ihm auf. Er kehrt zurück zum Saale. Die Treppe ist gestürzt. Uebereinander wälzt sich die fallende Menge. Man bringt sein Kind halb verbrannt in schonender Verhüllung vorbei. Man schleppt die Gemahlin seines Bruders, der aller Schmuck vom Haupte getreten war, an ihm vorüber. Sein Blick fällt, in der fürchterlichen Beleuchtung des Brandes, auf eine winselnde Gestalt, der das Kleid am Leibe verzehrt und das ganze Diadem tief in die Stirne geglüht war. Es ist die Fürstin von der Leyen. Ein schwedischer Officier, der diese so eben aus dem Saale getragen hatte, versichert, mitten in den Flammen eine Gestalt wandeln gesehen zu haben, wunderbar zugleich und entsetzlich! Fürst Joseph kommt an den Eingang. Er will hinaufklettern über die bren¬ nenden Stufen. Da stürzt mit dumpfem Gerassel die ganze Fußdecke des Saales ein, und wie aus hohler Esse wallt Rauch und Gluth aus den Trümmern empor. Alles ist verloren."
So weit dieser Bericht. Seit dem Ausbruche des Feuers bis zu diesem bezeichneten Augenblicke war kaum eine Viertelstunde verflossen, und ich fortwährend auf dem Schauplatze des Ereignisses zugegen. Die mannig¬ fachste Hülfsthätigkeit für die Beschädigten, Suchenden, Auffodernden, und die stürmende Eile aller Vorgänge ließen den flüchtig aufgedrungenen Eindrücken keine sorg¬ same Prüfung zu. Allein für manche Angaben durften sowohl die Wahrnehmungen des einzelnen Beobachters,
ihm auf. Er kehrt zuruͤck zum Saale. Die Treppe iſt geſtuͤrzt. Uebereinander waͤlzt ſich die fallende Menge. Man bringt ſein Kind halb verbrannt in ſchonender Verhuͤllung vorbei. Man ſchleppt die Gemahlin ſeines Bruders, der aller Schmuck vom Haupte getreten war, an ihm voruͤber. Sein Blick faͤllt, in der fuͤrchterlichen Beleuchtung des Brandes, auf eine winſelnde Geſtalt, der das Kleid am Leibe verzehrt und das ganze Diadem tief in die Stirne gegluͤht war. Es iſt die Fuͤrſtin von der Leyen. Ein ſchwediſcher Officier, der dieſe ſo eben aus dem Saale getragen hatte, verſichert, mitten in den Flammen eine Geſtalt wandeln geſehen zu haben, wunderbar zugleich und entſetzlich! Fuͤrſt Joſeph kommt an den Eingang. Er will hinaufklettern uͤber die bren¬ nenden Stufen. Da ſtuͤrzt mit dumpfem Geraſſel die ganze Fußdecke des Saales ein, und wie aus hohler Eſſe wallt Rauch und Gluth aus den Truͤmmern empor. Alles iſt verloren.“
So weit dieſer Bericht. Seit dem Ausbruche des Feuers bis zu dieſem bezeichneten Augenblicke war kaum eine Viertelſtunde verfloſſen, und ich fortwaͤhrend auf dem Schauplatze des Ereigniſſes zugegen. Die mannig¬ fachſte Huͤlfsthaͤtigkeit fuͤr die Beſchaͤdigten, Suchenden, Auffodernden, und die ſtuͤrmende Eile aller Vorgaͤnge ließen den fluͤchtig aufgedrungenen Eindruͤcken keine ſorg¬ ſame Pruͤfung zu. Allein fuͤr manche Angaben durften ſowohl die Wahrnehmungen des einzelnen Beobachters,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0293"n="279"/>
ihm auf. Er kehrt zuruͤck zum Saale. Die Treppe<lb/>
iſt geſtuͤrzt. Uebereinander waͤlzt ſich die fallende Menge.<lb/>
