Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

höchsten Grade ist, doch nie auf einem höheren Grade war!
Ich sehe ordentlich hübsch davon aus! Nach meinem Sinn.
Etwas Zusammengenommenes, lieb-Gewisses in meinem Ge-
sicht, was ich mir gar nicht kenne; so gewiß ist es, daß Ein-
heit und Energie hübsch macht. Ich bin dabei ruhig: und
habe in meiner Tiefe eine Art Amüsement, welches sonst nur
ein äußeres Spektakel verschafft; und ich möchte sagen, alle
Stimmungen zugleich. Mehr läßt sich aber gar nicht
sagen: denn welches ruhiges Gedränge! -- alle Empfindun-
gen meines vorigen Lebens -- und kennen wir mehr von un-
serm ganzen Sein? -- gehen wie Banco's Geschlecht vorüber.
Doch das noch! das Ganze giebt mir eine Helden stimmung
und Muthwillen. Ich wollte, heute käme es dem Menschen-
geschlecht auf eine Wahrheit an -- ich glaubte dem Tod
selbst nicht -- und sagte sie ihm. Dabei kann ich wenig
antworten, und bin bis zur Rührung traurig. -- Ich las
deinen Brief noch Einmal, und will dir, mir nichts dir
nichts -- comme si de rien n'etait ist besser -- antworten,
Erstlich muß ich einen Irrthum lösen. Wenn ich schrieb,
"quäle Mama nicht mit der Aussteuer," und was ich
noch alles Mildrendes und Ausführliches hinzusetzte, so meint'
ich nur, und konnte nur meinen, daß du diejenigen Dispüte
und Verdrüsse vermeiden möchtest, die ohne eine starke
raison, die noch eine stärkere zur Unterlage hat, beinah, oder
gar nicht, mit Mamaen, bei solchen Expeditionen, zu vermei-
den sind: und die ich auch nicht würde haben vermeiden kön-
nen. Ich hielt dich weder für jünger, noch für eitler, noch
für ungroßmüthiger, als du bist. Nur wollte ich Mamaen

höchſten Grade iſt, doch nie auf einem höheren Grade war!
Ich ſehe ordentlich hübſch davon aus! Nach meinem Sinn.
Etwas Zuſammengenommenes, lieb-Gewiſſes in meinem Ge-
ſicht, was ich mir gar nicht kenne; ſo gewiß iſt es, daß Ein-
heit und Energie hübſch macht. Ich bin dabei ruhig: und
habe in meiner Tiefe eine Art Amüſement, welches ſonſt nur
ein äußeres Spektakel verſchafft; und ich möchte ſagen, alle
Stimmungen zugleich. Mehr läßt ſich aber gar nicht
ſagen: denn welches ruhiges Gedränge! — alle Empfindun-
gen meines vorigen Lebens — und kennen wir mehr von un-
ſerm ganzen Sein? — gehen wie Banco’s Geſchlecht vorüber.
Doch das noch! das Ganze giebt mir eine Helden ſtimmung
und Muthwillen. Ich wollte, heute käme es dem Menſchen-
geſchlecht auf eine Wahrheit an — ich glaubte dem Tod
ſelbſt nicht — und ſagte ſie ihm. Dabei kann ich wenig
antworten, und bin bis zur Rührung traurig. — Ich las
deinen Brief noch Einmal, und will dir, mir nichts dir
nichts — comme si de rien n’était iſt beſſer — antworten,
Erſtlich muß ich einen Irrthum löſen. Wenn ich ſchrieb,
„quäle Mama nicht mit der Ausſteuer,“ und was ich
noch alles Mildrendes und Ausführliches hinzuſetzte, ſo meint’
ich nur, und konnte nur meinen, daß du diejenigen Dispüte
und Verdrüſſe vermeiden möchteſt, die ohne eine ſtarke
raison, die noch eine ſtärkere zur Unterlage hat, beinah, oder
gar nicht, mit Mamaen, bei ſolchen Expeditionen, zu vermei-
den ſind: und die ich auch nicht würde haben vermeiden kön-
nen. Ich hielt dich weder für jünger, noch für eitler, noch
für ungroßmüthiger, als du biſt. Nur wollte ich Mamaen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0237" n="223"/>
höch&#x017F;ten Grade <hi rendition="#g">i&#x017F;t</hi>, doch nie auf einem höheren Grade war!<lb/>
Ich &#x017F;ehe ordentlich hüb&#x017F;ch davon aus! Nach meinem Sinn.<lb/>
