ler und Schriftsteller bekannte Ordensrath König, auf den sich auch unser Verfasser als auf den Gewährsmann beruft, der diese Sache ganz auf's Reine gebracht habe. Dieser Mann war fleißig, aber ohne allen Geist und Ueberblick. Er gehörte zu den historischen Forschern, welche alles gethan zu haben glauben, wenn sie Einzel¬ nes an Einzelnes reihen, dies gegen einander halten, vergleichen und abwägen. Aber auf solche Weise gedeiht keine ächte historische Kritik; diese geht nur aus einer umfassenden Durcharbeitung großer historischer Stoffe, aus einer tiefern, auf Weltkenntniß und Lebenserfahrung gegründeten, und durch weitgreifende Studien allseitig geübten Einsicht hervor, ohne welche die genaue Kunde und das sorgfältige hin und her Wenden des besonde¬ ren Falles ganz unfruchtbar bleiben muß.
Für die hier zu Sprache gekommene Streitsache tritt aber noch ein ganz eigner Umstand ein! Unser Verfasser stützt sich in Betreff seiner gegen die erwähnte Geschichte Frobens ausgesprochenen Zweifel und Verneinung haupt¬ sächlich auf den Ordensrath König: allein dieser selbst hat seine Zweifel ja späterhin bereut und zurückgenom¬ men! Warum ist dies nicht beachtet? Wie schwer man, auch bei dem redlichsten Willen und strengsten Eifer, in dergleichen Erörterungen und Zusammenstellun¬ gen die Gefahr vermeidet sich in Irrungen zu verwickeln, beweist eine andre Stelle unsrer Schrift, wo es heißt: "Friedrich der Zweite macht sein eignes Zeugniß zwei¬
ler und Schriftſteller bekannte Ordensrath Koͤnig, auf den ſich auch unſer Verfaſſer als auf den Gewaͤhrsmann beruft, der dieſe Sache ganz auf’s Reine gebracht habe. Dieſer Mann war fleißig, aber ohne allen Geiſt und Ueberblick. Er gehoͤrte zu den hiſtoriſchen Forſchern, welche alles gethan zu haben glauben, wenn ſie Einzel¬ nes an Einzelnes reihen, dies gegen einander halten, vergleichen und abwaͤgen. Aber auf ſolche Weiſe gedeiht keine aͤchte hiſtoriſche Kritik; dieſe geht nur aus einer umfaſſenden Durcharbeitung großer hiſtoriſcher Stoffe, aus einer tiefern, auf Weltkenntniß und Lebenserfahrung gegruͤndeten, und durch weitgreifende Studien allſeitig geuͤbten Einſicht hervor, ohne welche die genaue Kunde und das ſorgfaͤltige hin und her Wenden des beſonde¬ ren Falles ganz unfruchtbar bleiben muß.
Fuͤr die hier zu Sprache gekommene Streitſache tritt aber noch ein ganz eigner Umſtand ein! Unſer Verfaſſer ſtuͤtzt ſich in Betreff ſeiner gegen die erwaͤhnte Geſchichte Frobens ausgeſprochenen Zweifel und Verneinung haupt¬ ſaͤchlich auf den Ordensrath Koͤnig: allein dieſer ſelbſt hat ſeine Zweifel ja ſpaͤterhin bereut und zuruͤckgenom¬ men! Warum iſt dies nicht beachtet? Wie ſchwer man, auch bei dem redlichſten Willen und ſtrengſten Eifer, in dergleichen Eroͤrterungen und Zuſammenſtellun¬ gen die Gefahr vermeidet ſich in Irrungen zu verwickeln, beweiſt eine andre Stelle unſrer Schrift, wo es heißt: „Friedrich der Zweite macht ſein eignes Zeugniß zwei¬
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ler und Schriftſteller bekannte Ordensrath Koͤnig, auf
den ſich auch unſer Verfaſſer als auf den Gewaͤhrsmann
beruft, der dieſe Sache ganz auf’s Reine gebracht habe.
Dieſer Mann war fleißig, aber ohne allen Geiſt und
Ueberblick. Er gehoͤrte zu den hiſtoriſchen Forſchern,
welche alles gethan zu haben glauben, wenn ſie Einzel¬
nes an Einzelnes reihen, dies gegen einander halten,
vergleichen und abwaͤgen. Aber auf ſolche Weiſe gedeiht
keine aͤchte hiſtoriſche Kritik; dieſe geht nur aus einer
umfaſſenden Durcharbeitung großer hiſtoriſcher Stoffe,
aus einer tiefern, auf Weltkenntniß und Lebenserfahrung
gegruͤndeten, und durch weitgreifende Studien allſeitig
geuͤbten Einſicht hervor, ohne welche die genaue Kunde
und das ſorgfaͤltige hin und her Wenden des beſonde¬
ren Falles ganz unfruchtbar bleiben muß.
Fuͤr die hier zu Sprache gekommene Streitſache tritt
aber noch ein ganz eigner Umſtand ein! Unſer Verfaſſer
ſtuͤtzt ſich in Betreff ſeiner gegen die erwaͤhnte Geſchichte
Frobens ausgeſprochenen Zweifel und Verneinung haupt¬
ſaͤchlich auf den Ordensrath Koͤnig: allein dieſer ſelbſt
hat ſeine Zweifel ja ſpaͤterhin bereut und zuruͤckgenom¬
men! Warum iſt dies nicht beachtet? Wie ſchwer
man, auch bei dem redlichſten Willen und ſtrengſten
Eifer, in dergleichen Eroͤrterungen und Zuſammenſtellun¬
gen die Gefahr vermeidet ſich in Irrungen zu verwickeln,
beweiſt eine andre Stelle unſrer Schrift, wo es heißt:
„Friedrich der Zweite macht ſein eignes Zeugniß zwei¬
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/456>, abgerufen am 22.11.2024.
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