dem anmuthigen und verheißenden Einfluß entziehen zu können. Die neue Richtung gewann die Häupter der Nationen, die Kaiser, Könige, Fürsten, und hatte sich der höheren Stände längst vollkommen bemächtigt, ehe sie zu den mittlern und untern gelangen konnte. In Nordamerika hatte dieser Einfluß zu einer neuen Frei¬ heitsgestalt mitgewirkt, gegen welche die in England und Holland, in der Schweiz, und zum Theil auch in Deutschland, bestehenden Formen der Freiheit nur noch als ein Schein galten.
Man würde jedoch sehr irren, wenn man den An¬ theil der Deutschen an der umfassenden Arbeit dieses Jahrhunderts für geringer halten wollte, als den der Franzosen, obgleich der Glanz des voranschreitenden Thuns meist bei diesen war; jene hatten nicht minder einen völlig neuen Lebensinhalt hervorgearbeitet, der seiner neuen Formen harrte, und inzwischen nachhaltig überall einwirkte, wo diese daheim und in der Fremde sich öffneten. Der preußischen Monarchie leuchtete noch das letzte Jahr Friedrichs des Großen, für die öster¬ reichischen Erblande und das deutsche Reich wirkten schon die lichten Bestrebungen Kaiser Josephs des Zweiten. Auf größeren und kleineren Thronen sah man die Zög¬ linge der Menschenfreundlichkeit, der Aufklärung, der Duldungs- und Gleichstellungslehren; in vieljährigem Frieden war Wohlstand, Verkehr, Untersuchung und Einsicht aller Art gewachsen; alle Stände befleißigten
dem anmuthigen und verheißenden Einfluß entziehen zu koͤnnen. Die neue Richtung gewann die Haͤupter der Nationen, die Kaiſer, Koͤnige, Fuͤrſten, und hatte ſich der hoͤheren Staͤnde laͤngſt vollkommen bemaͤchtigt, ehe ſie zu den mittlern und untern gelangen konnte. In Nordamerika hatte dieſer Einfluß zu einer neuen Frei¬ heitsgeſtalt mitgewirkt, gegen welche die in England und Holland, in der Schweiz, und zum Theil auch in Deutſchland, beſtehenden Formen der Freiheit nur noch als ein Schein galten.
Man wuͤrde jedoch ſehr irren, wenn man den An¬ theil der Deutſchen an der umfaſſenden Arbeit dieſes Jahrhunderts fuͤr geringer halten wollte, als den der Franzoſen, obgleich der Glanz des voranſchreitenden Thuns meiſt bei dieſen war; jene hatten nicht minder einen voͤllig neuen Lebensinhalt hervorgearbeitet, der ſeiner neuen Formen harrte, und inzwiſchen nachhaltig uͤberall einwirkte, wo dieſe daheim und in der Fremde ſich oͤffneten. Der preußiſchen Monarchie leuchtete noch das letzte Jahr Friedrichs des Großen, fuͤr die oͤſter¬ reichiſchen Erblande und das deutſche Reich wirkten ſchon die lichten Beſtrebungen Kaiſer Joſephs des Zweiten. Auf groͤßeren und kleineren Thronen ſah man die Zoͤg¬ linge der Menſchenfreundlichkeit, der Aufklaͤrung, der Duldungs- und Gleichſtellungslehren; in vieljaͤhrigem Frieden war Wohlſtand, Verkehr, Unterſuchung und Einſicht aller Art gewachſen; alle Staͤnde befleißigten
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dem anmuthigen und verheißenden Einfluß entziehen zu
koͤnnen. Die neue Richtung gewann die Haͤupter der
Nationen, die Kaiſer, Koͤnige, Fuͤrſten, und hatte ſich
der hoͤheren Staͤnde laͤngſt vollkommen bemaͤchtigt, ehe
ſie zu den mittlern und untern gelangen konnte. In
Nordamerika hatte dieſer Einfluß zu einer neuen Frei¬
heitsgeſtalt mitgewirkt, gegen welche die in England
und Holland, in der Schweiz, und zum Theil auch in
Deutſchland, beſtehenden Formen der Freiheit nur noch
als ein Schein galten.
Man wuͤrde jedoch ſehr irren, wenn man den An¬
theil der Deutſchen an der umfaſſenden Arbeit dieſes
Jahrhunderts fuͤr geringer halten wollte, als den der
Franzoſen, obgleich der Glanz des voranſchreitenden
Thuns meiſt bei dieſen war; jene hatten nicht minder
einen voͤllig neuen Lebensinhalt hervorgearbeitet, der
ſeiner neuen Formen harrte, und inzwiſchen nachhaltig
uͤberall einwirkte, wo dieſe daheim und in der Fremde
ſich oͤffneten. Der preußiſchen Monarchie leuchtete noch
das letzte Jahr Friedrichs des Großen, fuͤr die oͤſter¬
reichiſchen Erblande und das deutſche Reich wirkten
ſchon die lichten Beſtrebungen Kaiſer Joſephs des Zweiten.
Auf groͤßeren und kleineren Thronen ſah man die Zoͤg¬
linge der Menſchenfreundlichkeit, der Aufklaͤrung, der
Duldungs- und Gleichſtellungslehren; in vieljaͤhrigem
Frieden war Wohlſtand, Verkehr, Unterſuchung und
Einſicht aller Art gewachſen; alle Staͤnde befleißigten
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/25>, abgerufen am 21.11.2024.
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