge dieser Welt. Rameau's Neffe, von seiner Lehre erfüllt, beging Thorheiten, und schrieb dem Minister um etwas zu kauen zu bekommen, als Sohn und Neffe zweier großen Männer. Der Graf
und ſpiele auf der Geige hinter meiner Tapete. Ich hatte praͤludirt, indem ich meiner Geige einen ganz außerordentlichen Ton gab. Der Zuſchauer kam, der Saal war voll; der Geruch aus der Kuͤche, die nicht weit entfernt war, gab mir neue Kraͤfte; der Hunger, der ehemals den Horaz begeiſterte, wußte auch deinen Vater zu begeiſtern. Waͤhrend einer ganzen Woche gab ich jeden Tag zwei Vorſtellungen. Ich ging aus der Schenke mit einem Rock, drei Hemden, Schuhen und Struͤmpfen, und genug Geld, um uͤber die Graͤnze zu kommen. Eine kleine Heiſerkeit, die von dem Haͤngen gekommen war, war voͤllig vergangen, ſo daß man in der Fremde meine wohltoͤnende Stimme bewunderte. Du ſiehſt, ich war beruͤhmt zu zwanzig Jahren, und hatte einen Stand; du biſt zwei und zwanzig Jahr alt, du haſt ein neues Hemd auf dem Leibe; hier ſind zwoͤlf Franken, jetzt kannſt du gehn. — So entließ mich mein Vater. Ihr werdet geſtehn, daß es mehr hieß, da heraus zu kommen, als Dardanus zu machen, oder Caſtor und Pollux. Seit der Zeit ſah ich alle Leute ihre Hemden nach ihrer Weiſe zerſchneiden, und vor dem Publikum mit Puppen ſpielen, alles, um ihren Mund zu ſtopfen. Das Kauen, nach mir, iſt das wahre Re¬ ſultat der erleſenſten Dinge dieſer Welt. Rameau's Neffe, von ſeiner Lehre erfuͤllt, beging Thorheiten, und ſchrieb dem Miniſter um etwas zu kauen zu bekommen, als Sohn und Neffe zweier großen Maͤnner. Der Graf
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und ſpiele auf der Geige hinter meiner Tapete. Ich
hatte praͤludirt, indem ich meiner Geige einen ganz
außerordentlichen Ton gab. Der Zuſchauer kam, der
Saal war voll; der Geruch aus der Kuͤche, die nicht
weit entfernt war, gab mir neue Kraͤfte; der Hunger,
der ehemals den Horaz begeiſterte, wußte auch deinen
Vater zu begeiſtern. Waͤhrend einer ganzen Woche gab
ich jeden Tag zwei Vorſtellungen. Ich ging aus der
Schenke mit einem Rock, drei Hemden, Schuhen und
Struͤmpfen, und genug Geld, um uͤber die Graͤnze zu
kommen. Eine kleine Heiſerkeit, die von dem Haͤngen
gekommen war, war voͤllig vergangen, ſo daß man in
der Fremde meine wohltoͤnende Stimme bewunderte.
Du ſiehſt, ich war beruͤhmt zu zwanzig Jahren, und
hatte einen Stand; du biſt zwei und zwanzig Jahr alt,
du haſt ein neues Hemd auf dem Leibe; hier ſind zwoͤlf
Franken, jetzt kannſt du gehn. — So entließ mich mein
Vater. Ihr werdet geſtehn, daß es mehr hieß, da
heraus zu kommen, als Dardanus zu machen, oder
Caſtor und Pollux. Seit der Zeit ſah ich alle Leute
ihre Hemden nach ihrer Weiſe zerſchneiden, und vor dem
Publikum mit Puppen ſpielen, alles, um ihren Mund
zu ſtopfen. Das Kauen, nach mir, iſt das wahre Re¬
ſultat der erleſenſten Dinge dieſer Welt. Rameau's
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als Sohn und Neffe zweier großen Maͤnner. Der Graf
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/452>, abgerufen am 01.11.2024.
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