Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Königin von Westphalen dankte ihrem Gemahl und
dem Grafen von Metternich die Rettung aus größter
Gefahr. Der russische Botschafter, Fürst von Kurakin,
wurde brennend und ohnmächtig durch den Dr. Koreff
mit Hülfe österreichischer und französischer Officiere aus
dem Gewühl hervorgezogen, und von andern hülfreichen
Händen mit Pfützenwasser gelöscht, während noch andre
ihm die diamantnen Knöpfe vom Rock schnitten. Beson¬
ders hatten viele Frauen das Unglück, durch das Feuer
an ihren leicht brennbaren Kleidern erfaßt und lebens¬
gefährlich verwundet zu werden.

Zwischen dieses Gewühl drängten sich die Diener
und Arbeiter aller Art, die theils für die Aufwartung,
theils für andre Bedürfnisse der Festlichkeit zahlreich
vorhanden waren, und jeder Unterschied des Standes
schien aufgehoben, nie wurde Stern und Ordens¬
band gleichgültiger behandelt, die Hoheit und Majestät
weniger angesehen. Auch die vom Trinken abgerufenen
Spritzenleute machten sich für ihre späte Hülfleistung
gewaltthätig Raum, und die von festlicher Bewirthung
aufgeschreckten Tänzer und Tänzerinnen drängten sich
in ihren flitterhaften Kostümen und mit noch geschmink¬
ten Gesichtern neugierig zwischen dem reichen Prunk
und Staat der stolzen Hofwelt umher, die in solcher
Zerrüttung jede Gleichheit unbeachtet walten ließ.

Mit leidenschaftlicher Innigkeit hatte der Fürst Joseph
von Schwarzenberg im Garten seine gerettete, doch

Die Koͤnigin von Weſtphalen dankte ihrem Gemahl und
dem Grafen von Metternich die Rettung aus groͤßter
Gefahr. Der ruſſiſche Botſchafter, Fuͤrſt von Kurakin,
wurde brennend und ohnmaͤchtig durch den Dr. Koreff
mit Huͤlfe oͤſterreichiſcher und franzoͤſiſcher Officiere aus
dem Gewuͤhl hervorgezogen, und von andern huͤlfreichen
Haͤnden mit Pfuͤtzenwaſſer geloͤſcht, waͤhrend noch andre
ihm die diamantnen Knoͤpfe vom Rock ſchnitten. Beſon¬
ders hatten viele Frauen das Ungluͤck, durch das Feuer
an ihren leicht brennbaren Kleidern erfaßt und lebens¬
gefaͤhrlich verwundet zu werden.

Zwiſchen dieſes Gewuͤhl draͤngten ſich die Diener
und Arbeiter aller Art, die theils fuͤr die Aufwartung,
theils fuͤr andre Beduͤrfniſſe der Feſtlichkeit zahlreich
vorhanden waren, und jeder Unterſchied des Standes
ſchien aufgehoben, nie wurde Stern und Ordens¬
band gleichguͤltiger behandelt, die Hoheit und Majeſtaͤt
weniger angeſehen. Auch die vom Trinken abgerufenen
Spritzenleute machten ſich fuͤr ihre ſpaͤte Huͤlfleiſtung
gewaltthaͤtig Raum, und die von feſtlicher Bewirthung
aufgeſchreckten Taͤnzer und Taͤnzerinnen draͤngten ſich
in ihren flitterhaften Koſtuͤmen und mit noch geſchmink¬
ten Geſichtern neugierig zwiſchen dem reichen Prunk
und Staat der ſtolzen Hofwelt umher, die in ſolcher
Zerruͤttung jede Gleichheit unbeachtet walten ließ.

