Mein Großvater studirte gleich wieder auf einer protestantischen Universität, zu Leyden in Holland; machte dann große Reisen, besuchte Rußland und Oesterreich, und wollte Wien zu seinem Wohnort er¬ wählen, wo aber seine Niederlassung durch ausgebro¬ chene Verdrießlichkeiten mit dem berühmten und ein¬ flußreichen Arzte van Swieten gestört wurde. Er kam darauf nach Düsseldorf, wurde kurpfälzischer Rath da¬ selbst, und nahm, ungewöhnlich in der Familie, eine Frau aus weiter Fremde, die Tochter eines Kaufmanns aus St. Petersburg. Das gute Ansehen, in welchem er bei Stadt und Regierung gestanden, verschafften seiner Wittwe nach seinem frühzeitigen Ableben die nicht unbedeutende Hofstelle einer Oberkammerfrau (Garde des Dames) bei der Gemahlin des Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz, dessen Hof in Mannheim durch Kunstbildung und Glanz sich vor vielen aus¬ zeichnete.
Mein Vater genoß zwar auch zuerst bei den Jesuiten den gewöhnlichen Schulunterricht, doch ohne daß ihre Leitung und Gesinnung ihn einnehmen konnten, er studirte dann, dem Beispiele der Vorältern folgend, die Arzneiwissenschaft, erst in Heidelberg, darauf in Straßburg und Paris, heirathete, nicht ohne Bedenken seiner sehr katholischen Mutter, eine Protestantin, aus Straßburg, mit der er sich schon während der Univer¬ sitätsjahre verlobt hatte, und ließ sich in Düsseldorf
Mein Großvater ſtudirte gleich wieder auf einer proteſtantiſchen Univerſitaͤt, zu Leyden in Holland; machte dann große Reiſen, beſuchte Rußland und Oeſterreich, und wollte Wien zu ſeinem Wohnort er¬ waͤhlen, wo aber ſeine Niederlaſſung durch ausgebro¬ chene Verdrießlichkeiten mit dem beruͤhmten und ein¬ flußreichen Arzte van Swieten geſtoͤrt wurde. Er kam darauf nach Duͤſſeldorf, wurde kurpfaͤlziſcher Rath da¬ ſelbſt, und nahm, ungewoͤhnlich in der Familie, eine Frau aus weiter Fremde, die Tochter eines Kaufmanns aus St. Petersburg. Das gute Anſehen, in welchem er bei Stadt und Regierung geſtanden, verſchafften ſeiner Wittwe nach ſeinem fruͤhzeitigen Ableben die nicht unbedeutende Hofſtelle einer Oberkammerfrau (Garde des Dames) bei der Gemahlin des Kurfuͤrſten Karl Theodor von der Pfalz, deſſen Hof in Mannheim durch Kunſtbildung und Glanz ſich vor vielen aus¬ zeichnete.
