Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

können, ihre merkwürdigen Schicksale und Verhältnisse
blieben in dem Helldunkel, in welches Pöllnitz sie gestellt
hatte, auf welchen als einzigen Gewährsmann der gäng
und gäben Nachrichten man sich gläubig verließ. Erst
jetzt verkündet sich ein ganz neues Licht über dieses
bewegte Leben, seitdem ein glücklicher Zufall viele wich¬
tige und ausführliche Denkschriften, die Familie Königs¬
marck betreffend, in die Hände des Dr. Cramer gebracht
hat, dem als sorgfältigen Erforscher und Mittheiler
historischer Denkmale wir schon für mehrere wichtige
Gaben Dank schuldig geworden sind. Von diesen schätz¬
baren Urkunden empfangen wir in vorliegender kleinen
Schrift vorläufig im Auszuge den wesentlichen Ertrag,
und wir sehen daraus, daß die Erzählungen von Pöll¬
nitz durchaus ohne feste Grundlage, theils willkürlich
ersonnen, theils unzuverlässig aufgegriffen sind, und fast
in allen Beziehungen wesentliche Berichtigung erfahren.
Das Merkwürdige, Bedeutende und Romanhafte ver¬
schwindet deshalb aber keineswegs aus dieser Lebens¬
beschreibung, im Gegentheil sie gewinnt fast eben so an
Reiz wie an Gehalt, und die Wahrheit der Geschichte
ist hier so phantasiereich wie nur die erdichtete Fabel es
sein mochte. Durch den abentheuerlichen Ausgang ihres
Bruders, der in Hannover plötzlich verschwand und nie
wieder zum Vorschein kam, wird Aurorens eignes Schick¬
sal mitbedingt, und die gesammte Familie erscheint in
Ereignissen und Karakter als ein zusammengehöriges

koͤnnen, ihre merkwuͤrdigen Schickſale und Verhaͤltniſſe
blieben in dem Helldunkel, in welches Poͤllnitz ſie geſtellt
hatte, auf welchen als einzigen Gewaͤhrsmann der gaͤng
und gaͤben Nachrichten man ſich glaͤubig verließ. Erſt
jetzt verkuͤndet ſich ein ganz neues Licht uͤber dieſes
bewegte Leben, ſeitdem ein gluͤcklicher Zufall viele wich¬
tige und ausfuͤhrliche Denkſchriften, die Familie Koͤnigs¬
marck betreffend, in die Haͤnde des Dr. Cramer gebracht
hat, dem als ſorgfaͤltigen Erforſcher und Mittheiler
hiſtoriſcher Denkmale wir ſchon fuͤr mehrere wichtige
Gaben Dank ſchuldig geworden ſind. Von dieſen ſchaͤtz¬
baren Urkunden empfangen wir in vorliegender kleinen
Schrift vorlaͤufig im Auszuge den weſentlichen Ertrag,
und wir ſehen daraus, daß die Erzaͤhlungen von Poͤll¬
nitz durchaus ohne feſte Grundlage, theils willkuͤrlich
erſonnen, theils unzuverlaͤſſig aufgegriffen ſind, und faſt
in allen Beziehungen weſentliche Berichtigung erfahren.
Das Merkwuͤrdige, Bedeutende und Romanhafte ver¬
ſchwindet deshalb aber keineswegs aus dieſer Lebens¬
beſchreibung, im Gegentheil ſie gewinnt faſt eben ſo an
Reiz wie an Gehalt, und die Wahrheit der Geſchichte
iſt hier ſo phantaſiereich wie nur die erdichtete Fabel es
ſein mochte. Durch den abentheuerlichen Ausgang ihres
Bruders, der in Hannover ploͤtzlich verſchwand und nie
wieder zum Vorſchein kam, wird Aurorens eignes Schick¬
ſal mitbedingt, und die geſammte Familie erſcheint in
Ereigniſſen und Karakter als ein zuſammengehoͤriges

