die Hauptstärke der Russen noch weit zurück; allein Tettenborn beschloß dennoch, auf das linke Ufer der Oder vorzurücken, um dem Feinde hier keine Zeit zu neuen Maßregeln zu lassen und die bereits angeordne¬ ten zu hintertreiben.
In Wrietzen, wo der Uebergang geschah, traf der Oberstlieutenant Konstantin von Benkendorf, welcher den Vortrab Tettenborn's befehligte, ein westphälisches Bataillon, nahm dasselbe nach geringem Widerstande gefangen, und Tettenborn empfing gerade beim Ueber¬ gehen über den Fluß als gutes Vorzeichen zwei eroberte Fahnen. Er rückte nun rasch gegen Berlin vor, wel¬ ches der Marschall Augereau noch mit 10,000 Fran¬ zosen und zahlreichem Geschütz besetzt hielt. Dieser sandte den General Poinsot mit etwa 2000 Mann bis Werneuchen, drei Meilen von Berlin, den Russen ent¬ gegen, um sie von der schon durch mancherlei Gäh¬ rung bewegten Hauptstadt noch abzuhalten. Die Fran¬ zosen hatten keine Reiterei, die Russen kein Fußvolk, und so mußten beide Theile mit großen Schwierigkei¬ ten kämpfen, indem jene das freie Feld nicht behaup¬ ten, diese hingegen den Angriff der Ortschaften und festen Stellungen nicht unternehmen konnten. Tetten¬ born wollte jedoch nicht vergeblich so weit vorgedrun¬ gen sein; noch jenseits der Oder, doch schon in der Nähe, streifte mit einer fliegenden Schaar der General Tschernyscheff, diesen forderte Tettenborn auf, sich mit
die Hauptſtaͤrke der Ruſſen noch weit zuruͤck; allein Tettenborn beſchloß dennoch, auf das linke Ufer der Oder vorzuruͤcken, um dem Feinde hier keine Zeit zu neuen Maßregeln zu laſſen und die bereits angeordne¬ ten zu hintertreiben.
In Wrietzen, wo der Uebergang geſchah, traf der Oberſtlieutenant Konſtantin von Benkendorf, welcher den Vortrab Tettenborn's befehligte, ein weſtphaͤliſches Bataillon, nahm daſſelbe nach geringem Widerſtande gefangen, und Tettenborn empfing gerade beim Ueber¬ gehen uͤber den Fluß als gutes Vorzeichen zwei eroberte Fahnen. Er ruͤckte nun raſch gegen Berlin vor, wel¬ ches der Marſchall Augereau noch mit 10,000 Fran¬ zoſen und zahlreichem Geſchuͤtz beſetzt hielt. Dieſer ſandte den General Poinſot mit etwa 2000 Mann bis Werneuchen, drei Meilen von Berlin, den Ruſſen ent¬ gegen, um ſie von der ſchon durch mancherlei Gaͤh¬ rung bewegten Hauptſtadt noch abzuhalten. Die Fran¬ zoſen hatten keine Reiterei, die Ruſſen kein Fußvolk, und ſo mußten beide Theile mit großen Schwierigkei¬ ten kaͤmpfen, indem jene das freie Feld nicht behaup¬ ten, dieſe hingegen den Angriff der Ortſchaften und feſten Stellungen nicht unternehmen konnten. Tetten¬ born wollte jedoch nicht vergeblich ſo weit vorgedrun¬ gen ſein; noch jenſeits der Oder, doch ſchon in der Naͤhe, ſtreifte mit einer fliegenden Schaar der General Tſchernyſcheff, dieſen forderte Tettenborn auf, ſich mit
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0254"n="242"/>
die Hauptſtaͤrke der Ruſſen noch weit zuruͤck; allein<lb/>
Tettenborn beſchloß dennoch, auf das linke Ufer der<lb/>
