her war aber von Wilhelm von Humboldt die Rede und von seiner jetzt sehr verschönerten Besitzung in Tegel; "Ach ja, meinte Goethe, da haben wir einst einen frohen Tag verlebt." Die Fürstin rief aus: "So? da waren Sie denn doch wohl auch in Berlin?" worauf Goethe ganz gelassen und lächelnd erwiederte: "Da sehen Sie, wie man sich doch zuweilen verschnappt!" Er wurde dann aber sehr ernst, und brach das Gespräch ab; man sah wohl, daß er an jene Anwesenheit nicht erinnert sein wollte. -- Er war allerdings in früherer Zeit in Berlin, wohin er den Herzog begleitet hatte. Nähere Angabe der Zeit findet sich in den Briefen an Merck, so wie auch Einiges von der Stimmung, die er dort gehabt. Friedrich der Große jedoch wollte von ihm nichts wissen, und sprach auch gar nicht mit ihm, weil er ihn als Verfasser des Werther und des Götz von Berlichingen nur für einen Förderer des Ungeschmacks hielt. Die Gelehrten aber zu besuchen, fiel Göthe'n gar nicht ein; was hätte er mit den Nicolai, Ramler, Engel, Zöllner, Gedike, Erman, Castilhon, und so weiter, für Gespräch und Ausbeute haben können? Moritz kannte er noch nicht, den lernte er erst in Rom kennen. Humboldt besuchte er in Tegel, aber dieser war noch ein junger Mann, und zählte noch nicht unter die Notabilitäten. Diese aber, in ihrem Stolze gekränkt, daß der geniale Dichter sie vorüberging, spürten ihm nun eifersüchtig seine andren Wege nach, und verbitter¬
her war aber von Wilhelm von Humboldt die Rede und von ſeiner jetzt ſehr verſchoͤnerten Beſitzung in Tegel; „Ach ja, meinte Goethe, da haben wir einſt einen frohen Tag verlebt.“ Die Fuͤrſtin rief aus: „So? da waren Sie denn doch wohl auch in Berlin?“ worauf Goethe ganz gelaſſen und laͤchelnd erwiederte: „Da ſehen Sie, wie man ſich doch zuweilen verſchnappt!“ Er wurde dann aber ſehr ernſt, und brach das Geſpraͤch ab; man ſah wohl, daß er an jene Anweſenheit nicht erinnert ſein wollte. — Er war allerdings in fruͤherer Zeit in Berlin, wohin er den Herzog begleitet hatte. Naͤhere Angabe der Zeit findet ſich in den Briefen an Merck, ſo wie auch Einiges von der Stimmung, die er dort gehabt. Friedrich der Große jedoch wollte von ihm nichts wiſſen, und ſprach auch gar nicht mit ihm, weil er ihn als Verfaſſer des Werther und des Goͤtz von Berlichingen nur fuͤr einen Foͤrderer des Ungeſchmacks hielt. Die Gelehrten aber zu beſuchen, fiel Goͤthe’n gar nicht ein; was haͤtte er mit den Nicolai, Ramler, Engel, Zoͤllner, Gedike, Erman, Caſtilhon, und ſo weiter, fuͤr Geſpraͤch und Ausbeute haben koͤnnen? Moritz kannte er noch nicht, den lernte er erſt in Rom kennen. Humboldt beſuchte er in Tegel, aber dieſer war noch ein junger Mann, und zaͤhlte noch nicht unter die Notabilitaͤten. Dieſe aber, in ihrem Stolze gekraͤnkt, daß der geniale Dichter ſie voruͤberging, ſpuͤrten ihm nun eiferſuͤchtig ſeine andren Wege nach, und verbitter¬
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[496/0510]
her war aber von Wilhelm von Humboldt die Rede
und von ſeiner jetzt ſehr verſchoͤnerten Beſitzung in Tegel;
„Ach ja, meinte Goethe, da haben wir einſt einen
frohen Tag verlebt.“ Die Fuͤrſtin rief aus: „So? da
waren Sie denn doch wohl auch in Berlin?“ worauf
Goethe ganz gelaſſen und laͤchelnd erwiederte: „Da ſehen
Sie, wie man ſich doch zuweilen verſchnappt!“ Er
wurde dann aber ſehr ernſt, und brach das Geſpraͤch
ab; man ſah wohl, daß er an jene Anweſenheit nicht
erinnert ſein wollte. — Er war allerdings in fruͤherer
Zeit in Berlin, wohin er den Herzog begleitet hatte.
Naͤhere Angabe der Zeit findet ſich in den Briefen an
Merck, ſo wie auch Einiges von der Stimmung, die
er dort gehabt. Friedrich der Große jedoch wollte von
ihm nichts wiſſen, und ſprach auch gar nicht mit ihm,
weil er ihn als Verfaſſer des Werther und des Goͤtz
von Berlichingen nur fuͤr einen Foͤrderer des Ungeſchmacks
hielt. Die Gelehrten aber zu beſuchen, fiel Goͤthe’n
gar nicht ein; was haͤtte er mit den Nicolai, Ramler,
Engel, Zoͤllner, Gedike, Erman, Caſtilhon, und ſo
weiter, fuͤr Geſpraͤch und Ausbeute haben koͤnnen?
Moritz kannte er noch nicht, den lernte er erſt in Rom
kennen. Humboldt beſuchte er in Tegel, aber dieſer
war noch ein junger Mann, und zaͤhlte noch nicht unter
die Notabilitaͤten. Dieſe aber, in ihrem Stolze gekraͤnkt,
daß der geniale Dichter ſie voruͤberging, ſpuͤrten ihm
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/510>, abgerufen am 24.11.2024.
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