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0416" n="402"/>
ko&#x0364;nnen, ihre merkwu&#x0364;rdigen Schick&#x017F;ale und Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
blieben in dem Helldunkel, in welches Po&#x0364;llnitz &#x017F;ie ge&#x017F;tellt<lb/>
hatte, auf welchen als einzigen Gewa&#x0364;hrsmann der ga&#x0364;ng<lb/>
und ga&#x0364;ben Nachrichten man &#x017F;ich gla&#x0364;ubig verließ. Er&#x017F;t<lb/>
jetzt verku&#x0364;ndet &#x017F;ich ein ganz neues Licht u&#x0364;ber die&#x017F;es<lb/>
bewegte Leben, &#x017F;eitdem ein glu&#x0364;cklicher Zufall viele wich¬<lb/>
tige und ausfu&#x0364;hrliche Denk&#x017F;chriften, die Familie Ko&#x0364;nigs¬<lb/>
marck betreffend, in die Ha&#x0364;nde des <hi rendition="#aq">Dr</hi>. Cramer gebracht<lb/>
hat, dem als &#x017F;orgfa&#x0364;ltigen Erfor&#x017F;cher und Mittheiler<lb/>
hi&#x017F;tori&#x017F;cher Denkmale wir &#x017F;chon fu&#x0364;r mehrere wichtige<lb/>
Gaben Dank &#x017F;chuldig geworden &#x017F;ind. Von die&#x017F;en &#x017F;cha&#x0364;tz¬<lb/>
baren Urkunden empfangen wir in vorliegender kleinen<lb/>
Schrift vorla&#x0364;ufig im Auszuge den we&#x017F;entlichen Ertrag,<lb/>
und wir &#x017F;ehen daraus, daß die Erza&#x0364;hlungen von Po&#x0364;ll¬<lb/>
nitz durchaus ohne fe&#x017F;te Grundlage, theils willku&#x0364;rlich<lb/>
er&#x017F;onnen, theils unzuverla&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig aufgegriffen &#x017F;ind, und fa&#x017F;t<lb/>
in allen Beziehungen we&#x017F;entliche Berichtigung erfahren.<lb/>
Das Merkwu&#x0364;rdige, Bedeutende und Romanhafte ver¬<lb/>
&#x017F;chwindet deshalb aber keineswegs aus die&#x017F;er Lebens¬<lb/>
be&#x017F;chreibung, im Gegentheil &#x017F;ie gewinnt fa&#x017F;t eben &#x017F;o an<lb/>
Reiz wie an Gehalt, und die Wahrheit der Ge&#x017F;chichte<lb/>
i&#x017F;t hier &#x017F;o phanta&#x017F;iereich wie nur die erdichtete Fabel es<lb/>
&#x017F;ein mochte. Durch den abentheuerlichen Ausgang ihres<lb/>
Bruders, der in Hannover plo&#x0364;tzlich ver&#x017F;chwand und nie<lb/>
wieder zum Vor&#x017F;chein kam, wird Aurorens eignes Schick¬<lb/>
&#x017F;al mitbedingt, und die ge&#x017F;ammte Familie er&#x017F;cheint in<lb/>
Ereigni&#x017F;&#x017F;en und Karakter als ein zu&#x017F;ammengeho&#x0364;riges<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[402/0416] koͤnnen, ihre merkwuͤrdigen Schickſale und Verhaͤltniſſe blieben in dem Helldunkel, in welches Poͤllnitz ſie geſtellt hatte, auf welchen als einzigen Gewaͤhrsmann der gaͤng und gaͤben Nachrichten man ſich glaͤubig verließ. Erſt jetzt verkuͤndet ſich ein ganz neues Licht uͤber dieſes bewegte Leben, ſeitdem ein gluͤcklicher Zufall viele wich¬ tige und ausfuͤhrliche Denkſchriften, die Familie Koͤnigs¬ marck betreffend, in die Haͤnde des Dr. Cramer gebracht hat, dem als ſorgfaͤltigen Erforſcher und Mittheiler hiſtoriſcher Denkmale wir ſchon fuͤr mehrere wichtige Gaben Dank ſchuldig geworden ſind. Von dieſen ſchaͤtz¬ baren Urkunden empfangen wir in vorliegender kleinen Schrift vorlaͤufig im Auszuge den weſentlichen Ertrag, und wir ſehen daraus, daß die Erzaͤhlungen von Poͤll¬ nitz durchaus ohne feſte Grundlage, theils willkuͤrlich erſonnen, theils unzuverlaͤſſig aufgegriffen ſind, und faſt in allen Beziehungen weſentliche Berichtigung erfahren. Das Merkwuͤrdige, Bedeutende und Romanhafte ver¬ ſchwindet deshalb aber keineswegs aus dieſer Lebens¬ beſchreibung, im Gegentheil ſie gewinnt faſt eben ſo an Reiz wie an Gehalt, und die Wahrheit der Geſchichte iſt hier ſo phantaſiereich wie nur die erdichtete Fabel es ſein mochte. Durch den abentheuerlichen Ausgang ihres Bruders, der in Hannover ploͤtzlich verſchwand und nie wieder zum Vorſchein kam, wird Aurorens eignes Schick¬ ſal mitbedingt, und die geſammte Familie erſcheint in Ereigniſſen und Karakter als ein zuſammengehoͤriges

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/416
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/416>, abgerufen am 22.11.2024.