kommen Sie vor Schweden. -- Wie befinden Sie sich? schwebt mir auf den Lippen, -- Was hilft mir alles, Sie bleiben Seidenwurm, ich auch ein Wurm. So sind wir Alle Würmer. Glücklich sind die, die da spinnen. Spinnen thu' ich redlich; und was das rühmlichste, das köstlichste, das glück- lichste ist, noch an dem ersten selben Faden. Das sind die Erwählten, die so wurmartig sind. -- Sonntag war Jean Paul bei mir: ich war launig -- ich hatte grad acht sehr lau- nige Tage, voller kurioser Ausdrücke und Bonmots -- nicht er. Das war gut. Er hat überaus etwas Beruhigendes an sich. Vor dem könnt' ich mich gar nicht schämen. Nie hat ein Mensch so ganz anders ausgesehen, als ich ihn mir denken mußte. Keine Ahndung vom Komischen. Er sieht scharfsinnig. und die Stirn von Gedanken wie von Kuglen zerschossen aus. Er spricht so ernst, sanft, und gelassen, und geordnet, hört so gern -- süß möcht' ich sagen -- und väterlich zu -- daß ich nie geglaubt hätte, es sei Richter. Und blond ist er! "Sie sind es nicht!" möcht' ich immer zu ihm sagen. Das reizt mich nur noch mehr: denn nun ist er Richter, und hat die neuen rührenden Eigenschaften noch obenein. "Die wenig- sten Menschen sind etwas werth, außer die wenigen, die eben Richters sind." Er sagt: "Die wenigsten Menschen haben Geld (Geld!) außer eben diese wenigen." Die sind auch immer noch besser, als man sie schon kennt. Er hat mir heute ein kleines, aber Jean-Paul'sches Billet geschrieben -- es ist auch Brinckmann'sch, Sie sollen gleich hören; wir sag- ten's Alle -- es war eine Antwort, ich mußt' ihm schreiben: denn Fleck wollte Antwort haben, welchen Tag er Wallenstein
kommen Sie vor Schweden. — Wie befinden Sie ſich? ſchwebt mir auf den Lippen, — Was hilft mir alles, Sie bleiben Seidenwurm, ich auch ein Wurm. So ſind wir Alle Würmer. Glücklich ſind die, die da ſpinnen. Spinnen thu’ ich redlich; und was das rühmlichſte, das köſtlichſte, das glück- lichſte iſt, noch an dem erſten ſelben Faden. Das ſind die Erwählten, die ſo wurmartig ſind. — Sonntag war Jean Paul bei mir: ich war launig — ich hatte grad acht ſehr lau- nige Tage, voller kurioſer Ausdrücke und Bonmots — nicht er. Das war gut. Er hat überaus etwas Beruhigendes an ſich. Vor dem könnt’ ich mich gar nicht ſchämen. Nie hat ein Menſch ſo ganz anders ausgeſehen, als ich ihn mir denken mußte. Keine Ahndung vom Komiſchen. Er ſieht ſcharfſinnig. und die Stirn von Gedanken wie von Kuglen zerſchoſſen aus. Er ſpricht ſo ernſt, ſanft, und gelaſſen, und geordnet, hört ſo gern — ſüß möcht’ ich ſagen — und väterlich zu — daß ich nie geglaubt hätte, es ſei Richter. Und blond iſt er! „Sie ſind es nicht!“ möcht’ ich immer zu ihm ſagen. Das reizt mich nur noch mehr: denn nun iſt er Richter, und hat die neuen rührenden Eigenſchaften noch obenein. „Die wenig- ſten Menſchen ſind etwas werth, außer die wenigen, die eben Richters ſind.“ Er ſagt: „Die wenigſten Menſchen haben Geld (Geld!) außer eben dieſe wenigen.“ Die ſind auch immer noch beſſer, als man ſie ſchon kennt. Er hat mir heute ein kleines, aber Jean-Paul’ſches Billet geſchrieben — es iſt auch Brinckmann’ſch, Sie ſollen gleich hören; wir ſag- ten’s Alle — es war eine Antwort, ich mußt’ ihm ſchreiben: denn Fleck wollte Antwort haben, welchen Tag er Wallenſtein
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kommen Sie vor Schweden. — Wie befinden Sie ſich?
ſchwebt mir auf den Lippen, — Was hilft mir alles, Sie
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Würmer. Glücklich ſind die, die da ſpinnen. Spinnen thu’
ich redlich; und was das rühmlichſte, das köſtlichſte, das glück-
lichſte iſt, noch an dem erſten ſelben Faden. Das ſind die
Erwählten, die ſo wurmartig ſind. — Sonntag war Jean
Paul bei mir: ich war launig — ich hatte grad acht ſehr lau-
nige Tage, voller kurioſer Ausdrücke und Bonmots — nicht
er. Das war gut. Er hat überaus etwas Beruhigendes an
ſich. Vor dem könnt’ ich mich gar nicht ſchämen. Nie hat
ein Menſch ſo ganz anders ausgeſehen, als ich ihn mir denken
mußte. Keine Ahndung vom Komiſchen. Er ſieht ſcharfſinnig.
und die Stirn von Gedanken wie von Kuglen zerſchoſſen aus.
Er ſpricht ſo ernſt, ſanft, und gelaſſen, und geordnet, hört ſo
gern — ſüß möcht’ ich ſagen — und väterlich zu — daß ich
nie geglaubt hätte, es ſei Richter. Und blond iſt er! „Sie
ſind es nicht!“ möcht’ ich immer zu ihm ſagen. Das reizt
mich nur noch mehr: denn nun iſt er Richter, und hat die
neuen rührenden Eigenſchaften noch obenein. „Die wenig-
ſten Menſchen ſind etwas werth, außer die wenigen, die eben
Richters ſind.“ Er ſagt: „Die wenigſten Menſchen haben
Geld (Geld!) außer eben dieſe wenigen.“ Die ſind auch
immer noch beſſer, als man ſie ſchon kennt. Er hat mir
heute ein kleines, aber Jean-Paul’ſches Billet geſchrieben —
es iſt auch Brinckmann’ſch, Sie ſollen gleich hören; wir ſag-
ten’s Alle — es war eine Antwort, ich mußt’ ihm ſchreiben:
denn Fleck wollte Antwort haben, welchen Tag er Wallenſtein
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/217>, abgerufen am 22.12.2024.
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