Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

Aber mehr als Politik und große Welt erfüllten
mich die Gemüths- und Geistesneigungen, welche mir
an diesem Orte schon beschieden waren, oder noch wer¬
den sollten. Gleich am ersten Abende suchte und fand
ich glücklichst meinen Freund Chamisso, der nicht wenig
überrascht war, mich hier und so wiederzusehen. Auch
Immanuel Bekker, der hallische Freund und Gefährte,
ließ sich auf der kaiserlichen Bibliothek, dem täglichen
Felde seines staunenswerthen Fleißes, leicht erfragen.
Schwerer war Koreff anzutreffen, der, als geistreicher
und glücklicher Arzt von der vornehmen Welt gewaltig
in Anspruch genommen, im eleganten Kabriolet fast
immer unterwegs war. Ganz unerwartet fand ich in
der Galerie des Louvre die lieben Tübinger, Ludwig
Uhland und Pregitzer, und bald auch zeigte sich aus
Hamburg Karl Sieveking anwesend. Diesen ältern
Freunden reihten sich schnell neue deutsche Bekanntschaf¬
ten an, die an Reiz und Herzlichkeit mit jenen zum
Theil wetteifern konnten. Ich nenne zuerst den alten
ehrwürdigen Grafen von Schlabrendorf, dann den treff¬
lichen Bibliothekar Dr. Hase, ferner einen jüngern
Harscher aus Basel, Olivier aus Dessau, den lebens¬
frohen von Pilat, damals Privatsekretair des Grafen
von Metternich; späterhin wird auch noch Dr. Gall und
endlich Alexander von Humboldt, hier zufällig zuletzt,
immer aber wesentlich als ein erster, zu erwähnen sein.

17 *

Aber mehr als Politik und große Welt erfuͤllten
mich die Gemuͤths- und Geiſtesneigungen, welche mir
an dieſem Orte ſchon beſchieden waren, oder noch wer¬
den ſollten. Gleich am erſten Abende ſuchte und fand
ich gluͤcklichſt meinen Freund Chamiſſo, der nicht wenig
uͤberraſcht war, mich hier und ſo wiederzuſehen. Auch
Immanuel Bekker, der halliſche Freund und Gefaͤhrte,
ließ ſich auf der kaiſerlichen Bibliothek, dem taͤglichen
Felde ſeines ſtaunenswerthen Fleißes, leicht erfragen.
Schwerer war Koreff anzutreffen, der, als geiſtreicher
und gluͤcklicher Arzt von der vornehmen Welt gewaltig
in Anſpruch genommen, im eleganten Kabriolet faſt
immer unterwegs war. Ganz unerwartet fand ich in
der Galerie des Louvre die lieben Tuͤbinger, Ludwig
Uhland und Pregitzer, und bald auch zeigte ſich aus
Hamburg Karl Sieveking anweſend. Dieſen aͤltern
Freunden reihten ſich ſchnell neue deutſche Bekanntſchaf¬
ten an, die an Reiz und Herzlichkeit mit jenen zum
Theil wetteifern konnten. Ich nenne zuerſt den alten
ehrwuͤrdigen Grafen von Schlabrendorf, dann den treff¬
lichen Bibliothekar Dr. Haſe, ferner einen juͤngern
Harſcher aus Baſel, Olivier aus Deſſau, den lebens¬
frohen von Pilat, damals Privatſekretair des Grafen
von Metternich; ſpaͤterhin wird auch noch Dr. Gall und
endlich Alexander von Humboldt, hier zufaͤllig zuletzt,
immer aber weſentlich als ein erſter, zu erwaͤhnen ſein.