Man bringt ſein Kind halb verbrannt in ſchonender<lb/>
Verhuͤllung vorbei. Man ſchleppt die Gemahlin ſeines<lb/>
Bruders, der aller Schmuck vom Haupte getreten war,<lb/>
an ihm voruͤber. Sein Blick faͤllt, in der fuͤrchterlichen<lb/>
Beleuchtung des Brandes, auf eine winſelnde Geſtalt,<lb/>
der das Kleid am Leibe verzehrt und das ganze Diadem<lb/>
tief in die Stirne gegluͤht war. Es iſt die Fuͤrſtin von<lb/>
der Leyen. Ein ſchwediſcher Officier, der dieſe ſo eben<lb/>
aus dem Saale getragen hatte, verſichert, mitten in<lb/>
den Flammen eine Geſtalt wandeln geſehen zu haben,<lb/>
wunderbar zugleich und entſetzlich! Fuͤrſt Joſeph kommt<lb/>
an den Eingang. Er will hinaufklettern uͤber die bren¬<lb/>
nenden Stufen. Da ſtuͤrzt mit dumpfem Geraſſel die<lb/>
ganze Fußdecke des Saales ein, und wie aus hohler<lb/>
Eſſe wallt Rauch und Gluth aus den Truͤmmern empor.<lb/>
Alles iſt verloren.“</p><lb/><p>So weit dieſer Bericht. Seit dem Ausbruche des<lb/>
Feuers bis zu dieſem bezeichneten Augenblicke war kaum<lb/>
eine Viertelſtunde verfloſſen, und ich fortwaͤhrend auf<lb/>
dem Schauplatze des Ereigniſſes zugegen. Die mannig¬<lb/>
fachſte Huͤlfsthaͤtigkeit fuͤr die Beſchaͤdigten, Suchenden,<lb/>
Auffodernden, und die ſtuͤrmende Eile aller Vorgaͤnge<lb/>
ließen den fluͤchtig aufgedrungenen Eindruͤcken keine ſorg¬<lb/>ſame Pruͤfung zu. Allein fuͤr manche Angaben durften<lb/>ſowohl die Wahrnehmungen des einzelnen Beobachters,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[279/0293]
ihm auf. Er kehrt zuruͤck zum Saale. Die Treppe
iſt geſtuͤrzt. Uebereinander waͤlzt ſich die fallende Menge.
Man bringt ſein Kind halb verbrannt in ſchonender
Verhuͤllung vorbei. Man ſchleppt die Gemahlin ſeines
Bruders, der aller Schmuck vom Haupte getreten war,
an ihm voruͤber. Sein Blick faͤllt, in der fuͤrchterlichen
Beleuchtung des Brandes, auf eine winſelnde Geſtalt,
der das Kleid am Leibe verzehrt und das ganze Diadem
tief in die Stirne gegluͤht war. Es iſt die Fuͤrſtin von
der Leyen. Ein ſchwediſcher Officier, der dieſe ſo eben
aus dem Saale getragen hatte, verſichert, mitten in
den Flammen eine Geſtalt wandeln geſehen zu haben,
wunderbar zugleich und entſetzlich! Fuͤrſt Joſeph kommt
an den Eingang. Er will hinaufklettern uͤber die bren¬
nenden Stufen. Da ſtuͤrzt mit dumpfem Geraſſel die
ganze Fußdecke des Saales ein, und wie aus hohler
Eſſe wallt Rauch und Gluth aus den Truͤmmern empor.
Alles iſt verloren.“
So weit dieſer Bericht. Seit dem Ausbruche des
Feuers bis zu dieſem bezeichneten Augenblicke war kaum
eine Viertelſtunde verfloſſen, und ich fortwaͤhrend auf
dem Schauplatze des Ereigniſſes zugegen. Die mannig¬
fachſte Huͤlfsthaͤtigkeit fuͤr die Beſchaͤdigten, Suchenden,
Auffodernden, und die ſtuͤrmende Eile aller Vorgaͤnge
ließen den fluͤchtig aufgedrungenen Eindruͤcken keine ſorg¬
ſame Pruͤfung zu. Allein fuͤr manche Angaben durften
ſowohl die Wahrnehmungen des einzelnen Beobachters,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/293>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.