Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
Den erstaunten Blicken Eos, die Verkündigerin des Tags,
Und in Purpurschein der Meerfluth und des feierlichen Gewölks
Hochflattert schwer am Mastbaum von den Zephyren unerfüllt
Das benetzte Segel, weit senkt sich der Wimpel drüber hin.
Wie der frohe Schwarm die Windstill' und dem frendlicheren
Gestad
Sich genahet schaut, hinabstürzt zu den Rudern er ungesäumt,
Und die Fluth wie Silber aufblitzt in gemeßnem Ruderschlag;
Und der hohe Bord auf einmal mit Belaubungen sich erfüllt,
An den Rudern schmieget abwärts sich ein wonnigliches Gewind,
Wo der Eiche Laub und Epheu sich verflochten mit dem
Gezweig
Der Platan' und Myrth' und Weinreb' in dem grünenden La¬
byrinth;
Und der Mast ergrünt als Palmbaum und es schlinget ihm um
das Haupt
Die Viol' und Ros' und Krokus und die Lilie sich zum Kranz.
Und o Wunder! welch ein Anblick! von Belaubungen überdeckt
Ist entschwunden alles Holzwerk: o wie zauberische Gewalt,
Die der Blumen Füll' und Laubgrün so gestaltete zu dem
Schiff!
Heil! Heil! o starker Fährmann! so erschallet von dem Gestad
Dir die huldigende Begrüßung, und von Tausenden wiederholt
Schwingt fern, o Voß, dein Lobpreis zu den Höhen sich des
Gebirgs,
Zu der dunklen Waldeseinöd', und dem königlichen Pallast.
Heil, kühner Mann, der muthvoll den Gefahren du dich
ergabst.
Aus der Tempelgrotte Delphi's die Orakel uns zu empfahn,
Und der trauervollen Heimath die Erleuchtungen des Gesangs,
Die ein Gott den Söhnen Hellas austheilete, zu verleihn.
II. 32
Den erſtaunten Blicken Eos, die Verkuͤndigerin des Tags,
Und in Purpurſchein der Meerfluth und des feierlichen Gewoͤlks
Hochflattert ſchwer am Maſtbaum von den Zephyren unerfuͤllt
Das benetzte Segel, weit ſenkt ſich der Wimpel druͤber hin.
Wie der frohe Schwarm die Windſtill’ und dem frendlicheren
Geſtad
Sich genahet ſchaut, hinabſtuͤrzt zu den Rudern er ungeſaͤumt,
Und die Fluth wie Silber aufblitzt in gemeßnem Ruderſchlag;
Und der hohe Bord auf einmal mit Belaubungen ſich erfuͤllt,
An den Rudern ſchmieget abwaͤrts ſich ein wonnigliches Gewind,
Wo der Eiche Laub und Epheu ſich verflochten mit dem
Gezweig
Der Platan’ und Myrth’ und Weinreb’ in dem gruͤnenden La¬
byrinth;
Und der Maſt ergruͤnt als Palmbaum und es ſchlinget ihm um
das Haupt
Die Viol’ und Roſ’ und Krokus und die Lilie ſich zum Kranz.
Und o Wunder! welch ein Anblick! von Belaubungen uͤberdeckt
Iſt entſchwunden alles Holzwerk: o wie zauberiſche Gewalt,
Die der Blumen Fuͤll’ und Laubgruͤn ſo geſtaltete zu dem
Schiff!
Heil! Heil! o ſtarker Faͤhrmann! ſo erſchallet von dem Geſtad
Dir die huldigende Begruͤßung, und von Tauſenden wiederholt
Schwingt fern, o Voß, dein Lobpreis zu den Hoͤhen ſich des
Gebirgs,
Zu der dunklen Waldeseinoͤd’, und dem koͤniglichen Pallaſt.
Heil, kuͤhner Mann, der muthvoll den Gefahren du dich
ergabſt.
Aus der Tempelgrotte Delphi’s die Orakel uns zu empfahn,
Und der trauervollen Heimath die Erleuchtungen des Geſangs,
Die ein Gott den Soͤhnen Hellas austheilete, zu verleihn.
