Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

hielt sich Alles in leidlicher Fassung, bis der Kaiser
hinausgetreten war, dann aber hörte jede Rücksicht auf,
und angstvoll und gewaltsam drängte sich die tobende
Masse dem Ausgange zu.

Der Botschafter hatte kaum vernommen, daß der
Kaiser sogleich wegfahren wolle, als er auch schon mit
klugem Vorbedachte von unterwegs einen seiner Adju¬
tanten abschickte, um die kaiserlichen Wagen von dem
Hofe des Hotels, wo sie hielten, und wo jetzt die größte
Verwirrung und Gefahr zu befürchten stand, nach einer
stilleren Seitenstraße beordern zu lassen, die den Garten
begränzte, und wo der Kaiser an einer kleinen Pforte
ungestört einsteigen, und unbemerkt abfahren, dadurch
aber jedem Anschlage, wenn ein solcher mit diesem
unglücklichen Zufalle sich verbinden möchte, am sichersten
entgehen konnte. Allein Napoleon, bei dem weiteren
Gange durch den Garten sogleich der veränderten Rich¬
tung inne, stand plötzlich still, fragte wohin man ihn
führe, und den erhaltenen Bescheid des Botschafters
nicht gutheißend sagte er kurz und bestimmt: "Nein,
nach der Hauptpforte will ich," kehrte stracks um, und
hieß die Wagen, welche schon in die Seitenstraße ein¬
gelenkt hatten, an die erste Stelle zurückfahren, wodurch
ein großer Zeitverlust entstand, welchen der Botschafter
in qualvoller Unruhe, doch äußerlich gelassen, Napoleon
aber mit vieler Geduld abwartete, indem er einen feind¬
lichen Streich dort viel eher als hier für möglich zu

II. 18

hielt ſich Alles in leidlicher Faſſung, bis der Kaiſer
hinausgetreten war, dann aber hoͤrte jede Ruͤckſicht auf,
und angſtvoll und gewaltſam draͤngte ſich die tobende
Maſſe dem Ausgange zu.

Der Botſchafter hatte kaum vernommen, daß der
Kaiſer ſogleich wegfahren wolle, als er auch ſchon mit
klugem Vorbedachte von unterwegs einen ſeiner Adju¬
tanten abſchickte, um die kaiſerlichen Wagen von dem
Hofe des Hotels, wo ſie hielten, und wo jetzt die groͤßte
Verwirrung und Gefahr zu befuͤrchten ſtand, nach einer
ſtilleren Seitenſtraße beordern zu laſſen, die den Garten
begraͤnzte, und wo der Kaiſer an einer kleinen Pforte
ungeſtoͤrt einſteigen, und unbemerkt abfahren, dadurch
aber jedem Anſchlage, wenn ein ſolcher mit dieſem
ungluͤcklichen Zufalle ſich verbinden moͤchte, am ſicherſten
entgehen konnte. Allein Napoleon, bei dem weiteren
Gange durch den Garten ſogleich der veraͤnderten Rich¬
tung inne, ſtand ploͤtzlich ſtill, fragte wohin man ihn
fuͤhre, und den erhaltenen Beſcheid des Botſchafters
nicht gutheißend ſagte er kurz und beſtimmt: „Nein,
nach der Hauptpforte will ich,“ kehrte ſtracks um, und
hieß die Wagen, welche ſchon in die Seitenſtraße ein¬
gelenkt hatten, an die erſte Stelle zuruͤckfahren, wodurch
ein großer Zeitverluſt entſtand, welchen der Botſchafter
in qualvoller Unruhe, doch aͤußerlich gelaſſen, Napoleon
aber mit vieler Geduld abwartete, indem er einen feind¬
lichen Streich dort viel eher als hier fuͤr moͤglich zu

