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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

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lebhaftesten Antheils, der beseeltesten Verehrung, welche
mehr und mehr für unsre großen Namen sich erheben.
Die Bildsäulen, deren Errichtung im Werk oder im
Vorschlag ist, die Denkwürdigkeiten und Briefwechsel,
welche von Jahr zu Jahr den Schatz unsrer Lebens¬
kunde mehren, beweisen eine ganz entgegengesetzte Rich¬
tung, welche den Ertrag und das Werk des Geistes
nicht kalt absondern und dahinnehmen, sondern vielmehr
den Zusammenhang mit der Wärme und Frische des
persönlichen Daseins, aus dem sie hervorgegangen sind,
eifrig bewahren will. Unter diesen Gesichtspunkt dür¬
fen wir auch das Unternehmen stellen, welches sich in
dem vorliegenden ersten Hefte glücklich ankündigt.

Der hohe Werth der Handschrift, ihre unerschöpf¬
liche Verschiedenheit und Eigenthümlichkeit, und ihre
tiefen Bezüge auf ein darin offenbar und geheim aus¬
gedrücktes Innere, stehen heutiges Tages in allgemei¬
ner Anerkennung fest. Nach dem Abbilde der Person
selbst, wie der Mahler oder der Bildhauer es giebt,
ruft kein andres Mittel so unfehlbar und bestimmt uns
die Gegenwart eines Menschen hervor, als sein geschrie¬
benes Wort, worin der Ausdruck seines geistigen We¬
sens mit seiner leiblichen Eigenschaft zusammenfließt.
Der Reichthum sinniger Unterhaltung und fruchtbarer
Einsicht, welche durch den Anblick handschriftlicher Denk¬
male hervorzurufen sind, wird jedoch erst recht klar,
wenn größere Sammlungen mit vollständiger Wahl an¬

lebhafteſten Antheils, der beſeelteſten Verehrung, welche
mehr und mehr fuͤr unſre großen Namen ſich erheben.
Die Bildſaͤulen, deren Errichtung im Werk oder im
Vorſchlag iſt, die Denkwuͤrdigkeiten und Briefwechſel,
welche von Jahr zu Jahr den Schatz unſrer Lebens¬
kunde mehren, beweiſen eine ganz entgegengeſetzte Rich¬
tung, welche den Ertrag und das Werk des Geiſtes
nicht kalt abſondern und dahinnehmen, ſondern vielmehr
den Zuſammenhang mit der Waͤrme und Friſche des
perſoͤnlichen Daſeins, aus dem ſie hervorgegangen ſind,
eifrig bewahren will. Unter dieſen Geſichtspunkt duͤr¬
fen wir auch das Unternehmen ſtellen, welches ſich in
dem vorliegenden erſten Hefte gluͤcklich ankuͤndigt.

Der hohe Werth der Handſchrift, ihre unerſchoͤpf¬
liche Verſchiedenheit und Eigenthuͤmlichkeit, und ihre
tiefen Bezuͤge auf ein darin offenbar und geheim aus¬
gedruͤcktes Innere, ſtehen heutiges Tages in allgemei¬
ner Anerkennung feſt. Nach dem Abbilde der Perſon
ſelbſt, wie der Mahler oder der Bildhauer es giebt,
ruft kein andres Mittel ſo unfehlbar und beſtimmt uns
die Gegenwart eines Menſchen hervor, als ſein geſchrie¬
benes Wort, worin der Ausdruck ſeines geiſtigen We¬
ſens mit ſeiner leiblichen Eigenſchaft zuſammenfließt.
Der Reichthum ſinniger Unterhaltung und fruchtbarer
Einſicht, welche durch den Anblick handſchriftlicher Denk¬
male hervorzurufen ſind, wird jedoch erſt recht klar,
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[472/0486] lebhafteſten Antheils, der beſeelteſten Verehrung, welche mehr und mehr fuͤr unſre großen Namen ſich erheben. Die Bildſaͤulen, deren Errichtung im Werk oder im Vorſchlag iſt, die Denkwuͤrdigkeiten und Briefwechſel, welche von Jahr zu Jahr den Schatz unſrer Lebens¬ kunde mehren, beweiſen eine ganz entgegengeſetzte Rich¬ tung, welche den Ertrag und das Werk des Geiſtes nicht kalt abſondern und dahinnehmen, ſondern vielmehr den Zuſammenhang mit der Waͤrme und Friſche des perſoͤnlichen Daſeins, aus dem ſie hervorgegangen ſind, eifrig bewahren will. Unter dieſen Geſichtspunkt duͤr¬ fen wir auch das Unternehmen ſtellen, welches ſich in dem vorliegenden erſten Hefte gluͤcklich ankuͤndigt. Der hohe Werth der Handſchrift, ihre unerſchoͤpf¬ liche Verſchiedenheit und Eigenthuͤmlichkeit, und ihre tiefen Bezuͤge auf ein darin offenbar und geheim aus¬ gedruͤcktes Innere, ſtehen heutiges Tages in allgemei¬ ner Anerkennung feſt. Nach dem Abbilde der Perſon ſelbſt, wie der Mahler oder der Bildhauer es giebt, ruft kein andres Mittel ſo unfehlbar und beſtimmt uns die Gegenwart eines Menſchen hervor, als ſein geſchrie¬ benes Wort, worin der Ausdruck ſeines geiſtigen We¬ ſens mit ſeiner leiblichen Eigenſchaft zuſammenfließt. Der Reichthum ſinniger Unterhaltung und fruchtbarer Einſicht, welche durch den Anblick handſchriftlicher Denk¬ male hervorzurufen ſind, wird jedoch erſt recht klar, wenn groͤßere Sammlungen mit vollſtaͤndiger Wahl an¬

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/486>, abgerufen am 22.11.2024.