gegen frühere Anschuldigungen zu rechtfertigen, den Herzog von Friedland alles Verrathes gegen den Kaiser freizusprechen gemeint, und die als Urtheil und Ansicht der mit- und nachlebenden Welt auf uns gekommenen Angaben durch bloße Verneinung aufzuheben geglaubt. Man wird aber Zeugnisse, die einmal bestehen, nicht so leicht verwerfen dürfen, wenn man nicht nachweisen kann, daß sie in der Sache selbst ihren Widerspruch finden, und wie, durch Irrthum oder Absicht, sie haben bestehen und sich behaupten können. So soll auch die Erzählung Friedrichs des Großen von dem Pferdetausche zwischen dem großen Kurfürsten und dem Stallmeister Froben, so wie die Nachrichten über den Vorgang mit dem Prinzen von Hessen-Homburg bei Fehrbellin, blos deshalb ungegründet sein, weil das Tagebuch des Kammerherrn von Buch und Pufendorfs Geschichte des großen Kurfürsten dieser Umstände nicht erwähnen. Unser Verfasser pflichtet den Kritikern eifrig bei, welche jene Angaben, die neben Friedrich dem Großen noch den Freiherrn von Pöllnitz für sich haben, durch¬ aus bestreiten und verwerfen; nach unserer Meinung sehr mit Unrecht. Als die genannten Schriftsteller schrieben, war die lebendige Ueberlieferung jener frühe¬ ren Zeiten noch nicht erloschen (sie ist es sogar noch jetzt nicht, wie selbst die vorliegende Schrift bezeugt), und beide lebten in Verhältnissen und Stellungen, wo eine wesentliche und bündige Kenntniß der jüngstver¬
gegen fruͤhere Anſchuldigungen zu rechtfertigen, den Herzog von Friedland alles Verrathes gegen den Kaiſer freizuſprechen gemeint, und die als Urtheil und Anſicht der mit- und nachlebenden Welt auf uns gekommenen Angaben durch bloße Verneinung aufzuheben geglaubt. Man wird aber Zeugniſſe, die einmal beſtehen, nicht ſo leicht verwerfen duͤrfen, wenn man nicht nachweiſen kann, daß ſie in der Sache ſelbſt ihren Widerſpruch finden, und wie, durch Irrthum oder Abſicht, ſie haben beſtehen und ſich behaupten koͤnnen. So ſoll auch die Erzaͤhlung Friedrichs des Großen von dem Pferdetauſche zwiſchen dem großen Kurfuͤrſten und dem Stallmeiſter Froben, ſo wie die Nachrichten uͤber den Vorgang mit dem Prinzen von Heſſen-Homburg bei Fehrbellin, blos deshalb ungegruͤndet ſein, weil das Tagebuch des Kammerherrn von Buch und Pufendorfs Geſchichte des großen Kurfuͤrſten dieſer Umſtaͤnde nicht erwaͤhnen. Unſer Verfaſſer pflichtet den Kritikern eifrig bei, welche jene Angaben, die neben Friedrich dem Großen noch den Freiherrn von Poͤllnitz fuͤr ſich haben, durch¬ aus beſtreiten und verwerfen; nach unſerer Meinung ſehr mit Unrecht. Als die genannten Schriftſteller ſchrieben, war die lebendige Ueberlieferung jener fruͤhe¬ ren Zeiten noch nicht erloſchen (ſie iſt es ſogar noch jetzt nicht, wie ſelbſt die vorliegende Schrift bezeugt), und beide lebten in Verhaͤltniſſen und Stellungen, wo eine weſentliche und buͤndige Kenntniß der juͤngſtver¬
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gegen fruͤhere Anſchuldigungen zu rechtfertigen, den
Herzog von Friedland alles Verrathes gegen den Kaiſer
freizuſprechen gemeint, und die als Urtheil und Anſicht
der mit- und nachlebenden Welt auf uns gekommenen
Angaben durch bloße Verneinung aufzuheben geglaubt.
Man wird aber Zeugniſſe, die einmal beſtehen, nicht ſo
leicht verwerfen duͤrfen, wenn man nicht nachweiſen
kann, daß ſie in der Sache ſelbſt ihren Widerſpruch
finden, und wie, durch Irrthum oder Abſicht, ſie
haben beſtehen und ſich behaupten koͤnnen. So ſoll
auch die Erzaͤhlung Friedrichs des Großen von dem
Pferdetauſche zwiſchen dem großen Kurfuͤrſten und dem
Stallmeiſter Froben, ſo wie die Nachrichten uͤber den
Vorgang mit dem Prinzen von Heſſen-Homburg bei
Fehrbellin, blos deshalb ungegruͤndet ſein, weil das
Tagebuch des Kammerherrn von Buch und Pufendorfs
Geſchichte des großen Kurfuͤrſten dieſer Umſtaͤnde nicht
erwaͤhnen. Unſer Verfaſſer pflichtet den Kritikern eifrig
bei, welche jene Angaben, die neben Friedrich dem Großen
noch den Freiherrn von Poͤllnitz fuͤr ſich haben, durch¬
aus beſtreiten und verwerfen; nach unſerer Meinung
ſehr mit Unrecht. Als die genannten Schriftſteller
ſchrieben, war die lebendige Ueberlieferung jener fruͤhe¬
ren Zeiten noch nicht erloſchen (ſie iſt es ſogar noch
jetzt nicht, wie ſelbſt die vorliegende Schrift bezeugt),
und beide lebten in Verhaͤltniſſen und Stellungen, wo
eine weſentliche und buͤndige Kenntniß der juͤngſtver¬
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/454>, abgerufen am 22.11.2024.
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