in Wohlleben bestehe. Seine Munterkeit gefiel sich im Anstößigen und im Schadenfrohen, und so sehr uns Andern dies widrig war, so sehr unterhielt es den Hausherrn, dem der kecke Ton des Gesellen fast nicht weniger imponirte, als die Sendung, auf welcher der¬ selbe jetzt begriffen war, und die er ihm als altem guten Freunde nicht hatte verhehlen wollen. Er befand sich nämlich auf einer Reise nach Warschau, mit ge¬ heimen Aufträgen Bonaparte's und großen Vollmachten und Kreditbriefen versehen, um den dort wohnenden französischen Kronprätendenten, nachherigen König Lud¬ wig den Achtzehnten, zu versuchen, ob er gegen große Geldvortheile, die ihm Bonaparte anbieten ließ, zu dessen Gunsten auf die Krone von Frankreich würde verzichten wollen. Gleich nach der Abreise des Gold¬ smith vertraute mir der Hausherr dies Geheimniß, wo¬ durch er, zur Berichtigung meines geringschätzigen Ur¬ theils, seinen Freund mir recht hoch zu stellen meinte. In der That war die Sache bedeutend, und sehr ge¬ heim; sie gab einen frühzeitigen Blick in die damals noch sorgsam verhüllten Plane des Ersten Konsuls, und man hat später den Vorgang läugnen wollen. Der Mann kam nach einiger Zeit von Warschau zurück, ich sah ihn auch dann wieder, aber nur flüchtig, seine mißmuthige Eile ließ genug errathen, daß er keinen Erfolg gehabt, wie denn auch seine eigne Aussage be¬ stätigte. Mir war in meiner damaligen Stimmung
in Wohlleben beſtehe. Seine Munterkeit gefiel ſich im Anſtoͤßigen und im Schadenfrohen, und ſo ſehr uns Andern dies widrig war, ſo ſehr unterhielt es den Hausherrn, dem der kecke Ton des Geſellen faſt nicht weniger imponirte, als die Sendung, auf welcher der¬ ſelbe jetzt begriffen war, und die er ihm als altem guten Freunde nicht hatte verhehlen wollen. Er befand ſich naͤmlich auf einer Reiſe nach Warſchau, mit ge¬ heimen Auftraͤgen Bonaparte’s und großen Vollmachten und Kreditbriefen verſehen, um den dort wohnenden franzoͤſiſchen Kronpraͤtendenten, nachherigen Koͤnig Lud¬ wig den Achtzehnten, zu verſuchen, ob er gegen große Geldvortheile, die ihm Bonaparte anbieten ließ, zu deſſen Gunſten auf die Krone von Frankreich wuͤrde verzichten wollen. Gleich nach der Abreiſe des Gold¬ ſmith vertraute mir der Hausherr dies Geheimniß, wo¬ durch er, zur Berichtigung meines geringſchaͤtzigen Ur¬ theils, ſeinen Freund mir recht hoch zu ſtellen meinte. In der That war die Sache bedeutend, und ſehr ge¬ heim; ſie gab einen fruͤhzeitigen Blick in die damals noch ſorgſam verhuͤllten Plane des Erſten Konſuls, und man hat ſpaͤter den Vorgang laͤugnen wollen. Der Mann kam nach einiger Zeit von Warſchau zuruͤck, ich ſah ihn auch dann wieder, aber nur fluͤchtig, ſeine mißmuthige Eile ließ genug errathen, daß er keinen Erfolg gehabt, wie denn auch ſeine eigne Ausſage be¬ ſtaͤtigte. Mir war in meiner damaligen Stimmung
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in Wohlleben beſtehe. Seine Munterkeit gefiel ſich im
Anſtoͤßigen und im Schadenfrohen, und ſo ſehr uns
Andern dies widrig war, ſo ſehr unterhielt es den
Hausherrn, dem der kecke Ton des Geſellen faſt nicht
weniger imponirte, als die Sendung, auf welcher der¬
ſelbe jetzt begriffen war, und die er ihm als altem
guten Freunde nicht hatte verhehlen wollen. Er befand
ſich naͤmlich auf einer Reiſe nach Warſchau, mit ge¬
heimen Auftraͤgen Bonaparte’s und großen Vollmachten
und Kreditbriefen verſehen, um den dort wohnenden
franzoͤſiſchen Kronpraͤtendenten, nachherigen Koͤnig Lud¬
wig den Achtzehnten, zu verſuchen, ob er gegen große
Geldvortheile, die ihm Bonaparte anbieten ließ, zu
deſſen Gunſten auf die Krone von Frankreich wuͤrde
verzichten wollen. Gleich nach der Abreiſe des Gold¬
ſmith vertraute mir der Hausherr dies Geheimniß, wo¬
durch er, zur Berichtigung meines geringſchaͤtzigen Ur¬
theils, ſeinen Freund mir recht hoch zu ſtellen meinte.
In der That war die Sache bedeutend, und ſehr ge¬
heim; ſie gab einen fruͤhzeitigen Blick in die damals
noch ſorgſam verhuͤllten Plane des Erſten Konſuls,
und man hat ſpaͤter den Vorgang laͤugnen wollen.
Der Mann kam nach einiger Zeit von Warſchau zuruͤck,
ich ſah ihn auch dann wieder, aber nur fluͤchtig, ſeine
mißmuthige Eile ließ genug errathen, daß er keinen
Erfolg gehabt, wie denn auch ſeine eigne Ausſage be¬
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/58>, abgerufen am 23.11.2024.
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