so viele andre Diplomaten, Militairs, Gelehrten und Künstler, hatten sich eingefunden, und mit höherem Sinn und erregtem Bedürfniß geistigen Behagens sich angeschlossen und einheimisch gemacht. Von ausgezeich¬ neten Frauen wären viele zu nennen, aus den ver¬ schiedensten Lebenssphären, doch sämmtlich darin gleich, daß kein scheinsamer und müßiger, sondern irgend ein ächter und wahrer Bezug dem Verhältnisse zum Grunde lag. Eine herrliche Bildergalerie, durch welche ich unter lebensprühenden Erklärungen geleitet wurde! Die Bilder nämlich allein waren noch gegenwärtig, der Kreis selber jetzt durch die Zeitverhältnisse völlig aufgelöst, nachdem schon die einzelnen Menschengeschicke durch Tod, Ent¬ fernung und andre Wandelbarkeit die dichten Reihen gelockert hatten.
Aber nicht nur diese reiche Sammlung bedeutender Bildnisse wurde mir gezeigt, sondern noch ein andrer Schatz aufgeschlossen, der das antheilvolle Gemüth un¬ gleich stärker ansprach. Rahel gehörte zu den seltenen Wesen, denen die Natur und das Geschick die Gabe zu lieben nicht versagt hatten. Was dazu gehörte, was daraus entstehen mußte, wenn die Weihe der höchsten Empfindung diesen Geist und diesen Sinn vereinend ergriff, sie emporzuheben, sie zu zerschmettern, das konnte ein Dichtungskundiger ahnen; doch übertrafen die Einblicke, die mir wurden, alles was ich zu ahnen fähig gewesen war. Die Gluth der Leidenschaft hatte
ſo viele andre Diplomaten, Militairs, Gelehrten und Kuͤnſtler, hatten ſich eingefunden, und mit hoͤherem Sinn und erregtem Beduͤrfniß geiſtigen Behagens ſich angeſchloſſen und einheimiſch gemacht. Von ausgezeich¬ neten Frauen waͤren viele zu nennen, aus den ver¬ ſchiedenſten Lebensſphaͤren, doch ſaͤmmtlich darin gleich, daß kein ſcheinſamer und muͤßiger, ſondern irgend ein aͤchter und wahrer Bezug dem Verhaͤltniſſe zum Grunde lag. Eine herrliche Bildergalerie, durch welche ich unter lebenſpruͤhenden Erklaͤrungen geleitet wurde! Die Bilder naͤmlich allein waren noch gegenwaͤrtig, der Kreis ſelber jetzt durch die Zeitverhaͤltniſſe voͤllig aufgeloͤſt, nachdem ſchon die einzelnen Menſchengeſchicke durch Tod, Ent¬ fernung und andre Wandelbarkeit die dichten Reihen gelockert hatten.
Aber nicht nur dieſe reiche Sammlung bedeutender Bildniſſe wurde mir gezeigt, ſondern noch ein andrer Schatz aufgeſchloſſen, der das antheilvolle Gemuͤth un¬ gleich ſtaͤrker anſprach. Rahel gehoͤrte zu den ſeltenen Weſen, denen die Natur und das Geſchick die Gabe zu lieben nicht verſagt hatten. Was dazu gehoͤrte, was daraus entſtehen mußte, wenn die Weihe der hoͤchſten Empfindung dieſen Geiſt und dieſen Sinn vereinend ergriff, ſie emporzuheben, ſie zu zerſchmettern, das konnte ein Dichtungskundiger ahnen; doch uͤbertrafen die Einblicke, die mir wurden, alles was ich zu ahnen faͤhig geweſen war. Die Gluth der Leidenſchaft hatte
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ſo viele andre Diplomaten, Militairs, Gelehrten und
Kuͤnſtler, hatten ſich eingefunden, und mit hoͤherem
Sinn und erregtem Beduͤrfniß geiſtigen Behagens ſich
angeſchloſſen und einheimiſch gemacht. Von ausgezeich¬
neten Frauen waͤren viele zu nennen, aus den ver¬
ſchiedenſten Lebensſphaͤren, doch ſaͤmmtlich darin gleich,
daß kein ſcheinſamer und muͤßiger, ſondern irgend ein
aͤchter und wahrer Bezug dem Verhaͤltniſſe zum Grunde
lag. Eine herrliche Bildergalerie, durch welche ich unter
lebenſpruͤhenden Erklaͤrungen geleitet wurde! Die Bilder
naͤmlich allein waren noch gegenwaͤrtig, der Kreis ſelber
jetzt durch die Zeitverhaͤltniſſe voͤllig aufgeloͤſt, nachdem
ſchon die einzelnen Menſchengeſchicke durch Tod, Ent¬
fernung und andre Wandelbarkeit die dichten Reihen
gelockert hatten.
Aber nicht nur dieſe reiche Sammlung bedeutender
Bildniſſe wurde mir gezeigt, ſondern noch ein andrer
Schatz aufgeſchloſſen, der das antheilvolle Gemuͤth un¬
gleich ſtaͤrker anſprach. Rahel gehoͤrte zu den ſeltenen
Weſen, denen die Natur und das Geſchick die Gabe
zu lieben nicht verſagt hatten. Was dazu gehoͤrte, was
daraus entſtehen mußte, wenn die Weihe der hoͤchſten
Empfindung dieſen Geiſt und dieſen Sinn vereinend
ergriff, ſie emporzuheben, ſie zu zerſchmettern, das
konnte ein Dichtungskundiger ahnen; doch uͤbertrafen
die Einblicke, die mir wurden, alles was ich zu ahnen
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/181>, abgerufen am 16.02.2025.
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