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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838.

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ruͤhrte mich als eine liebenswuͤrdige Schwaͤche, die
auch ſeinem Weſen weniger ſchaͤdlich iſt, als ſie es einem
andern waͤre, das ſich mehr in eingreifendem Handeln
und ſcharfem perſoͤnlichen Vortreten gefiele. Jean Paul's
Ungerechtigkeit iſt nur eine in ihm, nicht in der Welt,
ſie uͤberſchreitet das ſtille Gehege ſeiner Privatgedanken
nicht. Und die Ruͤckkehr zur Freundlichkeit und Guͤte
wiegt hundertmal die kurze Abwendung auf.

Ich lernte Jean Paul aus dieſen Geſpraͤchen mehr
kennen, als die Perſonen, die er beſprach. Es iſt ein
reiner edler Menſch, kein Falſch und kein Schmutz iſt
in ſeinem Leben, er iſt ganz wie er ſchreibt, liebevoll,
innig, ſtark und brav. Auch an perſoͤnlicher Tapfer¬
keit fehlt es ihm gewiß nicht, und kaͤme die Gelegen¬
heit, ſo wuͤrde er, ich traue es ihm zu, mit dem Degen
ſchneller bei der Hand ſein, als mancher Andre.

Als ich mir den trefflichen Mann in ſeinem Werthe
ſo betrachtete und erwog, ſchlug mir ploͤtzlich das Ge¬
wiſſen. Ich mußte an unſern Doppelroman, die „Ver¬
ſuche und Hinderniſſe“, gedenken, und an die komiſche
Figur, welche Jean Paul unter dieſem ſeinen Namen
und in ſeiner eigenſten Manier darin ſpielt. Zwar
hatte ich grade an dieſer Figur den wenigſten Antheil,
ſie war, ihren beſten und eindringendſten Zuͤgen nach,
das Werk von Neumann, aber an dem Ganzen war
ich doch mitſchuldig, und es kam mir wie eine Treu¬
loſigkeit vor, von Jean Paul jetzt zu ſcheiden, ohne

III. 6

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/93>, abgerufen am 26.02.2025.