nur aus sich selbst den schönen Purpur spinnen, daß ihm auch die helle Sonne der wahrsten Freundschaft entgegenstrahlt, Also in diesem Briefe keine Antwort. Nur eine Leidenschaft, die spornendste unter allen, sei befriedigt; der Zorn. Mlle. X --! --! --!!! --! --!!!? die bildet sich ein (denn das thut sie, wenn sie so albern tadelt und lobt), man hätte sie hier bewundern müssen. Foi de marchande de mode ou de coiffeuse (die ich jeden Augenblick sein könnte), die letzte fran- zösische Aktrice ging in Pyrmont vor zwei Jahren eben so gut als Mlle. X -- angezogen. Nichts hat sie herge- bracht, was neu wäre; jede Kaufmannsfrau in Hamburg, wo alle vierzehn Tage ein französisch Schiff ankömmt, geht ohne Vergleich hübscher: mit Schals wollten es die Demoi- selles durchsetzen; die man in allen Gattungen und aus allen Theilen der Welt hier zum Ekel hat. Kurz, sie waren hier nichts. Wissen Sie was ich ihnen absah? wofür ich sie hielt? (woran ich keinem Zweifel den Eingang bei mir lasse, und käme er von Ihnen! daß es in der ganzen Welt welche giebt, wo nur ein Konvent oder ein Hof ist,) für Pikniks-Mamsells aus Paris. Wissen Sie was das ist? qui n'entrevoient la bonne societe qu'au bal, die eifrig die Moden nachmachen, aber sie sich doch nur immer um die rechte Minute zu spät zusammenstopplen können. Die sprechen von Paradiesvogel? Von Hackenschuh? -- Im Theater war ich seit drei Monaten dreimal; ich abhorrire es. Daß ich gar keiner von den blin- den Grazienfindern der Unzelmann bin, wissen sie zu gut; sie starrte aber letzthin in Don Carlos für Juwelen -- keine Clairon kann prächtiger, und keine Hamilton geschmackvoller
I. 12
nur aus ſich ſelbſt den ſchönen Purpur ſpinnen, daß ihm auch die helle Sonne der wahrſten Freundſchaft entgegenſtrahlt, Alſo in dieſem Briefe keine Antwort. Nur eine Leidenſchaft, die ſpornendſte unter allen, ſei befriedigt; der Zorn. Mlle. X —! —! —!!! —! —!!!? die bildet ſich ein (denn das thut ſie, wenn ſie ſo albern tadelt und lobt), man hätte ſie hier bewundern müſſen. Foi de marchande de mode ou de coiffeuse (die ich jeden Augenblick ſein könnte), die letzte fran- zöſiſche Aktrice ging in Pyrmont vor zwei Jahren eben ſo gut als Mlle. X — angezogen. Nichts hat ſie herge- bracht, was neu wäre; jede Kaufmannsfrau in Hamburg, wo alle vierzehn Tage ein franzöſiſch Schiff ankömmt, geht ohne Vergleich hübſcher: mit Schals wollten es die Demoi- ſelles durchſetzen; die man in allen Gattungen und aus allen Theilen der Welt hier zum Ekel hat. Kurz, ſie waren hier nichts. Wiſſen Sie was ich ihnen abſah? wofür ich ſie hielt? (woran ich keinem Zweifel den Eingang bei mir laſſe, und käme er von Ihnen! daß es in der ganzen Welt welche giebt, wo nur ein Konvent oder ein Hof iſt,) für Pikniks-Mamſells aus Paris. Wiſſen Sie was das iſt? qui n’entrevoient la bonne société qu’au bal, die eifrig die Moden nachmachen, aber ſie ſich doch nur immer um die rechte Minute zu ſpät zuſammenſtopplen können. Die ſprechen von Paradiesvogel? Von Hackenſchuh? — Im Theater war ich ſeit drei Monaten dreimal; ich abhorrire es. Daß ich gar keiner von den blin- den Grazienfindern der Unzelmann bin, wiſſen ſie zu gut; ſie ſtarrte aber letzthin in Don Carlos für Juwelen — keine Clairon kann prächtiger, und keine Hamilton geſchmackvoller
I. 12
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0191"n="177"/>
nur aus ſich ſelbſt den ſchönen Purpur ſpinnen, daß ihm<lb/>
auch die helle Sonne der wahrſten Freundſchaft entgegenſtrahlt,<lb/>
Alſo in dieſem Briefe keine Antwort. Nur eine Leidenſchaft,<lb/>
die ſpornendſte unter allen, ſei befriedigt; der Zorn. Mlle.<lb/>
