sich aus, die geringen Anhöhen waren wohlbenutzt, und so gab Nennhausen ordentlich den Eindruck einer schönen Gegend. Wir machten auch einigen Besuch in der Nach¬ barschaft, andrer fand sich von daher ein. Die Abende verbrachte man gesellig bei Thee und Abendessen, zwischen welche für den alten Briest wohl eine Schachpartie sich eindrängte, zuweilen auch ergötzte man sich mit Pistolen¬ schießen oder Kegeln, letzteres vorzüglich einem alten verkrüppelten Offiziere aus dem siebenjährigen Kriege, Herrn von Laßberg, zu Liebe, der bei seinem Freunde für den Rest seiner Lebenstage großmüthige Aufnahme gefunden hatte, und an jenem Spiel besonders Ver¬ gnügen fand.
Das Unglück Preußens und die geringen Hoffnun¬ gen, die man von dem damals noch fortdauernden Kriege haben konnte, wurden reichlich durchgesprochen, wie im Gegensatz auch die glänzenden Zustände und Erscheinungen des preußischen Militairlebens vor dem ungeheuern Fall. Man faßte den eingetretenen Wech¬ sel nicht, man sah die Folgen riesengroß vor sich, und konnte nicht an sie glauben, man wußte in den Weiten der Welt kein Rettungsmittel mehr, denn auch an den Russen verzweifelte man schon, und auf die Oesterreicher wollte man nicht rechnen; aber dennoch meinte man, es könne und müsse Alles wieder umgewendet werden, und zwar jetzt und ganz, diese Aufgabe drückte sich der Empfindung mit tausend Stacheln unaufhörlich ein.
ſich aus, die geringen Anhoͤhen waren wohlbenutzt, und ſo gab Nennhauſen ordentlich den Eindruck einer ſchoͤnen Gegend. Wir machten auch einigen Beſuch in der Nach¬ barſchaft, andrer fand ſich von daher ein. Die Abende verbrachte man geſellig bei Thee und Abendeſſen, zwiſchen welche fuͤr den alten Brieſt wohl eine Schachpartie ſich eindraͤngte, zuweilen auch ergoͤtzte man ſich mit Piſtolen¬ ſchießen oder Kegeln, letzteres vorzuͤglich einem alten verkruͤppelten Offiziere aus dem ſiebenjaͤhrigen Kriege, Herrn von Laßberg, zu Liebe, der bei ſeinem Freunde fuͤr den Reſt ſeiner Lebenstage großmuͤthige Aufnahme gefunden hatte, und an jenem Spiel beſonders Ver¬ gnuͤgen fand.
Das Ungluͤck Preußens und die geringen Hoffnun¬ gen, die man von dem damals noch fortdauernden Kriege haben konnte, wurden reichlich durchgeſprochen, wie im Gegenſatz auch die glaͤnzenden Zuſtaͤnde und Erſcheinungen des preußiſchen Militairlebens vor dem ungeheuern Fall. Man faßte den eingetretenen Wech¬ ſel nicht, man ſah die Folgen rieſengroß vor ſich, und konnte nicht an ſie glauben, man wußte in den Weiten der Welt kein Rettungsmittel mehr, denn auch an den Ruſſen verzweifelte man ſchon, und auf die Oeſterreicher wollte man nicht rechnen; aber dennoch meinte man, es koͤnne und muͤſſe Alles wieder umgewendet werden, und zwar jetzt und ganz, dieſe Aufgabe druͤckte ſich der Empfindung mit tauſend Stacheln unaufhoͤrlich ein.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0028"n="16"/>ſich aus, die geringen Anhoͤhen waren wohlbenutzt, und<lb/>ſo gab Nennhauſen ordentlich den Eindruck einer ſchoͤnen<lb/>
