Reizvolle und Ungenügende, welches in seinem Streben verbunden ist, gründet sich auf die besondre Richtung, die er sich gegen das Vorhandene gewählt hat. Diese Richtung schneidet quer durch über alle bisherigen Wege, und indem er, ohne andern Ausgangspunkt, als den einer ziemlich willkürlichen Wendung, und ohne rechtes Ziel, jener Richtung folgt, ist er in kurzen Zwischen¬ räumen immer wieder auf den gangbaren Straßen, welche Lessing, die Schlegel, Tieck und Andere gebaut und geschmückt haben, aber auch dazwischen auf ödem Feld und mühsamem Gestein. Hierbei fehlt es nicht an scharfen Wahrnehmungen, geistreichen Ueberblicken, feinsinnigen Einzelheiten. Aber eine sichre, feste Grund¬ lage, die zugleich für Nachfolgende brauchbar wäre, mangelt überall. Diese Kritik ist für eine philosophische nicht philosophisch genug, für eine historische nicht genug historisch, auf eine dieser Seiten aber muß jede ästhe¬ tische Kritik sich wahrhaft gründen, wenn sie nicht blos eine humoristische, sondern eine wissenschaftliche sein will; und die geniale wird sogar beide vereinen. Sollten wir den Verfasser mit einem schon bekannten Schrift¬ steller vergleichen, so müßte es mit Adam Müller ge¬ schehen, der eine ähnliche Erscheinung war, und eigent¬ lich durch die bloße Stellung, welche er querein gegen die vorhandenen Richtungen nahm, -- indem er diese sämmtlich benutzte, -- alles Glänzende, Geistreiche, Wirksame gewann, worin seine schönen Gaben auf¬
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Reizvolle und Ungenuͤgende, welches in ſeinem Streben verbunden iſt, gruͤndet ſich auf die beſondre Richtung, die er ſich gegen das Vorhandene gewaͤhlt hat. Dieſe Richtung ſchneidet quer durch uͤber alle bisherigen Wege, und indem er, ohne andern Ausgangspunkt, als den einer ziemlich willkuͤrlichen Wendung, und ohne rechtes Ziel, jener Richtung folgt, iſt er in kurzen Zwiſchen¬ raͤumen immer wieder auf den gangbaren Straßen, welche Leſſing, die Schlegel, Tieck und Andere gebaut und geſchmuͤckt haben, aber auch dazwiſchen auf oͤdem Feld und muͤhſamem Geſtein. Hierbei fehlt es nicht an ſcharfen Wahrnehmungen, geiſtreichen Ueberblicken, feinſinnigen Einzelheiten. Aber eine ſichre, feſte Grund¬ lage, die zugleich fuͤr Nachfolgende brauchbar waͤre, mangelt uͤberall. Dieſe Kritik iſt fuͤr eine philoſophiſche nicht philoſophiſch genug, fuͤr eine hiſtoriſche nicht genug hiſtoriſch, auf eine dieſer Seiten aber muß jede aͤſthe¬ tiſche Kritik ſich wahrhaft gruͤnden, wenn ſie nicht blos eine humoriſtiſche, ſondern eine wiſſenſchaftliche ſein will; und die geniale wird ſogar beide vereinen. Sollten wir den Verfaſſer mit einem ſchon bekannten Schrift¬ ſteller vergleichen, ſo muͤßte es mit Adam Muͤller ge¬ ſchehen, der eine aͤhnliche Erſcheinung war, und eigent¬ lich durch die bloße Stellung, welche er querein gegen die vorhandenen Richtungen nahm, — indem er dieſe ſaͤmmtlich benutzte, — alles Glaͤnzende, Geiſtreiche, Wirkſame gewann, worin ſeine ſchoͤnen Gaben auf¬
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Reizvolle und Ungenuͤgende, welches in ſeinem Streben
verbunden iſt, gruͤndet ſich auf die beſondre Richtung,
die er ſich gegen das Vorhandene gewaͤhlt hat. Dieſe
Richtung ſchneidet quer durch uͤber alle bisherigen Wege,
und indem er, ohne andern Ausgangspunkt, als den
einer ziemlich willkuͤrlichen Wendung, und ohne rechtes
Ziel, jener Richtung folgt, iſt er in kurzen Zwiſchen¬
raͤumen immer wieder auf den gangbaren Straßen,
welche Leſſing, die Schlegel, Tieck und Andere gebaut
und geſchmuͤckt haben, aber auch dazwiſchen auf oͤdem
Feld und muͤhſamem Geſtein. Hierbei fehlt es nicht
an ſcharfen Wahrnehmungen, geiſtreichen Ueberblicken,
feinſinnigen Einzelheiten. Aber eine ſichre, feſte Grund¬
lage, die zugleich fuͤr Nachfolgende brauchbar waͤre,
mangelt uͤberall. Dieſe Kritik iſt fuͤr eine philoſophiſche
nicht philoſophiſch genug, fuͤr eine hiſtoriſche nicht genug
hiſtoriſch, auf eine dieſer Seiten aber muß jede aͤſthe¬
tiſche Kritik ſich wahrhaft gruͤnden, wenn ſie nicht blos
eine humoriſtiſche, ſondern eine wiſſenſchaftliche ſein will;
und die geniale wird ſogar beide vereinen. Sollten
wir den Verfaſſer mit einem ſchon bekannten Schrift¬
ſteller vergleichen, ſo muͤßte es mit Adam Muͤller ge¬
ſchehen, der eine aͤhnliche Erſcheinung war, und eigent¬
lich durch die bloße Stellung, welche er querein gegen
die vorhandenen Richtungen nahm, — indem er dieſe
ſaͤmmtlich benutzte, — alles Glaͤnzende, Geiſtreiche,
Wirkſame gewann, worin ſeine ſchoͤnen Gaben auf¬
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/401>, abgerufen am 22.11.2024.
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