Menschen eine geraume Zeit in qualvoller Vernichtung. Die nähergestandenen Zeugen, welche nicht ohne eigne Angst diesen Auftritt mitansahen, betheuerten nachher, es sei gar keine Ursache zu solchem Grimm gewesen, der Kaiser habe nur Gelegenheit gesucht, seine üble Laune auszulassen, und er thue dies sogar absichtlich an solchem armen Wichte, damit alle Andern in Schrecken gesetzt und jeder Trotz im voraus unterwürfig gestimmt würde.
Als er weiterging, suchte er wieder gemäßigter zu reden, allein seine Mißstimmung klang noch immer durch. Er sprach kurz, hastig, hingeworfen, die gleich¬ gültigsten Sachen mit einer leidenschaftlichen Schnelle, ja wenn er gütig sein wollte, klang es immer noch, als sei er zornig. Ich habe kaum eine so rohe, unge¬ zähmte Stimme gehört, als die seinige.
Seine Augen waren dunkel umwölbt, auf die Erde vor sich niedergeheftet, und streiften nur ruckweise schnell und scharf über die Anwesenden hin. Wenn er lächelte, so lächelte blos der Mund mit einem Theile der Backen, unbeweglich finster blieben Stirn und Augen. Zwang er, wie ich späterhin wohl gesehen habe, auch diese, so bekam sein Gesicht einen noch verzerrtern Ausdruck. Diese Verbindung von Lächeln und Ernst hatte etwas furchtbar Abschreckendes. Ich weiß nicht, was ich von den Leuten denken soll, die in diesem Gesicht Anmuth und seine Freundlichkeit einnehmend gefunden haben.
Menſchen eine geraume Zeit in qualvoller Vernichtung. Die naͤhergeſtandenen Zeugen, welche nicht ohne eigne Angſt dieſen Auftritt mitanſahen, betheuerten nachher, es ſei gar keine Urſache zu ſolchem Grimm geweſen, der Kaiſer habe nur Gelegenheit geſucht, ſeine uͤble Laune auszulaſſen, und er thue dies ſogar abſichtlich an ſolchem armen Wichte, damit alle Andern in Schrecken geſetzt und jeder Trotz im voraus unterwuͤrfig geſtimmt wuͤrde.
Als er weiterging, ſuchte er wieder gemaͤßigter zu reden, allein ſeine Mißſtimmung klang noch immer durch. Er ſprach kurz, haſtig, hingeworfen, die gleich¬ guͤltigſten Sachen mit einer leidenſchaftlichen Schnelle, ja wenn er guͤtig ſein wollte, klang es immer noch, als ſei er zornig. Ich habe kaum eine ſo rohe, unge¬ zaͤhmte Stimme gehoͤrt, als die ſeinige.
Seine Augen waren dunkel umwoͤlbt, auf die Erde vor ſich niedergeheftet, und ſtreiften nur ruckweiſe ſchnell und ſcharf uͤber die Anweſenden hin. Wenn er laͤchelte, ſo laͤchelte blos der Mund mit einem Theile der Backen, unbeweglich finſter blieben Stirn und Augen. Zwang er, wie ich ſpaͤterhin wohl geſehen habe, auch dieſe, ſo bekam ſein Geſicht einen noch verzerrtern Ausdruck. Dieſe Verbindung von Laͤcheln und Ernſt hatte etwas furchtbar Abſchreckendes. Ich weiß nicht, was ich von den Leuten denken ſoll, die in dieſem Geſicht Anmuth und ſeine Freundlichkeit einnehmend gefunden haben.
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Menſchen eine geraume Zeit in qualvoller Vernichtung.
Die naͤhergeſtandenen Zeugen, welche nicht ohne eigne
Angſt dieſen Auftritt mitanſahen, betheuerten nachher,
es ſei gar keine Urſache zu ſolchem Grimm geweſen,
der Kaiſer habe nur Gelegenheit geſucht, ſeine uͤble
Laune auszulaſſen, und er thue dies ſogar abſichtlich
an ſolchem armen Wichte, damit alle Andern in Schrecken
geſetzt und jeder Trotz im voraus unterwuͤrfig geſtimmt
wuͤrde.
Als er weiterging, ſuchte er wieder gemaͤßigter zu
reden, allein ſeine Mißſtimmung klang noch immer
durch. Er ſprach kurz, haſtig, hingeworfen, die gleich¬
guͤltigſten Sachen mit einer leidenſchaftlichen Schnelle,
ja wenn er guͤtig ſein wollte, klang es immer noch,
als ſei er zornig. Ich habe kaum eine ſo rohe, unge¬
zaͤhmte Stimme gehoͤrt, als die ſeinige.
Seine Augen waren dunkel umwoͤlbt, auf die Erde
vor ſich niedergeheftet, und ſtreiften nur ruckweiſe ſchnell
und ſcharf uͤber die Anweſenden hin. Wenn er laͤchelte,
ſo laͤchelte blos der Mund mit einem Theile der Backen,
unbeweglich finſter blieben Stirn und Augen. Zwang
er, wie ich ſpaͤterhin wohl geſehen habe, auch dieſe, ſo
bekam ſein Geſicht einen noch verzerrtern Ausdruck.
Dieſe Verbindung von Laͤcheln und Ernſt hatte etwas
furchtbar Abſchreckendes. Ich weiß nicht, was ich von
den Leuten denken ſoll, die in dieſem Geſicht Anmuth
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/315>, abgerufen am 24.11.2024.
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