Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

bist du die Einzige, der man dies ganz verzeihen kann.
Sei nicht böse, und höre! Du erblickst weder Ohrringe noch
Halsband! Erstlich ist nichts Neues in der Art Mode, als
das Alte, -- wenn es nicht solche Leute sind, denen man gar
nichts nachmachen kann, und die das Elendeste tragen, was
wir schon getragen haben; so tragen sie lauter brillantene
Reifen in den Ohren, die wir auch schon lange kennen, die
aber wirklich immer hübsch bleiben werden. Zweitens hast du
mir keinen Preis bestimmt, und nur wohlfeil gesagt, wohlfeil
ist relativ. Drittens kann man dergleichen nicht in einem
Brief schicken. -- Moden und alle Nachrichten, mein Närrchen,
bekömmst du, ehe du diesen Brief zu Gesichte bekömmst. Ich
bilde mir nicht wenig darauf ein, dich ohne Sporn so thätig
besorgt zu haben; und dein großes Gemüth beruhigt zu ha-
ben. Glaub' aber nur ohne Spaß, daß ich selbst eine Mode-
biene bin; und keine Ruhe habe, bis ich euch gehörig kostu-
mirt weiß. Vielleicht hab' ich zu mandiren vergessen, daß
man zu den wattirten Spencern wattirte Röcke von eben dem
Zeuge trägt (nur Taffent), und wenig Überröcke. Man trägt
sehr viel schwarzen Krepp auf dem Kopf, und auch schwarze
Krepp-Roben, die Schleppe kann aber in der That nicht an-
ders als ungeheuer lang sein, es ist sonst wirklich wie eine
alte Robe. Um den Krepp auf dem Kopf macht man weiße
Perlchen oder schwarzen Schmelz. Zu Krepp-Roben weiße
Schuh ohne Spitzen, zu schwarzen Taffent-Roben schwarze
Strümpfe und Schuh, zu braunen braune. Die Hemdchen,
wie wir sie auch haben, über den Roben, und mit einem
förmlichen Hemdeknopf oder Handknopf, wie die Männer

biſt du die Einzige, der man dies ganz verzeihen kann.
Sei nicht böſe, und höre! Du erblickſt weder Ohrringe noch
Halsband! Erſtlich iſt nichts Neues in der Art Mode, als
das Alte, — wenn es nicht ſolche Leute ſind, denen man gar
nichts nachmachen kann, und die das Elendeſte tragen, was
wir ſchon getragen haben; ſo tragen ſie lauter brillantene
Reifen in den Ohren, die wir auch ſchon lange kennen, die
aber wirklich immer hübſch bleiben werden. Zweitens haſt du
mir keinen Preis beſtimmt, und nur wohlfeil geſagt, wohlfeil
iſt relativ. Drittens kann man dergleichen nicht in einem
Brief ſchicken. — Moden und alle Nachrichten, mein Närrchen,
bekömmſt du, ehe du dieſen Brief zu Geſichte bekömmſt. Ich
bilde mir nicht wenig darauf ein, dich ohne Sporn ſo thätig
beſorgt zu haben; und dein großes Gemüth beruhigt zu ha-
ben. Glaub’ aber nur ohne Spaß, daß ich ſelbſt eine Mode-
biene bin; und keine Ruhe habe, bis ich euch gehörig koſtu-
mirt weiß. Vielleicht hab’ ich zu mandiren vergeſſen, daß
man zu den wattirten Spencern wattirte Röcke von eben dem
Zeuge trägt (nur Taffent), und wenig Überröcke. Man trägt
ſehr viel ſchwarzen Krepp auf dem Kopf, und auch ſchwarze
Krepp-Roben, die Schleppe kann aber in der That nicht an-
ders als ungeheuer lang ſein, es iſt ſonſt wirklich wie eine
alte Robe. Um den Krepp auf dem Kopf macht man weiße
Perlchen oder ſchwarzen Schmelz. Zu Krepp-Roben weiße
Schuh ohne Spitzen, zu ſchwarzen Taffent-Roben ſchwarze
Strümpfe und Schuh, zu braunen braune. Die Hemdchen,
wie wir ſie auch haben, über den Roben, und mit einem
förmlichen Hemdeknopf oder Handknopf, wie die Männer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0234" n="220"/>
bi&#x017F;t du die <hi rendition="#g">Einzige</hi>, der man dies <hi rendition="#g">ganz</hi> verzeihen kann.<lb/>
Sei nicht bö&#x017F;e, und höre! Du erblick&#x017F;t weder Ohrringe noch<lb/>
Halsband! <hi rendition="#g">Er&#x017F;t</hi>lich i&#x017F;t <hi rendition="#g">nichts</hi> Neues in der Art Mode, <hi rendition="#g">als</hi><lb/>
das Alte, &#x2014; wenn es nicht &#x017F;olche Leute &#x017F;ind, denen man gar<lb/>