17 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0273" n="259"/>
          <p>Aber mehr als Politik und große Welt erfu&#x0364;llten<lb/>
mich die Gemu&#x0364;ths- und Gei&#x017F;tesneigungen, welche mir<lb/>
an die&#x017F;em Orte &#x017F;chon be&#x017F;chieden waren, oder noch wer¬<lb/>
den &#x017F;ollten. Gleich am er&#x017F;ten Abende &#x017F;uchte und fand<lb/>
ich glu&#x0364;cklich&#x017F;t meinen Freund Chami&#x017F;&#x017F;o, der nicht wenig<lb/>
u&#x0364;berra&#x017F;cht war, mich hier und &#x017F;o wiederzu&#x017F;ehen. Auch<lb/>
Immanuel Bekker, der halli&#x017F;che Freund und Gefa&#x0364;hrte,<lb/>
ließ &#x017F;ich auf der kai&#x017F;erlichen Bibliothek, dem ta&#x0364;glichen<lb/>
Felde &#x017F;eines &#x017F;taunenswerthen Fleißes, leicht erfragen.<lb/>
Schwerer war Koreff anzutreffen, der, als gei&#x017F;treicher<lb/>
und glu&#x0364;cklicher Arzt von der vornehmen Welt gewaltig<lb/>
in An&#x017F;pruch genommen, im eleganten Kabriolet fa&#x017F;t<lb/>
immer unterwegs war. Ganz unerwartet fand ich in<lb/>
der Galerie des Louvre die lieben Tu&#x0364;binger, Ludwig<lb/>
Uhland und Pregitzer, und bald auch zeigte &#x017F;ich aus<lb/>
Hamburg Karl Sieveking anwe&#x017F;end. Die&#x017F;en a&#x0364;ltern<lb/>
Freunden reihten &#x017F;ich &#x017F;chnell neue deut&#x017F;che Bekannt&#x017F;chaf¬<lb/>
ten an, die an Reiz und Herzlichkeit mit jenen zum<lb/>
Theil wetteifern konnten. Ich nenne zuer&#x017F;t den alten<lb/>
ehrwu&#x0364;rdigen Grafen von Schlabrendorf, dann den treff¬<lb/>
lichen Bibliothekar Dr. Ha&#x017F;e, ferner einen ju&#x0364;ngern<lb/>
Har&#x017F;cher aus Ba&#x017F;el, Olivier aus De&#x017F;&#x017F;au, den lebens¬<lb/>
frohen von Pilat, damals Privat&#x017F;ekretair des Grafen<lb/>
von Metternich; &#x017F;pa&#x0364;terhin wird auch noch Dr. Gall und<lb/>
endlich Alexander von Humboldt, hier zufa&#x0364;llig zuletzt,<lb/>
immer aber we&#x017F;entlich als ein er&#x017F;ter, zu erwa&#x0364;hnen &#x017F;ein.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#b">17</hi> *<lb/></fw>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[259/0273] Aber mehr als Politik und große Welt erfuͤllten mich die Gemuͤths- und Geiſtesneigungen, welche mir an dieſem Orte ſchon beſchieden waren, oder noch wer¬ den ſollten. Gleich am erſten Abende ſuchte und fand ich gluͤcklichſt meinen Freund Chamiſſo, der nicht wenig uͤberraſcht war, mich hier und ſo wiederzuſehen. Auch Immanuel Bekker, der halliſche Freund und Gefaͤhrte, ließ ſich auf der kaiſerlichen Bibliothek, dem taͤglichen Felde ſeines ſtaunenswerthen Fleißes, leicht erfragen. Schwerer war Koreff anzutreffen, der, als geiſtreicher und gluͤcklicher Arzt von der vornehmen Welt gewaltig in Anſpruch genommen, im eleganten Kabriolet faſt immer unterwegs war. Ganz unerwartet fand ich in der Galerie des Louvre die lieben Tuͤbinger, Ludwig Uhland und Pregitzer, und bald auch zeigte ſich aus Hamburg Karl Sieveking anweſend. Dieſen aͤltern Freunden reihten ſich ſchnell neue deutſche Bekanntſchaf¬ ten an, die an Reiz und Herzlichkeit mit jenen zum Theil wetteifern konnten. Ich nenne zuerſt den alten ehrwuͤrdigen Grafen von Schlabrendorf, dann den treff¬ lichen Bibliothekar Dr. Haſe, ferner einen juͤngern Harſcher aus Baſel, Olivier aus Deſſau, den lebens¬ frohen von Pilat, damals Privatſekretair des Grafen von Metternich; ſpaͤterhin wird auch noch Dr. Gall und endlich Alexander von Humboldt, hier zufaͤllig zuletzt, immer aber weſentlich als ein erſter, zu erwaͤhnen ſein. 17 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/273
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/273>, abgerufen am 22.11.2024.