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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

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ridicules, die er sehr artig bearbeitet und den neuesten
Thorheiten angepaßt hatte. Wir waren sämmtlich im
Theater, und obwohl die Ausfälle auf die neue Schule und
besonders das Lächerlichmachen der Sonettform und der
Assonanzen im Alarcos uns zum Theil nicht behagten,
so dachten wir doch schon partheiisch genug, um darüber
hinzusehen und durch vereintes Klatschen sowohl das
Einzelne wie das Ganze gegen Wind und Wetter durch¬
zubringen. Nach geendigtem Schauspiel gingen wir zum
Italiäner, ließen Punsch und süße Weine geben, und
berauschten uns mehr noch als in diesen in unsern eige¬
nen Reden, Stegreifgedichten und theatralischen Auf¬
tritten. Ich zog im erhitzten Taumel Chamisso's Degen,
und als man mich entwaffnen wollte, wurde Lafoye an
der Hand geritzt, glücklicherweise nicht bedeutend, auch
ging der Abend ungestört fort, bis tief in die Nacht,
wovon mir weiter keine Erinnerung blieb, und ein paar
wüste Tage die strafende Folge waren.

Der Winter war unter solchen Freuden und Fahr¬
ten verstrichen und ein neuer Frühling angebrochen.
Unsrer Dichtergenossenschaft aber drohte, nachdem sie
kaum sich recht einzuleben angefangen, leider auch schon
ein nahes Auseinandergehen. Hitzig wurde durch seine
juristische Laufbahn von Berlin nach Warschau entführt,
Theremin sollte in Genf seine geistlichen Weihen empfan¬
gen, Koreff wollte nach Halle zurückkehren um zu pro¬
moviren, Lafoye erhielt die Nachricht von dem Todesfall

ridicules, die er ſehr artig bearbeitet und den neueſten
Thorheiten angepaßt hatte. Wir waren ſaͤmmtlich im
Theater, und obwohl die Ausfaͤlle auf die neue Schule und
beſonders das Laͤcherlichmachen der Sonettform und der
Aſſonanzen im Alarcos uns zum Theil nicht behagten,
ſo dachten wir doch ſchon partheiiſch genug, um daruͤber
hinzuſehen und durch vereintes Klatſchen ſowohl das
Einzelne wie das Ganze gegen Wind und Wetter durch¬
zubringen. Nach geendigtem Schauſpiel gingen wir zum
Italiaͤner, ließen Punſch und ſuͤße Weine geben, und
berauſchten uns mehr noch als in dieſen in unſern eige¬
nen Reden, Stegreifgedichten und theatraliſchen Auf¬
tritten. Ich zog im erhitzten Taumel Chamiſſo’s Degen,
und als man mich entwaffnen wollte, wurde Lafoye an
der Hand geritzt, gluͤcklicherweiſe nicht bedeutend, auch
ging der Abend ungeſtoͤrt fort, bis tief in die Nacht,
wovon mir weiter keine Erinnerung blieb, und ein paar
wuͤſte Tage die ſtrafende Folge waren.

Der Winter war unter ſolchen Freuden und Fahr¬
ten verſtrichen und ein neuer Fruͤhling angebrochen.
Unſrer Dichtergenoſſenſchaft aber drohte, nachdem ſie
kaum ſich recht einzuleben angefangen, leider auch ſchon
ein nahes Auseinandergehen. Hitzig wurde durch ſeine
juriſtiſche Laufbahn von Berlin nach Warſchau entfuͤhrt,
Theremin ſollte in Genf ſeine geiſtlichen Weihen empfan¬
gen, Koreff wollte nach Halle zuruͤckkehren um zu pro¬
moviren, Lafoye erhielt die Nachricht von dem Todesfall

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[61/0075] ridicules, die er ſehr artig bearbeitet und den neueſten Thorheiten angepaßt hatte. Wir waren ſaͤmmtlich im Theater, und obwohl die Ausfaͤlle auf die neue Schule und beſonders das Laͤcherlichmachen der Sonettform und der Aſſonanzen im Alarcos uns zum Theil nicht behagten, ſo dachten wir doch ſchon partheiiſch genug, um daruͤber hinzuſehen und durch vereintes Klatſchen ſowohl das Einzelne wie das Ganze gegen Wind und Wetter durch¬ zubringen. Nach geendigtem Schauſpiel gingen wir zum Italiaͤner, ließen Punſch und ſuͤße Weine geben, und berauſchten uns mehr noch als in dieſen in unſern eige¬ nen Reden, Stegreifgedichten und theatraliſchen Auf¬ tritten. Ich zog im erhitzten Taumel Chamiſſo’s Degen, und als man mich entwaffnen wollte, wurde Lafoye an der Hand geritzt, gluͤcklicherweiſe nicht bedeutend, auch ging der Abend ungeſtoͤrt fort, bis tief in die Nacht, wovon mir weiter keine Erinnerung blieb, und ein paar wuͤſte Tage die ſtrafende Folge waren. Der Winter war unter ſolchen Freuden und Fahr¬ ten verſtrichen und ein neuer Fruͤhling angebrochen. Unſrer Dichtergenoſſenſchaft aber drohte, nachdem ſie kaum ſich recht einzuleben angefangen, leider auch ſchon ein nahes Auseinandergehen. Hitzig wurde durch ſeine juriſtiſche Laufbahn von Berlin nach Warſchau entfuͤhrt, Theremin ſollte in Genf ſeine geiſtlichen Weihen empfan¬ gen, Koreff wollte nach Halle zuruͤckkehren um zu pro¬ moviren, Lafoye erhielt die Nachricht von dem Todesfall

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/75>, abgerufen am 23.11.2024.