Oder vorzuruͤcken, um dem Feinde hier keine Zeit zu<lb/>
neuen Maßregeln zu laſſen und die bereits angeordne¬<lb/>
ten zu hintertreiben.</p><lb/><p>In Wrietzen, wo der Uebergang geſchah, traf der<lb/>
Oberſtlieutenant Konſtantin von Benkendorf, welcher<lb/>
den Vortrab Tettenborn's befehligte, ein weſtphaͤliſches<lb/>
Bataillon, nahm daſſelbe nach geringem Widerſtande<lb/>
gefangen, und Tettenborn empfing gerade beim Ueber¬<lb/>
gehen uͤber den Fluß als gutes Vorzeichen zwei eroberte<lb/>
Fahnen. Er ruͤckte nun raſch gegen Berlin vor, wel¬<lb/>
ches der Marſchall Augereau noch mit <hirendition="#b">10,000</hi> Fran¬<lb/>
zoſen und zahlreichem Geſchuͤtz beſetzt hielt. Dieſer<lb/>ſandte den General Poinſot mit etwa <hirendition="#b">2000</hi> Mann bis<lb/>
Werneuchen, drei Meilen von Berlin, den Ruſſen ent¬<lb/>
gegen, um ſie von der ſchon durch mancherlei Gaͤh¬<lb/>
rung bewegten Hauptſtadt noch abzuhalten. Die Fran¬<lb/>
zoſen hatten keine Reiterei, die Ruſſen kein Fußvolk,<lb/>
und ſo mußten beide Theile mit großen Schwierigkei¬<lb/>
ten kaͤmpfen, indem jene das freie Feld nicht behaup¬<lb/>
ten, dieſe hingegen den Angriff der Ortſchaften und<lb/>
feſten Stellungen nicht unternehmen konnten. Tetten¬<lb/>
born wollte jedoch nicht vergeblich ſo weit vorgedrun¬<lb/>
gen ſein; noch jenſeits der Oder, doch ſchon in der<lb/>
Naͤhe, ſtreifte mit einer fliegenden Schaar der General<lb/>
Tſchernyſcheff, dieſen forderte Tettenborn auf, ſich mit<lb/></p></div></body></text></TEI>
[242/0254]
die Hauptſtaͤrke der Ruſſen noch weit zuruͤck; allein
Tettenborn beſchloß dennoch, auf das linke Ufer der
Oder vorzuruͤcken, um dem Feinde hier keine Zeit zu
neuen Maßregeln zu laſſen und die bereits angeordne¬
ten zu hintertreiben.
In Wrietzen, wo der Uebergang geſchah, traf der
Oberſtlieutenant Konſtantin von Benkendorf, welcher
den Vortrab Tettenborn's befehligte, ein weſtphaͤliſches
Bataillon, nahm daſſelbe nach geringem Widerſtande
gefangen, und Tettenborn empfing gerade beim Ueber¬
gehen uͤber den Fluß als gutes Vorzeichen zwei eroberte
Fahnen. Er ruͤckte nun raſch gegen Berlin vor, wel¬
ches der Marſchall Augereau noch mit 10,000 Fran¬
zoſen und zahlreichem Geſchuͤtz beſetzt hielt. Dieſer
ſandte den General Poinſot mit etwa 2000 Mann bis
Werneuchen, drei Meilen von Berlin, den Ruſſen ent¬
gegen, um ſie von der ſchon durch mancherlei Gaͤh¬
rung bewegten Hauptſtadt noch abzuhalten. Die Fran¬
zoſen hatten keine Reiterei, die Ruſſen kein Fußvolk,
und ſo mußten beide Theile mit großen Schwierigkei¬
ten kaͤmpfen, indem jene das freie Feld nicht behaup¬
ten, dieſe hingegen den Angriff der Ortſchaften und
feſten Stellungen nicht unternehmen konnten. Tetten¬
born wollte jedoch nicht vergeblich ſo weit vorgedrun¬
gen ſein; noch jenſeits der Oder, doch ſchon in der
Naͤhe, ſtreifte mit einer fliegenden Schaar der General
Tſchernyſcheff, dieſen forderte Tettenborn auf, ſich mit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/254>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.