Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

nehmen glaubte, jeder Zweifel, der sich zu äußern wagte,
steigerte seinen Eifer und er nahm sich die Geduld, in
die ausführlichsten Erläuterungen einzugehen. Bei sol¬
cher Gelegenheit fehlte es nicht an persönlichen Bemer¬
kungen, besonders über preußische Staatsbeamte, und
die Kritik ihrer Handlungen gab ihm noch mehr
Herzenserleichterung, als mir Belehrung, wobei mir
nicht entging, daß in der Sache und in der Form seine
raschen Aussprüche als parlamentarische Opposition oft
von außerordentlicher Wirkung hätte sein müssen. In
seinen Lieblingsvorstellungen ganz ritterlich gesinnt, auf
einen starken und reichen Adel haltend, war Stein zu¬
gleich der eifrigste Bauernfreund, und wollte den Land¬
mann durchaus frei und selbstständig wissen. In diesem
Betreff rühmte er die neue preußische Gesetzgebung, die
zwar nicht, wie man fast allgemein geglaubt, von ihm
ausgegangen war, aber doch jede Förderung erhalten
hatte. Hierbei kam er auf die Verdienste des in Königs¬
berg verstorbenen Professor Kraus, dessen Schriften er
mir gab und empfahl, und den er gegen neuere Angriffe
mit Zorn vertheidigte. In Berlin nämlich gab damals
Heinrich von Kleist deutsche Blätter heraus, in welchen
Adam Müller den Werth von Kraus sehr herabsetzte,
und ihn für einen bloßen Nachsprecher Adam Smith's
erklärte, dessen Grundsätze, als den Gewerbefleiß zum
Nachtheil des Adels begünstigend, schon nicht mehr gel¬
ten sollten. Stein aber sagte von Kraus: "Der Mann

nehmen glaubte, jeder Zweifel, der ſich zu aͤußern wagte,
ſteigerte ſeinen Eifer und er nahm ſich die Geduld, in
die ausfuͤhrlichſten Erlaͤuterungen einzugehen. Bei ſol¬
cher Gelegenheit fehlte es nicht an perſoͤnlichen Bemer¬
kungen, beſonders uͤber preußiſche Staatsbeamte, und
die Kritik ihrer Handlungen gab ihm noch mehr
Herzenserleichterung, als mir Belehrung, wobei mir
nicht entging, daß in der Sache und in der Form ſeine
raſchen Ausſpruͤche als parlamentariſche Oppoſition oft
von außerordentlicher Wirkung haͤtte ſein muͤſſen. In
ſeinen Lieblingsvorſtellungen ganz ritterlich geſinnt, auf
einen ſtarken und reichen Adel haltend, war Stein zu¬
gleich der eifrigſte Bauernfreund, und wollte den Land¬
mann durchaus frei und ſelbſtſtaͤndig wiſſen. In dieſem
Betreff ruͤhmte er die neue preußiſche Geſetzgebung, die
zwar nicht, wie man faſt allgemein geglaubt, von ihm
ausgegangen war, aber doch jede Foͤrderung erhalten
hatte. Hierbei kam er auf die Verdienſte des in Koͤnigs¬
berg verſtorbenen Profeſſor Kraus, deſſen Schriften er
mir gab und empfahl, und den er gegen neuere Angriffe
mit Zorn vertheidigte. In Berlin naͤmlich gab damals
Heinrich von Kleiſt deutſche Blaͤtter heraus, in welchen
Adam Muͤller den Werth von Kraus ſehr herabſetzte,
und ihn fuͤr einen bloßen Nachſprecher Adam Smith's
erklaͤrte, deſſen Grundſaͤtze, als den Gewerbefleiß zum
Nachtheil des Adels beguͤnſtigend, ſchon nicht mehr gel¬
ten ſollten. Stein aber ſagte von Kraus: „Der Mann

