Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

gegen erhielt ich eine freundschaftliche Aufforderung, in
der Nähe auf dem Lande ein paar Erholungstage im
heißen Sommer zuzubringen. Marwitz waltete in
Friedersdorf, dem bedeutenden Rittergute seines Bru¬
ders, der selber fern in Preußen dem schon verzweifel¬
ten Kriege noch mit brennendem Eifer beiwohnte. Un¬
geachtet der Lasten und Leiden vom Feinde, unter wel¬
chen das ganze Land seufzte, war das herrschaftliche
Leben auf dem Gute noch reichlich genug ausgestattet,
und Marwitz entbot seine Freunde in die gastliche Ein¬
samkeit. Schleiermacher befand sich schon seit mehreren
Tagen dort, und zwischen Arbeit und ländlichem Ver¬
gnügen sehr behaglich. Nun machten auch Reimer,
Adolph Müller und ich uns auf, um ebenfalls einige
Tage dort zu bleiben, und dann mit Schleiermacher
zurückzukehren. Den größern Theil des Weges, so weit
wir der Straße nach Frankfurt an der Oder folgten,
fuhren wir, den übrigen Theil, linksab über Landwege
hin, legten wir zu Fuß zurück, und erreichten durch
unerfreuliche Gegend und gewaltige Tageshitze noch
früh genug, um durch ein nachträgliches Mittagsmahl
uns laben zu können, den stattlichen Edelhof, der
indeß weniger durch seine Gebäude, Gärten und Lust¬
anlagen sogleich in die Augen fiel, als durch seine um¬
liegenden, bis in den Oderbruch hinab sich erstreckenden
und vortrefflich bewirthschafteten Ländereien seinen gründ¬
lichen Werth nach und nach zu erkennen gab. Marwitz

gegen erhielt ich eine freundſchaftliche Aufforderung, in
der Naͤhe auf dem Lande ein paar Erholungstage im
heißen Sommer zuzubringen. Marwitz waltete in
Friedersdorf, dem bedeutenden Rittergute ſeines Bru¬
ders, der ſelber fern in Preußen dem ſchon verzweifel¬
ten Kriege noch mit brennendem Eifer beiwohnte. Un¬
geachtet der Laſten und Leiden vom Feinde, unter wel¬
chen das ganze Land ſeufzte, war das herrſchaftliche
Leben auf dem Gute noch reichlich genug ausgeſtattet,
und Marwitz entbot ſeine Freunde in die gaſtliche Ein¬
ſamkeit. Schleiermacher befand ſich ſchon ſeit mehreren
Tagen dort, und zwiſchen Arbeit und laͤndlichem Ver¬
gnuͤgen ſehr behaglich. Nun machten auch Reimer,
Adolph Muͤller und ich uns auf, um ebenfalls einige
Tage dort zu bleiben, und dann mit Schleiermacher
zuruͤckzukehren. Den groͤßern Theil des Weges, ſo weit
wir der Straße nach Frankfurt an der Oder folgten,
fuhren wir, den uͤbrigen Theil, linksab uͤber Landwege
hin, legten wir zu Fuß zuruͤck, und erreichten durch
unerfreuliche Gegend und gewaltige Tageshitze noch
fruͤh genug, um durch ein nachtraͤgliches Mittagsmahl
uns laben zu koͤnnen, den ſtattlichen Edelhof, der
indeß weniger durch ſeine Gebaͤude, Gaͤrten und Luſt¬
anlagen ſogleich in die Augen fiel, als durch ſeine um¬
liegenden, bis in den Oderbruch hinab ſich erſtreckenden
und vortrefflich bewirthſchafteten Laͤndereien ſeinen gruͤnd¬
lichen Werth nach und nach zu erkennen gab. Marwitz