Mein Vater genoß zwar auch zuerſt bei den Jeſuiten den gewoͤhnlichen Schulunterricht, doch ohne daß ihre Leitung und Geſinnung ihn einnehmen konnten, er ſtudirte dann, dem Beiſpiele der Voraͤltern folgend, die Arzneiwiſſenſchaft, erſt in Heidelberg, darauf in Straßburg und Paris, heirathete, nicht ohne Bedenken ſeiner ſehr katholiſchen Mutter, eine Proteſtantin, aus Straßburg, mit der er ſich ſchon waͤhrend der Univer¬ ſitaͤtsjahre verlobt hatte, und ließ ſich in Duͤſſeldorf
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0022"n="8"/><p>Mein Großvater ſtudirte gleich wieder auf einer<lb/>
proteſtantiſchen Univerſitaͤt, zu Leyden in Holland;<lb/>
machte dann große Reiſen, beſuchte Rußland und<lb/>
Oeſterreich, und wollte Wien zu ſeinem Wohnort er¬<lb/>
waͤhlen, wo aber ſeine Niederlaſſung durch ausgebro¬<lb/>
chene Verdrießlichkeiten mit dem beruͤhmten und ein¬<lb/>
flußreichen Arzte van Swieten geſtoͤrt wurde. Er kam<lb/>
darauf nach Duͤſſeldorf, wurde kurpfaͤlziſcher Rath da¬<lb/>ſelbſt, und nahm, ungewoͤhnlich in der Familie, eine<lb/>
Frau aus weiter Fremde, die Tochter eines Kaufmanns<lb/>
aus St. Petersburg. Das gute Anſehen, in welchem<lb/>
er bei Stadt und Regierung geſtanden, verſchafften<lb/>ſeiner Wittwe nach ſeinem fruͤhzeitigen Ableben die<lb/>
nicht unbedeutende Hofſtelle einer Oberkammerfrau<lb/>
(<hirendition="#aq">Garde des Dames</hi>) bei der Gemahlin des Kurfuͤrſten<lb/>
Karl Theodor von der Pfalz, deſſen Hof in Mannheim<lb/>
durch Kunſtbildung und Glanz ſich vor vielen aus¬<lb/>
zeichnete.</p><lb/><p>Mein Vater genoß zwar auch zuerſt bei den Jeſuiten<lb/>
den gewoͤhnlichen Schulunterricht, doch ohne daß ihre<lb/>
Leitung und Geſinnung ihn einnehmen konnten, er<lb/>ſtudirte dann, dem Beiſpiele der Voraͤltern folgend,<lb/>
die Arzneiwiſſenſchaft, erſt in Heidelberg, darauf in<lb/>
Straßburg und Paris, heirathete, nicht ohne Bedenken<lb/>ſeiner ſehr katholiſchen Mutter, eine Proteſtantin, aus<lb/>
Straßburg, mit der er ſich ſchon waͤhrend der Univer¬<lb/>ſitaͤtsjahre verlobt hatte, und ließ ſich in Duͤſſeldorf<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[8/0022]
Mein Großvater ſtudirte gleich wieder auf einer
proteſtantiſchen Univerſitaͤt, zu Leyden in Holland;
machte dann große Reiſen, beſuchte Rußland und
Oeſterreich, und wollte Wien zu ſeinem Wohnort er¬
waͤhlen, wo aber ſeine Niederlaſſung durch ausgebro¬
chene Verdrießlichkeiten mit dem beruͤhmten und ein¬
flußreichen Arzte van Swieten geſtoͤrt wurde. Er kam
darauf nach Duͤſſeldorf, wurde kurpfaͤlziſcher Rath da¬
ſelbſt, und nahm, ungewoͤhnlich in der Familie, eine
Frau aus weiter Fremde, die Tochter eines Kaufmanns
aus St. Petersburg. Das gute Anſehen, in welchem
er bei Stadt und Regierung geſtanden, verſchafften
ſeiner Wittwe nach ſeinem fruͤhzeitigen Ableben die
nicht unbedeutende Hofſtelle einer Oberkammerfrau
(Garde des Dames) bei der Gemahlin des Kurfuͤrſten
Karl Theodor von der Pfalz, deſſen Hof in Mannheim
durch Kunſtbildung und Glanz ſich vor vielen aus¬
zeichnete.
Mein Vater genoß zwar auch zuerſt bei den Jeſuiten
den gewoͤhnlichen Schulunterricht, doch ohne daß ihre
Leitung und Geſinnung ihn einnehmen konnten, er
ſtudirte dann, dem Beiſpiele der Voraͤltern folgend,
die Arzneiwiſſenſchaft, erſt in Heidelberg, darauf in
Straßburg und Paris, heirathete, nicht ohne Bedenken
ſeiner ſehr katholiſchen Mutter, eine Proteſtantin, aus
Straßburg, mit der er ſich ſchon waͤhrend der Univer¬
ſitaͤtsjahre verlobt hatte, und ließ ſich in Duͤſſeldorf
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/22>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.