der Blick sich gewendet hatte, unheimlich Störendes befürchten ließen. Die Ferne als solche lockte nicht, das Nächste an und für sich stieß nicht ab; die beiden Bahnen, welche einzeln jedem heiter und angemessen waren, wurden erst durch ihre Vereinigung schwierig, und auch der Muth und das Selbstvertrauen der Jugend konnten, durch die Bilder, welche sich herandrängten, beunruhigt werden. Dabei rief kein offner Widerspruch die Geister des Trotzes und Eifers in den Kampf; ihrem eignen Gange war die Sache überlassen, nur wohlwollende Warnung und verständiger Rath wirkten ein. So konnte es geschehen, daß die schon verlobten Liebenden, ohne ausdrücklichen Zwang und fremdes Hinderniß, durch die leise, aber mächtige Wirkung der gefühlten Unvereinbarkeit ihrer unreifen und nicht ein¬ ander entsprechend ausgestatteten Zustände, sich wieder trennen ließen, indem sie wohl nicht in die Trennung willigten, aber sie werden sahen und anerkannten. Dieser ganze Hergang, welcher im Wesentlichen für das Verständniß keine Dunkelheit behält, ist gleichwohl von dem Autor in den einzelnen Zügen mit einem zarten Helldunkel behandelt, welches nur eben verhin¬ dert, auf das Einzelne zu scharf den Blick zu heften, und diesen grade im Hingleiten über das Ganze die Bedeutung zu suchen nöthigt. Merkwürdig sind in diesem Betreff die Worte Goethe's, die er mündlich gegen einen Freund geäußert, daß die Tiefe und Zart¬
der Blick ſich gewendet hatte, unheimlich Stoͤrendes befuͤrchten ließen. Die Ferne als ſolche lockte nicht, das Naͤchſte an und fuͤr ſich ſtieß nicht ab; die beiden Bahnen, welche einzeln jedem heiter und angemeſſen waren, wurden erſt durch ihre Vereinigung ſchwierig, und auch der Muth und das Selbſtvertrauen der Jugend konnten, durch die Bilder, welche ſich herandraͤngten, beunruhigt werden. Dabei rief kein offner Widerſpruch die Geiſter des Trotzes und Eifers in den Kampf; ihrem eignen Gange war die Sache uͤberlaſſen, nur wohlwollende Warnung und verſtaͤndiger Rath wirkten ein. So konnte es geſchehen, daß die ſchon verlobten Liebenden, ohne ausdruͤcklichen Zwang und fremdes Hinderniß, durch die leiſe, aber maͤchtige Wirkung der gefuͤhlten Unvereinbarkeit ihrer unreifen und nicht ein¬ ander entſprechend ausgeſtatteten Zuſtaͤnde, ſich wieder trennen ließen, indem ſie wohl nicht in die Trennung willigten, aber ſie werden ſahen und anerkannten. Dieſer ganze Hergang, welcher im Weſentlichen fuͤr das Verſtaͤndniß keine Dunkelheit behaͤlt, iſt gleichwohl von dem Autor in den einzelnen Zuͤgen mit einem zarten Helldunkel behandelt, welches nur eben verhin¬ dert, auf das Einzelne zu ſcharf den Blick zu heften, und dieſen grade im Hingleiten uͤber das Ganze die Bedeutung zu ſuchen noͤthigt. Merkwuͤrdig ſind in dieſem Betreff die Worte Goethe’s, die er muͤndlich gegen einen Freund geaͤußert, daß die Tiefe und Zart¬
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der Blick ſich gewendet hatte, unheimlich Stoͤrendes
befuͤrchten ließen. Die Ferne als ſolche lockte nicht,
das Naͤchſte an und fuͤr ſich ſtieß nicht ab; die beiden
Bahnen, welche einzeln jedem heiter und angemeſſen
waren, wurden erſt durch ihre Vereinigung ſchwierig,
und auch der Muth und das Selbſtvertrauen der Jugend
konnten, durch die Bilder, welche ſich herandraͤngten,
beunruhigt werden. Dabei rief kein offner Widerſpruch
die Geiſter des Trotzes und Eifers in den Kampf;
ihrem eignen Gange war die Sache uͤberlaſſen, nur
wohlwollende Warnung und verſtaͤndiger Rath wirkten
ein. So konnte es geſchehen, daß die ſchon verlobten
Liebenden, ohne ausdruͤcklichen Zwang und fremdes
Hinderniß, durch die leiſe, aber maͤchtige Wirkung der
gefuͤhlten Unvereinbarkeit ihrer unreifen und nicht ein¬
ander entſprechend ausgeſtatteten Zuſtaͤnde, ſich wieder
trennen ließen, indem ſie wohl nicht in die Trennung
willigten, aber ſie werden ſahen und anerkannten.
Dieſer ganze Hergang, welcher im Weſentlichen fuͤr
das Verſtaͤndniß keine Dunkelheit behaͤlt, iſt gleichwohl
von dem Autor in den einzelnen Zuͤgen mit einem
zarten Helldunkel behandelt, welches nur eben verhin¬
dert, auf das Einzelne zu ſcharf den Blick zu heften,
und dieſen grade im Hingleiten uͤber das Ganze die
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dieſem Betreff die Worte Goethe’s, die er muͤndlich
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/336>, abgerufen am 26.11.2024.
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