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0035" n="23"/>
gegen erhielt ich eine freund&#x017F;chaftliche <choice><sic>Auffordernng</sic><corr>Aufforderung</corr></choice>, in<lb/>
der Na&#x0364;he auf dem Lande ein paar Erholungstage im<lb/>
heißen Sommer zuzubringen. Marwitz waltete in<lb/>
Friedersdorf, dem bedeutenden Rittergute &#x017F;eines Bru¬<lb/>
ders, der &#x017F;elber fern in Preußen dem &#x017F;chon verzweifel¬<lb/>
ten Kriege noch mit brennendem Eifer beiwohnte. Un¬<lb/>
geachtet der La&#x017F;ten und Leiden vom Feinde, unter wel¬<lb/>
chen das ganze Land &#x017F;eufzte, war das herr&#x017F;chaftliche<lb/>
Leben auf dem Gute noch reichlich genug ausge&#x017F;tattet,<lb/>
und Marwitz entbot &#x017F;eine Freunde in die ga&#x017F;tliche Ein¬<lb/>
&#x017F;amkeit. Schleiermacher befand &#x017F;ich &#x017F;chon &#x017F;eit mehreren<lb/>
Tagen dort, und zwi&#x017F;chen Arbeit und la&#x0364;ndlichem Ver¬<lb/>
gnu&#x0364;gen &#x017F;ehr behaglich. Nun machten auch Reimer,<lb/>
Adolph Mu&#x0364;ller und ich uns auf, um ebenfalls einige<lb/>
Tage dort zu bleiben, und dann mit Schleiermacher<lb/>
zuru&#x0364;ckzukehren. Den gro&#x0364;ßern Theil des Weges, &#x017F;o weit<lb/>
wir der Straße nach Frankfurt an der Oder folgten,<lb/>
fuhren wir, den u&#x0364;brigen Theil, linksab u&#x0364;ber Landwege<lb/>
hin, legten wir zu Fuß zuru&#x0364;ck, und erreichten durch<lb/>
unerfreuliche Gegend und gewaltige Tageshitze noch<lb/>
fru&#x0364;h genug, um durch ein nachtra&#x0364;gliches Mittagsmahl<lb/>
uns laben zu ko&#x0364;nnen, den &#x017F;tattlichen Edelhof, der<lb/>
indeß weniger durch &#x017F;eine Geba&#x0364;ude, Ga&#x0364;rten und Lu&#x017F;<lb/>
anlagen &#x017F;ogleich in die Augen fiel, als durch &#x017F;eine um¬<lb/>
liegenden, bis in den Oderbruch hinab &#x017F;ich er&#x017F;treckenden<lb/>
und vortrefflich bewirth&#x017F;chafteten La&#x0364;ndereien &#x017F;einen gru&#x0364;nd¬<lb/>
lichen Werth nach und nach zu erkennen gab. Marwitz<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0035] gegen erhielt ich eine freundſchaftliche Aufforderung, in der Naͤhe auf dem Lande ein paar Erholungstage im heißen Sommer zuzubringen. Marwitz waltete in Friedersdorf, dem bedeutenden Rittergute ſeines Bru¬ ders, der ſelber fern in Preußen dem ſchon verzweifel¬ ten Kriege noch mit brennendem Eifer beiwohnte. Un¬ geachtet der Laſten und Leiden vom Feinde, unter wel¬ chen das ganze Land ſeufzte, war das herrſchaftliche Leben auf dem Gute noch reichlich genug ausgeſtattet, und Marwitz entbot ſeine Freunde in die gaſtliche Ein¬ ſamkeit. Schleiermacher befand ſich ſchon ſeit mehreren Tagen dort, und zwiſchen Arbeit und laͤndlichem Ver¬ gnuͤgen ſehr behaglich. Nun machten auch Reimer, Adolph Muͤller und ich uns auf, um ebenfalls einige Tage dort zu bleiben, und dann mit Schleiermacher zuruͤckzukehren. Den groͤßern Theil des Weges, ſo weit wir der Straße nach Frankfurt an der Oder folgten, fuhren wir, den uͤbrigen Theil, linksab uͤber Landwege hin, legten wir zu Fuß zuruͤck, und erreichten durch unerfreuliche Gegend und gewaltige Tageshitze noch fruͤh genug, um durch ein nachtraͤgliches Mittagsmahl uns laben zu koͤnnen, den ſtattlichen Edelhof, der indeß weniger durch ſeine Gebaͤude, Gaͤrten und Luſt¬ anlagen ſogleich in die Augen fiel, als durch ſeine um¬ liegenden, bis in den Oderbruch hinab ſich erſtreckenden und vortrefflich bewirthſchafteten Laͤndereien ſeinen gruͤnd¬ lichen Werth nach und nach zu erkennen gab. Marwitz

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/35
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/35>, abgerufen am 21.11.2024.