II. 18
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0287" n="273"/>
hielt &#x017F;ich Alles in leidlicher Fa&#x017F;&#x017F;ung, bis der Kai&#x017F;er<lb/>
hinausgetreten war, dann aber ho&#x0364;rte jede Ru&#x0364;ck&#x017F;icht auf,<lb/>
und ang&#x017F;tvoll und gewalt&#x017F;am dra&#x0364;ngte &#x017F;ich die tobende<lb/>
Ma&#x017F;&#x017F;e dem Ausgange zu.</p><lb/>
          <p>Der Bot&#x017F;chafter hatte kaum vernommen, daß der<lb/>
Kai&#x017F;er &#x017F;ogleich wegfahren wolle, als er auch &#x017F;chon mit<lb/>
klugem Vorbedachte von unterwegs einen &#x017F;einer Adju¬<lb/>
tanten ab&#x017F;chickte, um die kai&#x017F;erlichen Wagen von dem<lb/>
Hofe des Hotels, wo &#x017F;ie hielten, und wo jetzt die gro&#x0364;ßte<lb/>
Verwirrung und Gefahr zu befu&#x0364;rchten &#x017F;tand, nach einer<lb/>
&#x017F;tilleren Seiten&#x017F;traße beordern zu la&#x017F;&#x017F;en, die den Garten<lb/>
begra&#x0364;nzte, und wo der Kai&#x017F;er an einer kleinen Pforte<lb/>
unge&#x017F;to&#x0364;rt ein&#x017F;teigen, und unbemerkt abfahren, dadurch<lb/>
aber jedem An&#x017F;chlage, wenn ein &#x017F;olcher mit die&#x017F;em<lb/>
unglu&#x0364;cklichen Zufalle &#x017F;ich verbinden mo&#x0364;chte, am &#x017F;icher&#x017F;ten<lb/>
entgehen konnte. Allein Napoleon, bei dem weiteren<lb/>
Gange durch den Garten &#x017F;ogleich der vera&#x0364;nderten Rich¬<lb/>
tung inne, &#x017F;tand plo&#x0364;tzlich &#x017F;till, fragte wohin man ihn<lb/>
fu&#x0364;hre, und den erhaltenen Be&#x017F;cheid des Bot&#x017F;chafters<lb/>
nicht gutheißend &#x017F;agte er kurz und be&#x017F;timmt: &#x201E;Nein,<lb/>
nach der Hauptpforte will ich,&#x201C; kehrte &#x017F;tracks um, und<lb/>
hieß die Wagen, welche &#x017F;chon in die Seiten&#x017F;traße ein¬<lb/>
gelenkt hatten, an die er&#x017F;te Stelle zuru&#x0364;ckfahren, wodurch<lb/>
ein großer Zeitverlu&#x017F;t ent&#x017F;tand, welchen der Bot&#x017F;chafter<lb/>
in qualvoller Unruhe, doch a&#x0364;ußerlich gela&#x017F;&#x017F;en, Napoleon<lb/>
aber mit vieler Geduld abwartete, indem er einen feind¬<lb/>
lichen Streich dort viel eher als hier fu&#x0364;r mo&#x0364;glich zu<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">II. <hi rendition="#b">18</hi><lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0287] hielt ſich Alles in leidlicher Faſſung, bis der Kaiſer hinausgetreten war, dann aber hoͤrte jede Ruͤckſicht auf, und angſtvoll und gewaltſam draͤngte ſich die tobende Maſſe dem Ausgange zu. Der Botſchafter hatte kaum vernommen, daß der Kaiſer ſogleich wegfahren wolle, als er auch ſchon mit klugem Vorbedachte von unterwegs einen ſeiner Adju¬ tanten abſchickte, um die kaiſerlichen Wagen von dem Hofe des Hotels, wo ſie hielten, und wo jetzt die groͤßte Verwirrung und Gefahr zu befuͤrchten ſtand, nach einer ſtilleren Seitenſtraße beordern zu laſſen, die den Garten begraͤnzte, und wo der Kaiſer an einer kleinen Pforte ungeſtoͤrt einſteigen, und unbemerkt abfahren, dadurch aber jedem Anſchlage, wenn ein ſolcher mit dieſem ungluͤcklichen Zufalle ſich verbinden moͤchte, am ſicherſten entgehen konnte. Allein Napoleon, bei dem weiteren Gange durch den Garten ſogleich der veraͤnderten Rich¬ tung inne, ſtand ploͤtzlich ſtill, fragte wohin man ihn fuͤhre, und den erhaltenen Beſcheid des Botſchafters nicht gutheißend ſagte er kurz und beſtimmt: „Nein, nach der Hauptpforte will ich,“ kehrte ſtracks um, und hieß die Wagen, welche ſchon in die Seitenſtraße ein¬ gelenkt hatten, an die erſte Stelle zuruͤckfahren, wodurch ein großer Zeitverluſt entſtand, welchen der Botſchafter in qualvoller Unruhe, doch aͤußerlich gelaſſen, Napoleon aber mit vieler Geduld abwartete, indem er einen feind¬ lichen Streich dort viel eher als hier fuͤr moͤglich zu II. 18

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/287
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/287>, abgerufen am 22.11.2024.