nichts nachmachen kann, und die das Elende&#x017F;te tragen, was<lb/>
wir &#x017F;chon getragen <hi rendition="#g">haben</hi>; &#x017F;o tragen &#x017F;ie <hi rendition="#g">lauter</hi> brillantene<lb/>
Reifen in den Ohren, die wir auch &#x017F;chon lange kennen, die<lb/>
aber wirklich immer hüb&#x017F;ch bleiben werden. Zweitens ha&#x017F;t du<lb/>
mir keinen Preis be&#x017F;timmt, und nur wohlfeil ge&#x017F;agt, wohlfeil<lb/>
i&#x017F;t relativ. Drittens kann man dergleichen nicht in einem<lb/>
Brief &#x017F;chicken. &#x2014; Moden und alle Nachrichten, mein Närrchen,<lb/>
bekömm&#x017F;t du, ehe du <hi rendition="#g">die&#x017F;en</hi> Brief zu Ge&#x017F;ichte bekömm&#x017F;t. Ich<lb/>
bilde mir nicht wenig darauf ein, dich ohne Sporn &#x017F;o thätig<lb/>
be&#x017F;orgt zu haben; und dein großes Gemüth beruhigt zu ha-<lb/>
ben. Glaub&#x2019; aber nur ohne Spaß, daß ich &#x017F;elb&#x017F;t eine Mode-<lb/>
biene bin; und keine Ruhe habe, bis ich euch gehörig ko&#x017F;tu-<lb/>
mirt weiß. Vielleicht hab&#x2019; ich zu mandiren verge&#x017F;&#x017F;en, daß<lb/>
man zu den wattirten Spencern wattirte Röcke von eben dem<lb/>
Zeuge trägt (<hi rendition="#g">nur</hi> Taffent), und wenig Überröcke. Man trägt<lb/>
&#x017F;ehr viel &#x017F;chwarzen Krepp auf dem Kopf, und auch &#x017F;chwarze<lb/>
Krepp-Roben, die Schleppe kann aber in der That nicht an-<lb/>
ders als ungeheuer lang &#x017F;ein, es i&#x017F;t &#x017F;on&#x017F;t wirklich wie eine<lb/><hi rendition="#g">alte</hi> Robe. Um den Krepp auf dem Kopf macht man weiße<lb/>
Perlchen oder &#x017F;chwarzen Schmelz. Zu Krepp-Roben weiße<lb/>
Schuh ohne Spitzen, zu &#x017F;chwarzen Taffent-Roben &#x017F;chwarze<lb/>
Strümpfe und Schuh, zu braunen braune. Die Hemdchen,<lb/>
wie wir &#x017F;ie auch haben, über den Roben, und mit einem<lb/><hi rendition="#g">förmlichen</hi> Hemdeknopf oder Handknopf, wie die Männer<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[220/0234] biſt du die Einzige, der man dies ganz verzeihen kann. Sei nicht böſe, und höre! Du erblickſt weder Ohrringe noch Halsband! Erſtlich iſt nichts Neues in der Art Mode, als das Alte, — wenn es nicht ſolche Leute ſind, denen man gar nichts nachmachen kann, und die das Elendeſte tragen, was wir ſchon getragen haben; ſo tragen ſie lauter brillantene Reifen in den Ohren, die wir auch ſchon lange kennen, die aber wirklich immer hübſch bleiben werden. Zweitens haſt du mir keinen Preis beſtimmt, und nur wohlfeil geſagt, wohlfeil iſt relativ. Drittens kann man dergleichen nicht in einem Brief ſchicken. — Moden und alle Nachrichten, mein Närrchen, bekömmſt du, ehe du dieſen Brief zu Geſichte bekömmſt. Ich bilde mir nicht wenig darauf ein, dich ohne Sporn ſo thätig beſorgt zu haben; und dein großes Gemüth beruhigt zu ha- ben. Glaub’ aber nur ohne Spaß, daß ich ſelbſt eine Mode- biene bin; und keine Ruhe habe, bis ich euch gehörig koſtu- mirt weiß. Vielleicht hab’ ich zu mandiren vergeſſen, daß man zu den wattirten Spencern wattirte Röcke von eben dem Zeuge trägt (nur Taffent), und wenig Überröcke. Man trägt ſehr viel ſchwarzen Krepp auf dem Kopf, und auch ſchwarze Krepp-Roben, die Schleppe kann aber in der That nicht an- ders als ungeheuer lang ſein, es iſt ſonſt wirklich wie eine alte Robe. Um den Krepp auf dem Kopf macht man weiße Perlchen oder ſchwarzen Schmelz. Zu Krepp-Roben weiße Schuh ohne Spitzen, zu ſchwarzen Taffent-Roben ſchwarze Strümpfe und Schuh, zu braunen braune. Die Hemdchen, wie wir ſie auch haben, über den Roben, und mit einem förmlichen Hemdeknopf oder Handknopf, wie die Männer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/234
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/234>, abgerufen am 22.12.2024.