Mit leidenſchaftlicher Innigkeit hatte der Fuͤrſt Joſeph
von Schwarzenberg im Garten ſeine gerettete, doch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0291" n="277"/>
Die Ko&#x0364;nigin von We&#x017F;tphalen dankte ihrem Gemahl und<lb/>
dem Grafen von Metternich die Rettung aus gro&#x0364;ßter<lb/>
Gefahr. Der ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che Bot&#x017F;chafter, Fu&#x0364;r&#x017F;t von Kurakin,<lb/>
wurde brennend und ohnma&#x0364;chtig durch den <hi rendition="#aq">Dr</hi>. Koreff<lb/>
mit Hu&#x0364;lfe o&#x0364;&#x017F;terreichi&#x017F;cher und franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;cher Officiere aus<lb/>
dem Gewu&#x0364;hl hervorgezogen, und von andern hu&#x0364;lfreichen<lb/>
Ha&#x0364;nden mit Pfu&#x0364;tzenwa&#x017F;&#x017F;er gelo&#x0364;&#x017F;cht, wa&#x0364;hrend noch andre<lb/>
ihm die diamantnen Kno&#x0364;pfe vom Rock &#x017F;chnitten. Be&#x017F;on¬<lb/>
ders hatten viele Frauen das Unglu&#x0364;ck, durch das Feuer<lb/>
an ihren leicht brennbaren Kleidern erfaßt und lebens¬<lb/>
gefa&#x0364;hrlich verwundet zu werden.</p><lb/>
          <p>Zwi&#x017F;chen die&#x017F;es Gewu&#x0364;hl dra&#x0364;ngten &#x017F;ich die Diener<lb/>
und Arbeiter aller Art, die theils fu&#x0364;r die Aufwartung,<lb/>
theils fu&#x0364;r andre Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e der Fe&#x017F;tlichkeit zahlreich<lb/>
vorhanden waren, und jeder Unter&#x017F;chied des Standes<lb/>
&#x017F;chien aufgehoben, nie wurde Stern und Ordens¬<lb/>
band gleichgu&#x0364;ltiger behandelt, die Hoheit und Maje&#x017F;ta&#x0364;t<lb/>
weniger ange&#x017F;ehen. Auch die vom Trinken abgerufenen<lb/>
Spritzenleute machten &#x017F;ich fu&#x0364;r ihre &#x017F;pa&#x0364;te Hu&#x0364;lflei&#x017F;tung<lb/>
gewalttha&#x0364;tig Raum, und die von fe&#x017F;tlicher Bewirthung<lb/>
aufge&#x017F;chreckten Ta&#x0364;nzer und Ta&#x0364;nzerinnen dra&#x0364;ngten &#x017F;ich<lb/>
in ihren flitterhaften Ko&#x017F;tu&#x0364;men und mit noch ge&#x017F;chmink¬<lb/>
ten Ge&#x017F;ichtern neugierig zwi&#x017F;chen dem reichen Prunk<lb/>
und Staat der &#x017F;tolzen Hofwelt umher, die in &#x017F;olcher<lb/>
Zerru&#x0364;ttung jede Gleichheit unbeachtet walten ließ.</p><lb/>
          <p>Mit leiden&#x017F;chaftlicher Innigkeit hatte der Fu&#x0364;r&#x017F;t Jo&#x017F;eph<lb/>
von Schwarzenberg im Garten &#x017F;eine gerettete, doch<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[277/0291] Die Koͤnigin von Weſtphalen dankte ihrem Gemahl und dem Grafen von Metternich die Rettung aus groͤßter Gefahr. Der ruſſiſche Botſchafter, Fuͤrſt von Kurakin, wurde brennend und ohnmaͤchtig durch den Dr. Koreff mit Huͤlfe oͤſterreichiſcher und franzoͤſiſcher Officiere aus dem Gewuͤhl hervorgezogen, und von andern huͤlfreichen Haͤnden mit Pfuͤtzenwaſſer geloͤſcht, waͤhrend noch andre ihm die diamantnen Knoͤpfe vom Rock ſchnitten. Beſon¬ ders hatten viele Frauen das Ungluͤck, durch das Feuer an ihren leicht brennbaren Kleidern erfaßt und lebens¬ gefaͤhrlich verwundet zu werden. Zwiſchen dieſes Gewuͤhl draͤngten ſich die Diener und Arbeiter aller Art, die theils fuͤr die Aufwartung, theils fuͤr andre Beduͤrfniſſe der Feſtlichkeit zahlreich vorhanden waren, und jeder Unterſchied des Standes ſchien aufgehoben, nie wurde Stern und Ordens¬ band gleichguͤltiger behandelt, die Hoheit und Majeſtaͤt weniger angeſehen. Auch die vom Trinken abgerufenen Spritzenleute machten ſich fuͤr ihre ſpaͤte Huͤlfleiſtung gewaltthaͤtig Raum, und die von feſtlicher Bewirthung aufgeſchreckten Taͤnzer und Taͤnzerinnen draͤngten ſich in ihren flitterhaften Koſtuͤmen und mit noch geſchmink¬ ten Geſichtern neugierig zwiſchen dem reichen Prunk und Staat der ſtolzen Hofwelt umher, die in ſolcher Zerruͤttung jede Gleichheit unbeachtet walten ließ. Mit leidenſchaftlicher Innigkeit hatte der Fuͤrſt Joſeph von Schwarzenberg im Garten ſeine gerettete, doch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/291
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/291>, abgerufen am 22.11.2024.