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0188" n="176"/>
nehmen glaubte, jeder Zweifel, der &#x017F;ich zu a&#x0364;ußern wagte,<lb/>
&#x017F;teigerte &#x017F;einen Eifer und er nahm &#x017F;ich die Geduld, in<lb/>
die ausfu&#x0364;hrlich&#x017F;ten Erla&#x0364;uterungen einzugehen. Bei &#x017F;ol¬<lb/>
cher Gelegenheit fehlte es nicht an per&#x017F;o&#x0364;nlichen Bemer¬<lb/>
kungen, be&#x017F;onders u&#x0364;ber preußi&#x017F;che Staatsbeamte, und<lb/>
die Kritik ihrer Handlungen gab ihm noch mehr<lb/>
Herzenserleichterung, als mir Belehrung, wobei mir<lb/>
nicht entging, daß in der Sache und in der Form &#x017F;eine<lb/>
ra&#x017F;chen Aus&#x017F;pru&#x0364;che als parlamentari&#x017F;che Oppo&#x017F;ition oft<lb/>
von außerordentlicher Wirkung ha&#x0364;tte &#x017F;ein mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. In<lb/>
&#x017F;einen Lieblingsvor&#x017F;tellungen ganz ritterlich ge&#x017F;innt, auf<lb/>
einen &#x017F;tarken und reichen Adel haltend, war Stein zu¬<lb/>
gleich der eifrig&#x017F;te Bauernfreund, und wollte den Land¬<lb/>
mann durchaus frei und &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndig wi&#x017F;&#x017F;en. In die&#x017F;em<lb/>
Betreff ru&#x0364;hmte er die neue preußi&#x017F;che Ge&#x017F;etzgebung, die<lb/>
zwar nicht, wie man fa&#x017F;t allgemein geglaubt, von ihm<lb/>
ausgegangen war, aber doch jede Fo&#x0364;rderung erhalten<lb/>
hatte. Hierbei kam er auf die Verdien&#x017F;te des in Ko&#x0364;nigs¬<lb/>
berg ver&#x017F;torbenen Profe&#x017F;&#x017F;or Kraus, de&#x017F;&#x017F;en Schriften er<lb/>
mir gab und empfahl, und den er gegen neuere Angriffe<lb/>
mit Zorn vertheidigte. In Berlin na&#x0364;mlich gab damals<lb/>
Heinrich von Klei&#x017F;t deut&#x017F;che Bla&#x0364;tter heraus, in welchen<lb/>
Adam Mu&#x0364;ller den Werth von Kraus &#x017F;ehr herab&#x017F;etzte,<lb/>
und ihn fu&#x0364;r einen bloßen Nach&#x017F;precher Adam Smith's<lb/>
erkla&#x0364;rte, de&#x017F;&#x017F;en Grund&#x017F;a&#x0364;tze, als den Gewerbefleiß zum<lb/>
Nachtheil des Adels begu&#x0364;n&#x017F;tigend, &#x017F;chon nicht mehr gel¬<lb/>
ten &#x017F;ollten. Stein aber &#x017F;agte von Kraus: &#x201E;Der Mann<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0188] nehmen glaubte, jeder Zweifel, der ſich zu aͤußern wagte, ſteigerte ſeinen Eifer und er nahm ſich die Geduld, in die ausfuͤhrlichſten Erlaͤuterungen einzugehen. Bei ſol¬ cher Gelegenheit fehlte es nicht an perſoͤnlichen Bemer¬ kungen, beſonders uͤber preußiſche Staatsbeamte, und die Kritik ihrer Handlungen gab ihm noch mehr Herzenserleichterung, als mir Belehrung, wobei mir nicht entging, daß in der Sache und in der Form ſeine raſchen Ausſpruͤche als parlamentariſche Oppoſition oft von außerordentlicher Wirkung haͤtte ſein muͤſſen. In ſeinen Lieblingsvorſtellungen ganz ritterlich geſinnt, auf einen ſtarken und reichen Adel haltend, war Stein zu¬ gleich der eifrigſte Bauernfreund, und wollte den Land¬ mann durchaus frei und ſelbſtſtaͤndig wiſſen. In dieſem Betreff ruͤhmte er die neue preußiſche Geſetzgebung, die zwar nicht, wie man faſt allgemein geglaubt, von ihm ausgegangen war, aber doch jede Foͤrderung erhalten hatte. Hierbei kam er auf die Verdienſte des in Koͤnigs¬ berg verſtorbenen Profeſſor Kraus, deſſen Schriften er mir gab und empfahl, und den er gegen neuere Angriffe mit Zorn vertheidigte. In Berlin naͤmlich gab damals Heinrich von Kleiſt deutſche Blaͤtter heraus, in welchen Adam Muͤller den Werth von Kraus ſehr herabſetzte, und ihn fuͤr einen bloßen Nachſprecher Adam Smith's erklaͤrte, deſſen Grundſaͤtze, als den Gewerbefleiß zum Nachtheil des Adels beguͤnſtigend, ſchon nicht mehr gel¬ ten ſollten. Stein aber ſagte von Kraus: „Der Mann

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/188
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/188>, abgerufen am 14.05.2024.