auf derselben Stelle, nur hatten sie ihre Linie mehr rückwärts gezogen und in größeren Bogen ausgedehnt. Aspern und Eßlingen lagen weitab vor der Fronte, beide Dörfer jetzt außerordentlich verschanzt, und mit Geschütz und Truppen wohlbesetzt. Die Donau strömte zwischen ihnen und dem Feinde, der hauptsächlich auf der Insel Lobenau, gewöhnlich Lobau genannt, sich festgesetzt und durch große Schanzarbeiten gedeckt hatte. Weiter oberhalb, bei Nußdorf und höher hinauf, war das österreichische Heer mit dem rechten Flügel unmit¬ telbar an die Donau gelehnt, entfernte sich dann schräg von dieser gegen Stamersdorf und Wagram hin, und dehnte seinen linken Flügel, der am fernsten von der Donau war, in das Marchfeld bis nach Markgrafen- Neusiedel aus. Deutsch-Wagram lag fast im Mittel¬ punkte der Stellung; links von diesem Ort erhebt sich der Boden, und bildet ostwärts eine Hochfläche, die gegen Süden terrassenförmig abfällt; etwa hundert Schritt vorwärts fließt in der tieferen Ebne ein mit Weiden bepflanzter Bach, der Rußbach, welcher von Wolkersdorf her durch Wagram, Baumersdorf und Markgrafen-Neusiedel sich in das Marchfeld hinzieht. In weiter Ferne, über die Ebne hinweg und jenseits der Donau, erblickte man am nebligen Horizont den Stephansthurm von Wien; und es war ein eigenthüm¬ licher Reiz, die vom Feinde besetzte Hauptstadt täglich vor Augen zu haben, und nicht anders erreichen zu
auf derſelben Stelle, nur hatten ſie ihre Linie mehr ruͤckwaͤrts gezogen und in groͤßeren Bogen ausgedehnt. Aſpern und Eßlingen lagen weitab vor der Fronte, beide Doͤrfer jetzt außerordentlich verſchanzt, und mit Geſchuͤtz und Truppen wohlbeſetzt. Die Donau ſtroͤmte zwiſchen ihnen und dem Feinde, der hauptſaͤchlich auf der Inſel Lobenau, gewoͤhnlich Lobau genannt, ſich feſtgeſetzt und durch große Schanzarbeiten gedeckt hatte. Weiter oberhalb, bei Nußdorf und hoͤher hinauf, war das oͤſterreichiſche Heer mit dem rechten Fluͤgel unmit¬ telbar an die Donau gelehnt, entfernte ſich dann ſchraͤg von dieſer gegen Stamersdorf und Wagram hin, und dehnte ſeinen linken Fluͤgel, der am fernſten von der Donau war, in das Marchfeld bis nach Markgrafen- Neuſiedel aus. Deutſch-Wagram lag faſt im Mittel¬ punkte der Stellung; links von dieſem Ort erhebt ſich der Boden, und bildet oſtwaͤrts eine Hochflaͤche, die gegen Suͤden terraſſenfoͤrmig abfaͤllt; etwa hundert Schritt vorwaͤrts fließt in der tieferen Ebne ein mit Weiden bepflanzter Bach, der Rußbach, welcher von Wolkersdorf her durch Wagram, Baumersdorf und Markgrafen-Neuſiedel ſich in das Marchfeld hinzieht. In weiter Ferne, uͤber die Ebne hinweg und jenſeits der Donau, erblickte man am nebligen Horizont den Stephansthurm von Wien; und es war ein eigenthuͤm¬ licher Reiz, die vom Feinde beſetzte Hauptſtadt taͤglich vor Augen zu haben, und nicht anders erreichen zu
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[191/0205]
auf derſelben Stelle, nur hatten ſie ihre Linie mehr
ruͤckwaͤrts gezogen und in groͤßeren Bogen ausgedehnt.
Aſpern und Eßlingen lagen weitab vor der Fronte,
beide Doͤrfer jetzt außerordentlich verſchanzt, und mit
Geſchuͤtz und Truppen wohlbeſetzt. Die Donau ſtroͤmte
zwiſchen ihnen und dem Feinde, der hauptſaͤchlich auf
der Inſel Lobenau, gewoͤhnlich Lobau genannt, ſich
feſtgeſetzt und durch große Schanzarbeiten gedeckt hatte.
Weiter oberhalb, bei Nußdorf und hoͤher hinauf, war
das oͤſterreichiſche Heer mit dem rechten Fluͤgel unmit¬
telbar an die Donau gelehnt, entfernte ſich dann ſchraͤg
von dieſer gegen Stamersdorf und Wagram hin, und
dehnte ſeinen linken Fluͤgel, der am fernſten von der
Donau war, in das Marchfeld bis nach Markgrafen-
Neuſiedel aus. Deutſch-Wagram lag faſt im Mittel¬
punkte der Stellung; links von dieſem Ort erhebt ſich
der Boden, und bildet oſtwaͤrts eine Hochflaͤche, die
gegen Suͤden terraſſenfoͤrmig abfaͤllt; etwa hundert
Schritt vorwaͤrts fließt in der tieferen Ebne ein mit
Weiden bepflanzter Bach, der Rußbach, welcher von
Wolkersdorf her durch Wagram, Baumersdorf und
Markgrafen-Neuſiedel ſich in das Marchfeld hinzieht.
In weiter Ferne, uͤber die Ebne hinweg und jenſeits
der Donau, erblickte man am nebligen Horizont den
Stephansthurm von Wien; und es war ein eigenthuͤm¬
licher Reiz, die vom Feinde beſetzte Hauptſtadt taͤglich
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/205>, abgerufen am 27.11.2024.
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