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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838.

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fahren ließ, von denen jedoch nur die eine zum Feuern
kam, denn der Feind, nun gar Geschütz bei den Russen
wahrnehmend, verlor die Lust weitern Widerstandes,
suchte eiligst die Boote zu erreichen, die zur Ueberfahrt
bereit standen, verlor aber durch die nun um so hitziger
ansprengenden Kosaken noch viele Leute, und mußte
ihnen auch die 6 Kanonen überlassen, welche schon ein¬
geschifft waren, doch nicht mehr abfahren konnten.

Der Weg nach Hamburg war nun frei, und auf
dem rechten Elbufer kein Franzose mehr. Die Ein¬
wohner dieser Stadt und der umliegenden Gegend hat¬
ten die zwei Tage fortdauernden Kampfes in freudig¬
banger Erwartung und ungeduldiger Hoffnung zuge¬
bracht. Einzelne Reiter aus der Stadt hatten schon
in der Gegend von Escheburg sich bei den Russen ein¬
gefunden, waren Zeugen der glücklichen Gefechte ge¬
wesen, und hatten zurückkehrend durch ihre Erzählun¬
gen die ganze Bevölkerung zu den Ausbrüchen der
leidenschaftlichsten Freude aufgeregt, welche durch die
kurze Anwesenheit einer schon am 17. in die Stadt
gedrungenen Streifparthei Kosaken noch stärker ent¬
flammt wurde. Der Maire und seine Beistände aus
der Bürgerschaft sandten nun dem russischen Befehls¬
haber Abgeordnete entgegen, ihn zur Besetzung der
Stadt einzuladen und ihm deren Wohl zu empfehlen.
Tettenborn empfing diese Abgeordneten Nachmittags in
Bergedorf, als er eben nach Beendigung des Gefechts

fahren ließ, von denen jedoch nur die eine zum Feuern
kam, denn der Feind, nun gar Geſchuͤtz bei den Ruſſen
wahrnehmend, verlor die Luſt weitern Widerſtandes,
ſuchte eiligſt die Boote zu erreichen, die zur Ueberfahrt
bereit ſtanden, verlor aber durch die nun um ſo hitziger
anſprengenden Koſaken noch viele Leute, und mußte
ihnen auch die 6 Kanonen uͤberlaſſen, welche ſchon ein¬
geſchifft waren, doch nicht mehr abfahren konnten.

Der Weg nach Hamburg war nun frei, und auf
dem rechten Elbufer kein Franzoſe mehr. Die Ein¬
wohner dieſer Stadt und der umliegenden Gegend hat¬
ten die zwei Tage fortdauernden Kampfes in freudig¬
banger Erwartung und ungeduldiger Hoffnung zuge¬
bracht. Einzelne Reiter aus der Stadt hatten ſchon
in der Gegend von Eſcheburg ſich bei den Ruſſen ein¬
gefunden, waren Zeugen der gluͤcklichen Gefechte ge¬
weſen, und hatten zuruͤckkehrend durch ihre Erzaͤhlun¬
gen die ganze Bevoͤlkerung zu den Ausbruͤchen der
leidenſchaftlichſten Freude aufgeregt, welche durch die
kurze Anweſenheit einer ſchon am 17. in die Stadt
gedrungenen Streifparthei Koſaken noch ſtaͤrker ent¬
flammt wurde. Der Maire und ſeine Beiſtaͤnde aus
der Buͤrgerſchaft ſandten nun dem ruſſiſchen Befehls¬
haber Abgeordnete entgegen, ihn zur Beſetzung der
Stadt einzuladen und ihm deren Wohl zu empfehlen.
Tettenborn empfing dieſe Abgeordneten Nachmittags in
Bergedorf, als er eben nach Beendigung des Gefechts

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[260/0272] fahren ließ, von denen jedoch nur die eine zum Feuern kam, denn der Feind, nun gar Geſchuͤtz bei den Ruſſen wahrnehmend, verlor die Luſt weitern Widerſtandes, ſuchte eiligſt die Boote zu erreichen, die zur Ueberfahrt bereit ſtanden, verlor aber durch die nun um ſo hitziger anſprengenden Koſaken noch viele Leute, und mußte ihnen auch die 6 Kanonen uͤberlaſſen, welche ſchon ein¬ geſchifft waren, doch nicht mehr abfahren konnten. Der Weg nach Hamburg war nun frei, und auf dem rechten Elbufer kein Franzoſe mehr. Die Ein¬ wohner dieſer Stadt und der umliegenden Gegend hat¬ ten die zwei Tage fortdauernden Kampfes in freudig¬ banger Erwartung und ungeduldiger Hoffnung zuge¬ bracht. Einzelne Reiter aus der Stadt hatten ſchon in der Gegend von Eſcheburg ſich bei den Ruſſen ein¬ gefunden, waren Zeugen der gluͤcklichen Gefechte ge¬ weſen, und hatten zuruͤckkehrend durch ihre Erzaͤhlun¬ gen die ganze Bevoͤlkerung zu den Ausbruͤchen der leidenſchaftlichſten Freude aufgeregt, welche durch die kurze Anweſenheit einer ſchon am 17. in die Stadt gedrungenen Streifparthei Koſaken noch ſtaͤrker ent¬ flammt wurde. Der Maire und ſeine Beiſtaͤnde aus der Buͤrgerſchaft ſandten nun dem ruſſiſchen Befehls¬ haber Abgeordnete entgegen, ihn zur Beſetzung der Stadt einzuladen und ihm deren Wohl zu empfehlen. Tettenborn empfing dieſe Abgeordneten Nachmittags in Bergedorf, als er eben nach Beendigung des Gefechts

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/272>, abgerufen am 24.11.2024.