X —! —! —!!! —! —!!!? die bildet ſich ein (denn das<lb/>
thut ſie, wenn ſie ſo albern tadelt und lobt), man hätte ſie<lb/>
hier bewundern müſſen. <hirendition="#aq">Foi de marchande de mode ou de<lb/>
coiffeuse</hi> (die ich jeden Augenblick ſein könnte), die letzte fran-<lb/>
zöſiſche Aktrice ging in Pyrmont <hirendition="#g">vor zwei Jahren</hi> eben<lb/>ſo gut als Mlle. X — angezogen. <hirendition="#g">Nichts</hi> hat ſie herge-<lb/>
bracht, was neu wäre; <hirendition="#g">jede</hi> Kaufmannsfrau in Hamburg,<lb/>
wo alle vierzehn Tage ein franzöſiſch Schiff ankömmt, geht<lb/>
ohne Vergleich hübſcher: mit Schals wollten es die Demoi-<lb/>ſelles durchſetzen; die man in allen Gattungen und aus <hirendition="#g">allen</hi><lb/>
Theilen der Welt hier zum Ekel hat. Kurz, ſie waren hier<lb/>
nichts. Wiſſen Sie was ich ihnen abſah? wofür ich ſie hielt?<lb/>
(woran ich <hirendition="#g">keinem</hi> Zweifel den Eingang bei mir laſſe, und<lb/>
käme er von Ihnen! daß es in der ganzen Welt welche giebt,<lb/>
wo nur ein Konvent oder ein Hof iſt,) für Pikniks-Mamſells<lb/>
aus Paris. Wiſſen Sie was das iſt? <hirendition="#aq">qui n’entrevoient la<lb/>
bonne société qu’au bal,</hi> die <hirendition="#g">eifrig</hi> die Moden nachmachen,<lb/>
aber ſie ſich doch nur immer um die rechte Minute zu <hirendition="#g">ſpät</hi><lb/>
zuſammenſtopplen können. Die ſprechen von Paradiesvogel?<lb/>
Von Hackenſchuh? — Im Theater war ich ſeit drei Monaten<lb/>
dreimal; ich abhorrire es. Daß ich gar keiner von den blin-<lb/>
den Grazienfindern der Unzelmann bin, wiſſen ſie zu gut;<lb/>ſie ſtarrte aber letzthin in Don Carlos für Juwelen — keine<lb/>
Clairon kann prächtiger, und keine Hamilton geſchmackvoller<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq">I.</hi> 12</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[177/0191]
nur aus ſich ſelbſt den ſchönen Purpur ſpinnen, daß ihm
auch die helle Sonne der wahrſten Freundſchaft entgegenſtrahlt,
Alſo in dieſem Briefe keine Antwort. Nur eine Leidenſchaft,
die ſpornendſte unter allen, ſei befriedigt; der Zorn. Mlle.
X —! —! —!!! —! —!!!? die bildet ſich ein (denn das
thut ſie, wenn ſie ſo albern tadelt und lobt), man hätte ſie
hier bewundern müſſen. Foi de marchande de mode ou de
coiffeuse (die ich jeden Augenblick ſein könnte), die letzte fran-
zöſiſche Aktrice ging in Pyrmont vor zwei Jahren eben
ſo gut als Mlle. X — angezogen. Nichts hat ſie herge-
bracht, was neu wäre; jede Kaufmannsfrau in Hamburg,
wo alle vierzehn Tage ein franzöſiſch Schiff ankömmt, geht
ohne Vergleich hübſcher: mit Schals wollten es die Demoi-
ſelles durchſetzen; die man in allen Gattungen und aus allen
Theilen der Welt hier zum Ekel hat. Kurz, ſie waren hier
nichts. Wiſſen Sie was ich ihnen abſah? wofür ich ſie hielt?
(woran ich keinem Zweifel den Eingang bei mir laſſe, und
käme er von Ihnen! daß es in der ganzen Welt welche giebt,
wo nur ein Konvent oder ein Hof iſt,) für Pikniks-Mamſells
aus Paris. Wiſſen Sie was das iſt? qui n’entrevoient la
bonne société qu’au bal, die eifrig die Moden nachmachen,
aber ſie ſich doch nur immer um die rechte Minute zu ſpät
zuſammenſtopplen können. Die ſprechen von Paradiesvogel?
Von Hackenſchuh? — Im Theater war ich ſeit drei Monaten
dreimal; ich abhorrire es. Daß ich gar keiner von den blin-
den Grazienfindern der Unzelmann bin, wiſſen ſie zu gut;
ſie ſtarrte aber letzthin in Don Carlos für Juwelen — keine
Clairon kann prächtiger, und keine Hamilton geſchmackvoller
I. 12
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/191>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.