Gegend. Wir machten auch einigen Beſuch in der Nach¬<lb/>
barſchaft, andrer fand ſich von daher ein. Die Abende<lb/>
verbrachte man geſellig bei Thee und Abendeſſen, zwiſchen<lb/>
welche fuͤr den alten Brieſt wohl eine Schachpartie ſich<lb/>
eindraͤngte, zuweilen auch ergoͤtzte man ſich mit Piſtolen¬<lb/>ſchießen oder Kegeln, letzteres vorzuͤglich einem alten<lb/>
verkruͤppelten Offiziere aus dem ſiebenjaͤhrigen Kriege,<lb/>
Herrn von Laßberg, zu Liebe, der bei ſeinem Freunde<lb/>
fuͤr den Reſt ſeiner Lebenstage großmuͤthige Aufnahme<lb/>
gefunden hatte, und an jenem Spiel beſonders Ver¬<lb/>
gnuͤgen fand.</p><lb/><p>Das Ungluͤck Preußens und die geringen Hoffnun¬<lb/>
gen, die man von dem damals noch fortdauernden<lb/>
Kriege haben konnte, wurden reichlich durchgeſprochen,<lb/>
wie im Gegenſatz auch die glaͤnzenden Zuſtaͤnde und<lb/>
Erſcheinungen des preußiſchen Militairlebens vor dem<lb/>
ungeheuern Fall. Man faßte den eingetretenen Wech¬<lb/>ſel nicht, man ſah die Folgen rieſengroß vor ſich, und<lb/>
konnte nicht an ſie glauben, man wußte in den Weiten<lb/>
der Welt kein Rettungsmittel mehr, denn auch an den<lb/>
Ruſſen verzweifelte man ſchon, und auf die Oeſterreicher<lb/>
wollte man nicht rechnen; aber dennoch meinte man,<lb/>
es koͤnne und muͤſſe Alles wieder umgewendet werden,<lb/>
und zwar jetzt und ganz, dieſe Aufgabe druͤckte ſich der<lb/>
Empfindung mit tauſend Stacheln unaufhoͤrlich ein.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[16/0028]
ſich aus, die geringen Anhoͤhen waren wohlbenutzt, und
ſo gab Nennhauſen ordentlich den Eindruck einer ſchoͤnen
Gegend. Wir machten auch einigen Beſuch in der Nach¬
barſchaft, andrer fand ſich von daher ein. Die Abende
verbrachte man geſellig bei Thee und Abendeſſen, zwiſchen
welche fuͤr den alten Brieſt wohl eine Schachpartie ſich
eindraͤngte, zuweilen auch ergoͤtzte man ſich mit Piſtolen¬
ſchießen oder Kegeln, letzteres vorzuͤglich einem alten
verkruͤppelten Offiziere aus dem ſiebenjaͤhrigen Kriege,
Herrn von Laßberg, zu Liebe, der bei ſeinem Freunde
fuͤr den Reſt ſeiner Lebenstage großmuͤthige Aufnahme
gefunden hatte, und an jenem Spiel beſonders Ver¬
gnuͤgen fand.
Das Ungluͤck Preußens und die geringen Hoffnun¬
gen, die man von dem damals noch fortdauernden
Kriege haben konnte, wurden reichlich durchgeſprochen,
wie im Gegenſatz auch die glaͤnzenden Zuſtaͤnde und
Erſcheinungen des preußiſchen Militairlebens vor dem
ungeheuern Fall. Man faßte den eingetretenen Wech¬
ſel nicht, man ſah die Folgen rieſengroß vor ſich, und
konnte nicht an ſie glauben, man wußte in den Weiten
der Welt kein Rettungsmittel mehr, denn auch an den
Ruſſen verzweifelte man ſchon, und auf die Oeſterreicher
wollte man nicht rechnen; aber dennoch meinte man,
es koͤnne und muͤſſe Alles wieder umgewendet werden,
und zwar jetzt und ganz, dieſe Aufgabe druͤckte ſich der
Empfindung mit tauſend Stacheln unaufhoͤrlich ein.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/28>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.