gleich so vielen andern Westphalen auch seinen eignen Bruder noch in österreichischem Kriegsdienste zu wissen. Wir sahen dann auch die Familie Droste von Vischering, welche in Münster durch ihre altbegründeten Verhält¬ nisse und strengkatholischen Gesinnungen in höchstem Ansehen stand, und dieses unter den französischen Be¬ hörden zu behaupten wußte. Zu dem Grafen Friedrich Leopold zu Stolberg, der, bald nach seinem Uebertritt zur katholischen Kirche, hier hauptsächlich der Familie von Droste wegen seinen Wohnsitz genommen hatte, mochte ich nicht mitgehen; es that mir leid, ihn zu versäumen, und doch hatte ich keine Stimmung für ihn, ich konnte mir sein ganzes Verhältniß zur Welt nur als getrübt und verschoben denken. Was die Andern von ihrer mit ihm gehabten Unterhaltung nachher erzähl¬ ten, veränderte diese Meinung nicht. Er zeigte sich von dem stärksten Hasse gegen die Franzosen und ganz be¬ sonders gegen Napoleon erfüllt; allein wie sehr auch hierbei die Triebfedern rege waren, die er als Deutscher, und wieder besonders als deutscher Graf empfand, so war ihm doch jetzt bei weitem die Hauptsache, daß Na¬ poleon vom Papste in den Bann gethan war, ein Um¬ stand, der damals im Münsterlande, trotz aller Aufsicht der Franzosen, durch die Geistlichen heimlich im Volke recht bekannt und besprochen wurde. Also wenn Napoleon, so durfte man fragen, nur den Papst zufrieden stellte, und dieser etwa, wie er ihn schon krönen helfen, ihm
gleich ſo vielen andern Weſtphalen auch ſeinen eignen Bruder noch in oͤſterreichiſchem Kriegsdienſte zu wiſſen. Wir ſahen dann auch die Familie Droſte von Viſchering, welche in Muͤnſter durch ihre altbegruͤndeten Verhaͤlt¬ niſſe und ſtrengkatholiſchen Geſinnungen in hoͤchſtem Anſehen ſtand, und dieſes unter den franzoͤſiſchen Be¬ hoͤrden zu behaupten wußte. Zu dem Grafen Friedrich Leopold zu Stolberg, der, bald nach ſeinem Uebertritt zur katholiſchen Kirche, hier hauptſaͤchlich der Familie von Droſte wegen ſeinen Wohnſitz genommen hatte, mochte ich nicht mitgehen; es that mir leid, ihn zu verſaͤumen, und doch hatte ich keine Stimmung fuͤr ihn, ich konnte mir ſein ganzes Verhaͤltniß zur Welt nur als getruͤbt und verſchoben denken. Was die Andern von ihrer mit ihm gehabten Unterhaltung nachher erzaͤhl¬ ten, veraͤnderte dieſe Meinung nicht. Er zeigte ſich von dem ſtaͤrkſten Haſſe gegen die Franzoſen und ganz be¬ ſonders gegen Napoleon erfuͤllt; allein wie ſehr auch hierbei die Triebfedern rege waren, die er als Deutſcher, und wieder beſonders als deutſcher Graf empfand, ſo war ihm doch jetzt bei weitem die Hauptſache, daß Na¬ poleon vom Papſte in den Bann gethan war, ein Um¬ ſtand, der damals im Muͤnſterlande, trotz aller Aufſicht der Franzoſen, durch die Geiſtlichen heimlich im Volke recht bekannt und beſprochen wurde. Alſo wenn Napoleon, ſo durfte man fragen, nur den Papſt zufrieden ſtellte, und dieſer etwa, wie er ihn ſchon kroͤnen helfen, ihm
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gleich ſo vielen andern Weſtphalen auch ſeinen eignen
Bruder noch in oͤſterreichiſchem Kriegsdienſte zu wiſſen.
Wir ſahen dann auch die Familie Droſte von Viſchering,
welche in Muͤnſter durch ihre altbegruͤndeten Verhaͤlt¬
niſſe und ſtrengkatholiſchen Geſinnungen in hoͤchſtem
Anſehen ſtand, und dieſes unter den franzoͤſiſchen Be¬
hoͤrden zu behaupten wußte. Zu dem Grafen Friedrich
Leopold zu Stolberg, der, bald nach ſeinem Uebertritt
zur katholiſchen Kirche, hier hauptſaͤchlich der Familie
von Droſte wegen ſeinen Wohnſitz genommen hatte,
mochte ich nicht mitgehen; es that mir leid, ihn zu
verſaͤumen, und doch hatte ich keine Stimmung fuͤr ihn,
ich konnte mir ſein ganzes Verhaͤltniß zur Welt nur
als getruͤbt und verſchoben denken. Was die Andern
von ihrer mit ihm gehabten Unterhaltung nachher erzaͤhl¬
ten, veraͤnderte dieſe Meinung nicht. Er zeigte ſich von
dem ſtaͤrkſten Haſſe gegen die Franzoſen und ganz be¬
ſonders gegen Napoleon erfuͤllt; allein wie ſehr auch
hierbei die Triebfedern rege waren, die er als Deutſcher,
und wieder beſonders als deutſcher Graf empfand, ſo
war ihm doch jetzt bei weitem die Hauptſache, daß Na¬
poleon vom Papſte in den Bann gethan war, ein Um¬
ſtand, der damals im Muͤnſterlande, trotz aller Aufſicht
der Franzoſen, durch die Geiſtlichen heimlich im Volke
recht bekannt und beſprochen wurde. Alſo wenn Napoleon,
ſo durfte man fragen, nur den Papſt zufrieden ſtellte,
und dieſer etwa, wie er ihn ſchon kroͤnen helfen, ihm
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/166>, abgerufen am 21.11.2024.
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