keiner. Hymen vergaß ihm, von Amor anders beschäftigt oder bestochen, die Binde abzureißen, er ging unter die Ab- gefertigten, und sie bleibt ihm für's Leben; und qu'il est aime celui qui rend aimable. Mit meinem Lieben ist's eigentlich nichts, auf Glauben -- denn der Verräther reicht mir nur dünne Binden, und den Andern keine für mich. Adieu, lieber Brinckmann, mündlich werde ich Ihnen manches Interessante erzählen, fragen Sie mich nur aus. -- Wir kommen leider bald; die schönen! wohlbekannten Mauern machen mir bange. Adieu.
An Gustav von Brinckmann.
Berlin, den 31. August 1797.
Ich halte es für Recht, wenn Einer nach dem Andern ein bischen sieht. Was machen Sie denn, haben Sie Mi- graine oder Schweden? Man hat Sie in unserm Hause nicht gesehen, und Ihre Geliebtesten wissen nichts von Ihnen; ich bin seit dem Sonnabend hier, und melde mich also. Es ist mir um so lieber, daß ich gestern Hrn. Fr. Schlegel habe ken- nen lernen, nun kann ich Sie wieder zu mir bitten. Sonst sah's immer aus, als sollten Sie mir den bringen, die andern Leute sind doch so. Sein Äußeres gefällt mir; Sie wissen doch noch, daß das Äußere eines Menschen der Text von allem ist, was sich über ihn sagen läßt? Ich hab' ihn gebeten, Sie zu mir zu bringen; warten Sie das nicht ab! Auch heute geh' ich erst gegen 6 Uhr spaziren, und dahin, wo einer will.
R. L.
keiner. Hymen vergaß ihm, von Amor anders beſchäftigt oder beſtochen, die Binde abzureißen, er ging unter die Ab- gefertigten, und ſie bleibt ihm für’s Leben; und qu’il est aimé celui qui rend aimable. Mit meinem Lieben iſt’s eigentlich nichts, auf Glauben — denn der Verräther reicht mir nur dünne Binden, und den Andern keine für mich. Adieu, lieber Brinckmann, mündlich werde ich Ihnen manches Intereſſante erzählen, fragen Sie mich nur aus. — Wir kommen leider bald; die ſchönen! wohlbekannten Mauern machen mir bange. Adieu.
An Guſtav von Brinckmann.
Berlin, den 31. Auguſt 1797.
Ich halte es für Recht, wenn Einer nach dem Andern ein bischen ſieht. Was machen Sie denn, haben Sie Mi- graine oder Schweden? Man hat Sie in unſerm Hauſe nicht geſehen, und Ihre Geliebteſten wiſſen nichts von Ihnen; ich bin ſeit dem Sonnabend hier, und melde mich alſo. Es iſt mir um ſo lieber, daß ich geſtern Hrn. Fr. Schlegel habe ken- nen lernen, nun kann ich Sie wieder zu mir bitten. Sonſt ſah’s immer aus, als ſollten Sie mir den bringen, die andern Leute ſind doch ſo. Sein Äußeres gefällt mir; Sie wiſſen doch noch, daß das Äußere eines Menſchen der Text von allem iſt, was ſich über ihn ſagen läßt? Ich hab’ ihn gebeten, Sie zu mir zu bringen; warten Sie das nicht ab! Auch heute geh’ ich erſt gegen 6 Uhr ſpaziren, und dahin, wo einer will.
R. L.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0184"n="170"/>
keiner. Hymen vergaß ihm, von Amor anders beſchäftigt<lb/>
oder beſtochen, die Binde abzureißen, er ging unter die Ab-<lb/>
gefertigten, und ſie bleibt ihm für’s Leben; und <hirendition="#aq">qu’il est aimé<lb/>
celui qui rend aimable.</hi> Mit meinem Lieben iſt’s eigentlich<lb/>
nichts, auf Glauben — denn der Verräther reicht mir nur<lb/>
dünne Binden, und den Andern keine für mich. Adieu, lieber<lb/>
Brinckmann, mündlich werde ich Ihnen manches Intereſſante<lb/>
erzählen, fragen Sie mich nur aus. — Wir kommen leider<lb/>
bald; die <hirendition="#g">ſchönen</hi>! wohlbekannten Mauern machen <hirendition="#g">mir</hi><lb/>
bange. Adieu.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>An Guſtav von Brinckmann.</head><lb/><dateline><hirendition="#et">Berlin, den 31. Auguſt 1797.</hi></dateline><lb/><p>Ich halte es für Recht, wenn Einer nach dem Andern<lb/>
ein bischen ſieht. Was machen Sie denn, haben Sie Mi-<lb/>
graine oder Schweden? Man hat Sie in unſerm Hauſe nicht<lb/>
geſehen, und Ihre Geliebteſten wiſſen nichts von Ihnen; ich<lb/>
bin ſeit dem Sonnabend hier, und melde mich alſo. Es iſt<lb/>
mir um ſo lieber, daß ich geſtern Hrn. Fr. Schlegel habe ken-<lb/>
nen lernen, nun kann ich Sie wieder zu mir bitten. Sonſt<lb/>ſah’s immer aus, als ſollten Sie mir den bringen, die andern<lb/>
Leute ſind doch ſo. Sein Äußeres gefällt mir; Sie wiſſen<lb/>
doch noch, daß das Äußere eines Menſchen der Text von allem<lb/>
iſt, was ſich über ihn ſagen läßt? Ich hab’ ihn gebeten, Sie<lb/>
zu mir zu bringen; warten Sie das nicht ab! Auch heute<lb/>
geh’ ich erſt gegen 6 Uhr ſpaziren, und dahin, wo einer will.</p><lb/><closer><salute><hirendition="#et">R. L.</hi></salute></closer></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[170/0184]
keiner. Hymen vergaß ihm, von Amor anders beſchäftigt
oder beſtochen, die Binde abzureißen, er ging unter die Ab-
gefertigten, und ſie bleibt ihm für’s Leben; und qu’il est aimé
celui qui rend aimable. Mit meinem Lieben iſt’s eigentlich
nichts, auf Glauben — denn der Verräther reicht mir nur
dünne Binden, und den Andern keine für mich. Adieu, lieber
Brinckmann, mündlich werde ich Ihnen manches Intereſſante
erzählen, fragen Sie mich nur aus. — Wir kommen leider
bald; die ſchönen! wohlbekannten Mauern machen mir
bange. Adieu.
An Guſtav von Brinckmann.
Berlin, den 31. Auguſt 1797.
Ich halte es für Recht, wenn Einer nach dem Andern
ein bischen ſieht. Was machen Sie denn, haben Sie Mi-
graine oder Schweden? Man hat Sie in unſerm Hauſe nicht
geſehen, und Ihre Geliebteſten wiſſen nichts von Ihnen; ich
bin ſeit dem Sonnabend hier, und melde mich alſo. Es iſt
mir um ſo lieber, daß ich geſtern Hrn. Fr. Schlegel habe ken-
nen lernen, nun kann ich Sie wieder zu mir bitten. Sonſt
ſah’s immer aus, als ſollten Sie mir den bringen, die andern
Leute ſind doch ſo. Sein Äußeres gefällt mir; Sie wiſſen
doch noch, daß das Äußere eines Menſchen der Text von allem
iſt, was ſich über ihn ſagen läßt? Ich hab’ ihn gebeten, Sie
zu mir zu bringen; warten Sie das nicht ab! Auch heute
geh’ ich erſt gegen 6 Uhr ſpaziren, und dahin, wo einer will.
R. L.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/184>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.