II. 32
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0511" n="497"/>
            <lg n="2">
              <l>Den er&#x017F;taunten Blicken Eos, die Verku&#x0364;ndigerin des Tags,</l><lb/>
              <l>Und in Purpur&#x017F;chein der Meerfluth und des feierlichen Gewo&#x0364;lks</l><lb/>
              <l>Hochflattert &#x017F;chwer am Ma&#x017F;tbaum von den Zephyren unerfu&#x0364;llt</l><lb/>
              <l>Das benetzte Segel, weit &#x017F;enkt &#x017F;ich der Wimpel dru&#x0364;ber hin.</l><lb/>
              <l>Wie der frohe Schwarm die Wind&#x017F;till&#x2019; und dem frendlicheren</l><lb/>
              <l>Ge&#x017F;tad</l><lb/>
              <l>Sich genahet &#x017F;chaut, hinab&#x017F;tu&#x0364;rzt zu den Rudern er unge&#x017F;a&#x0364;umt,</l><lb/>
              <l>Und die Fluth wie Silber aufblitzt in gemeßnem Ruder&#x017F;chlag;</l><lb/>
              <l>Und der hohe Bord auf einmal mit Belaubungen &#x017F;ich erfu&#x0364;llt,</l><lb/>
              <l>An den Rudern &#x017F;chmieget abwa&#x0364;rts &#x017F;ich ein wonnigliches Gewind,</l><lb/>
              <l>Wo der Eiche Laub und Epheu &#x017F;ich verflochten mit dem</l><lb/>
              <l>Gezweig</l><lb/>
              <l>Der Platan&#x2019; und Myrth&#x2019; und Weinreb&#x2019; in dem gru&#x0364;nenden La¬</l><lb/>
              <l>byrinth;</l><lb/>
              <l>Und der Ma&#x017F;t ergru&#x0364;nt als Palmbaum und es &#x017F;chlinget ihm um</l><lb/>
              <l>das Haupt</l><lb/>
              <l>Die Viol&#x2019; und Ro&#x017F;&#x2019; und Krokus und die Lilie &#x017F;ich zum Kranz.</l><lb/>
              <l>Und o Wunder! welch ein Anblick! von Belaubungen u&#x0364;berdeckt</l><lb/>
              <l>I&#x017F;t ent&#x017F;chwunden alles Holzwerk: o wie zauberi&#x017F;che Gewalt,</l><lb/>
              <l>Die der Blumen Fu&#x0364;ll&#x2019; und Laubgru&#x0364;n &#x017F;o ge&#x017F;taltete zu dem</l><lb/>
              <l>Schiff!</l><lb/>
              <l>Heil! Heil! o &#x017F;tarker Fa&#x0364;hrmann! &#x017F;o er&#x017F;challet von dem Ge&#x017F;tad</l><lb/>
              <l>Dir die huldigende Begru&#x0364;ßung, und von Tau&#x017F;enden wiederholt</l><lb/>
              <l>Schwingt fern, o Voß, dein Lobpreis zu den Ho&#x0364;hen &#x017F;ich des</l><lb/>
              <l>Gebirgs,</l><lb/>
              <l>Zu der dunklen Waldeseino&#x0364;d&#x2019;, und dem ko&#x0364;niglichen Palla&#x017F;t.</l><lb/>
              <l>Heil, ku&#x0364;hner Mann, der muthvoll den Gefahren du dich</l><lb/>
              <l>ergab&#x017F;t.</l><lb/>
              <l>Aus der Tempelgrotte Delphi&#x2019;s die Orakel uns zu empfahn,</l><lb/>
              <l>Und der trauervollen Heimath die Erleuchtungen des Ge&#x017F;angs,</l><lb/>
              <l>Die ein Gott den So&#x0364;hnen Hellas austheilete, zu verleihn.</l><lb/>
            </lg>
            <fw place="bottom" type="sig">II. <hi rendition="#b">32</hi><lb/></fw>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[497/0511] Den erſtaunten Blicken Eos, die Verkuͤndigerin des Tags, Und in Purpurſchein der Meerfluth und des feierlichen Gewoͤlks Hochflattert ſchwer am Maſtbaum von den Zephyren unerfuͤllt Das benetzte Segel, weit ſenkt ſich der Wimpel druͤber hin. Wie der frohe Schwarm die Windſtill’ und dem frendlicheren Geſtad Sich genahet ſchaut, hinabſtuͤrzt zu den Rudern er ungeſaͤumt, Und die Fluth wie Silber aufblitzt in gemeßnem Ruderſchlag; Und der hohe Bord auf einmal mit Belaubungen ſich erfuͤllt, An den Rudern ſchmieget abwaͤrts ſich ein wonnigliches Gewind, Wo der Eiche Laub und Epheu ſich verflochten mit dem Gezweig Der Platan’ und Myrth’ und Weinreb’ in dem gruͤnenden La¬ byrinth; Und der Maſt ergruͤnt als Palmbaum und es ſchlinget ihm um das Haupt Die Viol’ und Roſ’ und Krokus und die Lilie ſich zum Kranz. Und o Wunder! welch ein Anblick! von Belaubungen uͤberdeckt Iſt entſchwunden alles Holzwerk: o wie zauberiſche Gewalt, Die der Blumen Fuͤll’ und Laubgruͤn ſo geſtaltete zu dem Schiff! Heil! Heil! o ſtarker Faͤhrmann! ſo erſchallet von dem Geſtad Dir die huldigende Begruͤßung, und von Tauſenden wiederholt Schwingt fern, o Voß, dein Lobpreis zu den Hoͤhen ſich des Gebirgs, Zu der dunklen Waldeseinoͤd’, und dem koͤniglichen Pallaſt. Heil, kuͤhner Mann, der muthvoll den Gefahren du dich ergabſt. Aus der Tempelgrotte Delphi’s die Orakel uns zu empfahn, Und der trauervollen Heimath die Erleuchtungen des Geſangs, Die ein Gott den Soͤhnen Hellas austheilete, zu verleihn. II. 32

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/511
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/511>, abgerufen am 22.11.2024.