gungen und das Flehen der Bedrängten zu verwerfen, und den französischen Kaiser nach kurzem Zürnen wie¬ der als geliebten Sohn aufzunehmen; mit dem Fall von Hamburg wurde der letzte Aufflug der bestürzten Hoffnungen gefesselt.
Aber dennoch waren Muth und Kühnheit in den Kriegern nicht ermattet, sondern lebten hoffnungslos fast um so stolzer fort, und in unsern Reihen wünschte jeder nur die Fortsetzung des Krieges, und wollte ihn lieber an die Ufer der Düna zurückgeworfen, als hier an der Elbe durch kläglichen Frieden geendet sehen. In diesem Sinne bereitete sich alles zu hartnäckigen, erbitterten Kämpfen.
Tettenborn hatte in der Behauptung Hamburgs das Aeußerste geleistet; er hatte Streitkräfte geschaffen, erborgt, erzwungen, gegen die auf diesem Punkte zu¬ sammengehäuften Schwierigkeiten unablässig und oft mit wunderbarem Erfolg angekämpft, und erst am Rande des Unterganges die ihm anvertraute Schaar ohne Ver¬ lust wieder zurückgeführt; nur Unkundige mochten die Zumuthung längerer Vertheidigung gegen ihn aufstel¬ len, die Männer vom Kriegeshandwerk hatten jede mi¬ litairische Obliegenheit dazu schon längst verneint. Der Kaiser Alexander sandte ihm zur Anerkennung seiner verdienstvollen Ausdauer den St. Annenorden erster Klasse mit den schmeichelhaftesten Ermunterungen. Der beste Trost lag in dem Gedanken an neue Kämpfe und
gungen und das Flehen der Bedraͤngten zu verwerfen, und den franzoͤſiſchen Kaiſer nach kurzem Zuͤrnen wie¬ der als geliebten Sohn aufzunehmen; mit dem Fall von Hamburg wurde der letzte Aufflug der beſtuͤrzten Hoffnungen gefeſſelt.
Aber dennoch waren Muth und Kuͤhnheit in den Kriegern nicht ermattet, ſondern lebten hoffnungslos faſt um ſo ſtolzer fort, und in unſern Reihen wuͤnſchte jeder nur die Fortſetzung des Krieges, und wollte ihn lieber an die Ufer der Duͤna zuruͤckgeworfen, als hier an der Elbe durch klaͤglichen Frieden geendet ſehen. In dieſem Sinne bereitete ſich alles zu hartnaͤckigen, erbitterten Kaͤmpfen.
Tettenborn hatte in der Behauptung Hamburgs das Aeußerſte geleiſtet; er hatte Streitkraͤfte geſchaffen, erborgt, erzwungen, gegen die auf dieſem Punkte zu¬ ſammengehaͤuften Schwierigkeiten unablaͤſſig und oft mit wunderbarem Erfolg angekaͤmpft, und erſt am Rande des Unterganges die ihm anvertraute Schaar ohne Ver¬ luſt wieder zuruͤckgefuͤhrt; nur Unkundige mochten die Zumuthung laͤngerer Vertheidigung gegen ihn aufſtel¬ len, die Maͤnner vom Kriegeshandwerk hatten jede mi¬ litairiſche Obliegenheit dazu ſchon laͤngſt verneint. Der Kaiſer Alexander ſandte ihm zur Anerkennung ſeiner verdienſtvollen Ausdauer den St. Annenorden erſter Klaſſe mit den ſchmeichelhafteſten Ermunterungen. Der beſte Troſt lag in dem Gedanken an neue Kaͤmpfe und
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gungen und das Flehen der Bedraͤngten zu verwerfen,
und den franzoͤſiſchen Kaiſer nach kurzem Zuͤrnen wie¬
der als geliebten Sohn aufzunehmen; mit dem Fall
von Hamburg wurde der letzte Aufflug der beſtuͤrzten
Hoffnungen gefeſſelt.
Aber dennoch waren Muth und Kuͤhnheit in den
Kriegern nicht ermattet, ſondern lebten hoffnungslos
faſt um ſo ſtolzer fort, und in unſern Reihen wuͤnſchte
jeder nur die Fortſetzung des Krieges, und wollte ihn
lieber an die Ufer der Duͤna zuruͤckgeworfen, als hier
an der Elbe durch klaͤglichen Frieden geendet ſehen.
In dieſem Sinne bereitete ſich alles zu hartnaͤckigen,
erbitterten Kaͤmpfen.
Tettenborn hatte in der Behauptung Hamburgs
das Aeußerſte geleiſtet; er hatte Streitkraͤfte geſchaffen,
erborgt, erzwungen, gegen die auf dieſem Punkte zu¬
ſammengehaͤuften Schwierigkeiten unablaͤſſig und oft mit
wunderbarem Erfolg angekaͤmpft, und erſt am Rande
des Unterganges die ihm anvertraute Schaar ohne Ver¬
luſt wieder zuruͤckgefuͤhrt; nur Unkundige mochten die
Zumuthung laͤngerer Vertheidigung gegen ihn aufſtel¬
len, die Maͤnner vom Kriegeshandwerk hatten jede mi¬
litairiſche Obliegenheit dazu ſchon laͤngſt verneint. Der
Kaiſer Alexander ſandte ihm zur Anerkennung ſeiner
verdienſtvollen Ausdauer den St. Annenorden erſter
Klaſſe mit den ſchmeichelhafteſten Ermunterungen. Der
beſte Troſt lag in dem Gedanken an neue Kaͤmpfe und
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/398>, abgerufen am 22.11.2024.
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