Jacobi nach München ab, und ich habe ihn nicht wieder¬ gesehen, noch mit ihm eine weitre Verbindung gehabt. Der edle Eindruck aber seiner schönen hohen Gestalt, der geistreichmilden Gesichtszüge, der eindringlich ange¬ nehmen Rede und der würdigen und feinen Weltbildung, kann mir niemals erlöschen. In seiner Erscheinung war die Vornehmheit eines Weisen und eines Staats¬ mannes vereinigt, wobei doch sein Gemüth einige Reizung verrieth, die auf einen, weder dem Geiste noch der Lei¬ denschaft nach, völlig beruhigten Zustand deutete, wel¬ chen er gleichwohl in sich zu haben und nach außen darzustellen nicht aufgeben konnte. Sein persönlicher Um¬ gang aber war so anmuthig und gewinnend, daß auch entschiedene Gegner, wie Tieck und Schleiermacher, ihren früheren litterarischen Urtheilen zum Trotz, bei persön¬ lichem Besuch in München als seine innigen Verehrer von ihm geschieden sind. Neumann kam gegen Ende des März nach Hamburg. Mit welchem Entzücken nahm ich ihn auf, welch erhöhtes Leben brachte mir seine Gegenwart! Jetzt war ich wieder in unmittelbarem Zusammenhange mit allem, was ich in Berlin gewonnen hatte, und alles, was mich in Hamburg umgab, wurde mir freundlicher. Auch er schien unser Zusammensein als ein Glück zu empfinden, und vermehrte dadurch das meinige. Er fand mich übrigens in dem angedeuteten Zuge des Griechischlernens, und säumte nicht sich an¬ zuschließen, ich führte ihn zu Gurlitt, der einen zweiten
Jacobi nach Muͤnchen ab, und ich habe ihn nicht wieder¬ geſehen, noch mit ihm eine weitre Verbindung gehabt. Der edle Eindruck aber ſeiner ſchoͤnen hohen Geſtalt, der geiſtreichmilden Geſichtszuͤge, der eindringlich ange¬ nehmen Rede und der wuͤrdigen und feinen Weltbildung, kann mir niemals erloͤſchen. In ſeiner Erſcheinung war die Vornehmheit eines Weiſen und eines Staats¬ mannes vereinigt, wobei doch ſein Gemuͤth einige Reizung verrieth, die auf einen, weder dem Geiſte noch der Lei¬ denſchaft nach, voͤllig beruhigten Zuſtand deutete, wel¬ chen er gleichwohl in ſich zu haben und nach außen darzuſtellen nicht aufgeben konnte. Sein perſoͤnlicher Um¬ gang aber war ſo anmuthig und gewinnend, daß auch entſchiedene Gegner, wie Tieck und Schleiermacher, ihren fruͤheren litterariſchen Urtheilen zum Trotz, bei perſoͤn¬ lichem Beſuch in Muͤnchen als ſeine innigen Verehrer von ihm geſchieden ſind. Neumann kam gegen Ende des Maͤrz nach Hamburg. Mit welchem Entzuͤcken nahm ich ihn auf, welch erhoͤhtes Leben brachte mir ſeine Gegenwart! Jetzt war ich wieder in unmittelbarem Zuſammenhange mit allem, was ich in Berlin gewonnen hatte, und alles, was mich in Hamburg umgab, wurde mir freundlicher. Auch er ſchien unſer Zuſammenſein als ein Gluͤck zu empfinden, und vermehrte dadurch das meinige. Er fand mich uͤbrigens in dem angedeuteten Zuge des Griechiſchlernens, und ſaͤumte nicht ſich an¬ zuſchließen, ich fuͤhrte ihn zu Gurlitt, der einen zweiten
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Jacobi nach Muͤnchen ab, und ich habe ihn nicht wieder¬
geſehen, noch mit ihm eine weitre Verbindung gehabt.
Der edle Eindruck aber ſeiner ſchoͤnen hohen Geſtalt,
der geiſtreichmilden Geſichtszuͤge, der eindringlich ange¬
nehmen Rede und der wuͤrdigen und feinen Weltbildung,
kann mir niemals erloͤſchen. In ſeiner Erſcheinung
war die Vornehmheit eines Weiſen und eines Staats¬
mannes vereinigt, wobei doch ſein Gemuͤth einige Reizung
verrieth, die auf einen, weder dem Geiſte noch der Lei¬
denſchaft nach, voͤllig beruhigten Zuſtand deutete, wel¬
chen er gleichwohl in ſich zu haben und nach außen
darzuſtellen nicht aufgeben konnte. Sein perſoͤnlicher Um¬
gang aber war ſo anmuthig und gewinnend, daß auch
entſchiedene Gegner, wie Tieck und Schleiermacher, ihren
fruͤheren litterariſchen Urtheilen zum Trotz, bei perſoͤn¬
lichem Beſuch in Muͤnchen als ſeine innigen Verehrer
von ihm geſchieden ſind. Neumann kam gegen Ende
des Maͤrz nach Hamburg. Mit welchem Entzuͤcken nahm
ich ihn auf, welch erhoͤhtes Leben brachte mir ſeine
Gegenwart! Jetzt war ich wieder in unmittelbarem
Zuſammenhange mit allem, was ich in Berlin gewonnen
hatte, und alles, was mich in Hamburg umgab, wurde
mir freundlicher. Auch er ſchien unſer Zuſammenſein
als ein Gluͤck zu empfinden, und vermehrte dadurch das
meinige. Er fand mich uͤbrigens in dem angedeuteten
Zuge des Griechiſchlernens, und ſaͤumte nicht ſich an¬
zuſchließen, ich fuͤhrte ihn zu Gurlitt, der einen zweiten
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/89>, abgerufen am 23.11.2024.
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