gen in solcher Eile weiter, daß er die ganze Reise bin¬ nen vier Tagen und zehn Stunden vollendete. Man sprach allgemein von diesem Reiterstück, und gedachte dabei ähnlicher, die dem Herzoge von Alba und Karl dem Zwölften von Schweden nachgerühmt werden.
Doch die Zeit nahte schon, in welcher solchen Kräf¬ ten und Anstrengungen das ernstere Kriegsfeld sich wie¬ der eröffnen sollte. Längst schon erkannte man, daß ein Krieg zwischen Frankreich und Rußland unvermeid¬ lich sei, und Tettenborn konnte früher als Andre vor¬ aussehen, daß Oesterreich diesmal nicht als Feind gegen Napoleon auftreten werde. Er aber wollte nicht in den Fall kommen, mit den Franzosen zu dienen, sondern gegen sie fechten. Er fand sich demnach im Frühjahr 1812 bewogen, ungeachtet seiner glänzenden Stellung und seiner versprechenden Aussichten, seinen Abschied einzureichen, und begab sich, nach kurzem Aufenthalte in Wien, wo er unter Kammeraden und Höheren mehr Billigung und Zustimmung fand, als sich öffentlich zei¬ gen durfte, über Ungarn nach Rußland, wo er schon rühmlichst bekannt war, und mit offnen Armen em¬ pfangen wurde.
Tettenborn trat in das russische Heer als Oberst¬ lieutenant ein, und wurde zu dem General Freiherrn von Wintzingerode gesandt, der mit ansehnlicher Trup¬ penstärke die Straße von Twer zu decken hatte. Bei diesem General, als einem ebenfalls im österreichischen
gen in ſolcher Eile weiter, daß er die ganze Reiſe bin¬ nen vier Tagen und zehn Stunden vollendete. Man ſprach allgemein von dieſem Reiterſtuͤck, und gedachte dabei aͤhnlicher, die dem Herzoge von Alba und Karl dem Zwoͤlften von Schweden nachgeruͤhmt werden.
Doch die Zeit nahte ſchon, in welcher ſolchen Kraͤf¬ ten und Anſtrengungen das ernſtere Kriegsfeld ſich wie¬ der eroͤffnen ſollte. Laͤngſt ſchon erkannte man, daß ein Krieg zwiſchen Frankreich und Rußland unvermeid¬ lich ſei, und Tettenborn konnte fruͤher als Andre vor¬ ausſehen, daß Oeſterreich diesmal nicht als Feind gegen Napoleon auftreten werde. Er aber wollte nicht in den Fall kommen, mit den Franzoſen zu dienen, ſondern gegen ſie fechten. Er fand ſich demnach im Fruͤhjahr 1812 bewogen, ungeachtet ſeiner glaͤnzenden Stellung und ſeiner verſprechenden Ausſichten, ſeinen Abſchied einzureichen, und begab ſich, nach kurzem Aufenthalte in Wien, wo er unter Kammeraden und Hoͤheren mehr Billigung und Zuſtimmung fand, als ſich oͤffentlich zei¬ gen durfte, uͤber Ungarn nach Rußland, wo er ſchon ruͤhmlichſt bekannt war, und mit offnen Armen em¬ pfangen wurde.
Tettenborn trat in das ruſſiſche Heer als Oberſt¬ lieutenant ein, und wurde zu dem General Freiherrn von Wintzingerode geſandt, der mit anſehnlicher Trup¬ penſtaͤrke die Straße von Twer zu decken hatte. Bei dieſem General, als einem ebenfalls im oͤſterreichiſchen
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gen in ſolcher Eile weiter, daß er die ganze Reiſe bin¬
nen vier Tagen und zehn Stunden vollendete. Man
ſprach allgemein von dieſem Reiterſtuͤck, und gedachte
dabei aͤhnlicher, die dem Herzoge von Alba und Karl
dem Zwoͤlften von Schweden nachgeruͤhmt werden.
Doch die Zeit nahte ſchon, in welcher ſolchen Kraͤf¬
ten und Anſtrengungen das ernſtere Kriegsfeld ſich wie¬
der eroͤffnen ſollte. Laͤngſt ſchon erkannte man, daß
ein Krieg zwiſchen Frankreich und Rußland unvermeid¬
lich ſei, und Tettenborn konnte fruͤher als Andre vor¬
ausſehen, daß Oeſterreich diesmal nicht als Feind gegen
Napoleon auftreten werde. Er aber wollte nicht in den
Fall kommen, mit den Franzoſen zu dienen, ſondern
gegen ſie fechten. Er fand ſich demnach im Fruͤhjahr
1812 bewogen, ungeachtet ſeiner glaͤnzenden Stellung
und ſeiner verſprechenden Ausſichten, ſeinen Abſchied
einzureichen, und begab ſich, nach kurzem Aufenthalte
in Wien, wo er unter Kammeraden und Hoͤheren mehr
Billigung und Zuſtimmung fand, als ſich oͤffentlich zei¬
gen durfte, uͤber Ungarn nach Rußland, wo er ſchon
ruͤhmlichſt bekannt war, und mit offnen Armen em¬
pfangen wurde.
Tettenborn trat in das ruſſiſche Heer als Oberſt¬
lieutenant ein, und wurde zu dem General Freiherrn
von Wintzingerode geſandt, der mit anſehnlicher Trup¬
penſtaͤrke die Straße von Twer zu decken hatte. Bei
dieſem General, als einem ebenfalls im oͤſterreichiſchen
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/246>, abgerufen am 21.11.2024.
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