nung zu begegnen, so rückte der Erzherzog nicht näher heran, sondern ging den Abend unverfolgt über die March zurück. Er war auf keinen Feind gestoßen, der die Bestimmung gehabt hätte, ihn abzuhalten oder auch nur zu beobachten; unbemerkt und unvermuthet kam er heran, und das französische Heer war von dieser Seite dem verderblichsten Ueberfall ausgesetzt. Vergebens bemüht sich der General Pelet, in seinem übrigens treff¬ lichen Werke, uns glauben zu machen, der Kaiser Na¬ poleon habe gleich im Beginn der Schlacht auch diesen Zug in seinen Berechnungen aufgenommen, bei seinen Anordnungen berücksichtigt und das Nöthige vorgekehrt. Die Thatsachen zeigen das Gegentheil. Dem Erzherzog ist sein spätes Eintreffen zum Vorwurf gemacht wor¬ den, er hat sich dagegen mit Nachdruck vertheidigt. Die Tapferkeit, der Geistesmuth und die Feldherrngaben dieses Prinzen sind anerkannt, und niemand wird in Betreff dieser Eigenschaften ihn beschuldigen. Im All¬ gemeinen muß gesagt werden, daß die Bewegung größe¬ rer Truppenmassen im österreichischen Heere nicht immer so leicht und rasch auszuführen war, als in manchen Fällen gewünscht wurde, und selbst der Erzherzog Generalissimus hatte während seines obersten Kriegsbe¬ fehls, unter welchem das österreichische Heer sich zur größten Tüchtigkeit ausbildete, ihm diesen Vorzug des Feindes nur zum Theil aneignen können. Auf öster¬ reichischer Seite fochten bei Wagram höchstens 100,000
nung zu begegnen, ſo ruͤckte der Erzherzog nicht naͤher heran, ſondern ging den Abend unverfolgt uͤber die March zuruͤck. Er war auf keinen Feind geſtoßen, der die Beſtimmung gehabt haͤtte, ihn abzuhalten oder auch nur zu beobachten; unbemerkt und unvermuthet kam er heran, und das franzoͤſiſche Heer war von dieſer Seite dem verderblichſten Ueberfall ausgeſetzt. Vergebens bemuͤht ſich der General Pelet, in ſeinem uͤbrigens treff¬ lichen Werke, uns glauben zu machen, der Kaiſer Na¬ poleon habe gleich im Beginn der Schlacht auch dieſen Zug in ſeinen Berechnungen aufgenommen, bei ſeinen Anordnungen beruͤckſichtigt und das Noͤthige vorgekehrt. Die Thatſachen zeigen das Gegentheil. Dem Erzherzog iſt ſein ſpaͤtes Eintreffen zum Vorwurf gemacht wor¬ den, er hat ſich dagegen mit Nachdruck vertheidigt. Die Tapferkeit, der Geiſtesmuth und die Feldherrngaben dieſes Prinzen ſind anerkannt, und niemand wird in Betreff dieſer Eigenſchaften ihn beſchuldigen. Im All¬ gemeinen muß geſagt werden, daß die Bewegung groͤße¬ rer Truppenmaſſen im oͤſterreichiſchen Heere nicht immer ſo leicht und raſch auszufuͤhren war, als in manchen Faͤllen gewuͤnſcht wurde, und ſelbſt der Erzherzog Generaliſſimus hatte waͤhrend ſeines oberſten Kriegsbe¬ fehls, unter welchem das oͤſterreichiſche Heer ſich zur groͤßten Tuͤchtigkeit ausbildete, ihm dieſen Vorzug des Feindes nur zum Theil aneignen koͤnnen. Auf oͤſter¬ reichiſcher Seite fochten bei Wagram hoͤchſtens 100,000
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nung zu begegnen, ſo ruͤckte der Erzherzog nicht naͤher
heran, ſondern ging den Abend unverfolgt uͤber die
March zuruͤck. Er war auf keinen Feind geſtoßen, der
die Beſtimmung gehabt haͤtte, ihn abzuhalten oder auch
nur zu beobachten; unbemerkt und unvermuthet kam er
heran, und das franzoͤſiſche Heer war von dieſer Seite
dem verderblichſten Ueberfall ausgeſetzt. Vergebens
bemuͤht ſich der General Pelet, in ſeinem uͤbrigens treff¬
lichen Werke, uns glauben zu machen, der Kaiſer Na¬
poleon habe gleich im Beginn der Schlacht auch dieſen
Zug in ſeinen Berechnungen aufgenommen, bei ſeinen
Anordnungen beruͤckſichtigt und das Noͤthige vorgekehrt.
Die Thatſachen zeigen das Gegentheil. Dem Erzherzog
iſt ſein ſpaͤtes Eintreffen zum Vorwurf gemacht wor¬
den, er hat ſich dagegen mit Nachdruck vertheidigt. Die
Tapferkeit, der Geiſtesmuth und die Feldherrngaben
dieſes Prinzen ſind anerkannt, und niemand wird in
Betreff dieſer Eigenſchaften ihn beſchuldigen. Im All¬
gemeinen muß geſagt werden, daß die Bewegung groͤße¬
rer Truppenmaſſen im oͤſterreichiſchen Heere nicht immer
ſo leicht und raſch auszufuͤhren war, als in manchen
Faͤllen gewuͤnſcht wurde, und ſelbſt der Erzherzog
Generaliſſimus hatte waͤhrend ſeines oberſten Kriegsbe¬
fehls, unter welchem das oͤſterreichiſche Heer ſich zur
groͤßten Tuͤchtigkeit ausbildete, ihm dieſen Vorzug des
Feindes nur zum Theil aneignen koͤnnen. Auf oͤſter¬
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/263>, abgerufen am 22.11.2024.
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