Etwas Zu&#x017F;ammengenommenes, lieb-Gewi&#x017F;&#x017F;es in meinem Ge-<lb/>
&#x017F;icht, was ich mir gar nicht kenne; &#x017F;o gewiß i&#x017F;t es, daß Ein-<lb/>
heit und Energie hüb&#x017F;ch macht. Ich bin dabei ruhig: und<lb/>
habe in meiner Tiefe eine Art Amü&#x017F;ement, welches &#x017F;on&#x017F;t nur<lb/>
ein äußeres Spektakel ver&#x017F;chafft; und ich möchte &#x017F;agen, alle<lb/>
Stimmungen <hi rendition="#g">zugleich</hi>. Mehr läßt &#x017F;ich aber <hi rendition="#g">gar nicht</hi><lb/>
&#x017F;agen: denn welches <hi rendition="#g">ruhiges</hi> Gedränge! &#x2014; alle Empfindun-<lb/>
gen meines vorigen Lebens &#x2014; und kennen wir mehr von un-<lb/>
&#x017F;erm ganzen Sein? &#x2014; gehen wie Banco&#x2019;s Ge&#x017F;chlecht vorüber.<lb/>
Doch das noch! das Ganze giebt mir eine <hi rendition="#g">Helden</hi> &#x017F;timmung<lb/>
und Muthwillen. Ich wollte, heute käme es dem Men&#x017F;chen-<lb/>
ge&#x017F;chlecht auf eine Wahrheit an &#x2014; ich glaubte dem Tod<lb/><hi rendition="#g">&#x017F;elb&#x017F;t</hi> nicht &#x2014; und &#x017F;agte &#x017F;ie ihm. Dabei kann ich wenig<lb/>
antworten, und bin bis zur <hi rendition="#g">Rührung</hi> traurig. &#x2014; Ich las<lb/>
deinen Brief noch Einmal, und will dir, mir nichts dir<lb/>
nichts &#x2014; <hi rendition="#aq">comme si de rien n&#x2019;était</hi> i&#x017F;t be&#x017F;&#x017F;er &#x2014; antworten,<lb/>
Er&#x017F;tlich muß ich einen Irrthum lö&#x017F;en. Wenn ich &#x017F;chrieb,<lb/>
&#x201E;quäle Mama nicht mit der Aus&#x017F;teuer,&#x201C; und was ich<lb/>
noch alles Mildrendes und Ausführliches hinzu&#x017F;etzte, &#x017F;o meint&#x2019;<lb/>
ich nur, und konnte nur meinen, daß du diejenigen <hi rendition="#g">Dispüte</hi><lb/>
und <hi rendition="#g">Verdrü&#x017F;&#x017F;e</hi> vermeiden möchte&#x017F;t, die ohne eine &#x017F;tarke<lb/><hi rendition="#aq">raison,</hi> die noch eine &#x017F;tärkere zur Unterlage hat, beinah, oder<lb/>
gar nicht, mit Mamaen, bei &#x017F;olchen Expeditionen, zu vermei-<lb/>
den &#x017F;ind: und die ich auch nicht würde haben vermeiden kön-<lb/>
nen. Ich hielt dich weder für jünger, noch für eitler, noch<lb/>
für ungroßmüthiger, als du bi&#x017F;t. Nur wollte ich Mamaen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[223/0237] höchſten Grade iſt, doch nie auf einem höheren Grade war! Ich ſehe ordentlich hübſch davon aus! Nach meinem Sinn. Etwas Zuſammengenommenes, lieb-Gewiſſes in meinem Ge- ſicht, was ich mir gar nicht kenne; ſo gewiß iſt es, daß Ein- heit und Energie hübſch macht. Ich bin dabei ruhig: und habe in meiner Tiefe eine Art Amüſement, welches ſonſt nur ein äußeres Spektakel verſchafft; und ich möchte ſagen, alle Stimmungen zugleich. Mehr läßt ſich aber gar nicht ſagen: denn welches ruhiges Gedränge! — alle Empfindun- gen meines vorigen Lebens — und kennen wir mehr von un- ſerm ganzen Sein? — gehen wie Banco’s Geſchlecht vorüber. Doch das noch! das Ganze giebt mir eine Helden ſtimmung und Muthwillen. Ich wollte, heute käme es dem Menſchen- geſchlecht auf eine Wahrheit an — ich glaubte dem Tod ſelbſt nicht — und ſagte ſie ihm. Dabei kann ich wenig antworten, und bin bis zur Rührung traurig. — Ich las deinen Brief noch Einmal, und will dir, mir nichts dir nichts — comme si de rien n’était iſt beſſer — antworten, Erſtlich muß ich einen Irrthum löſen. Wenn ich ſchrieb, „quäle Mama nicht mit der Ausſteuer,“ und was ich noch alles Mildrendes und Ausführliches hinzuſetzte, ſo meint’ ich nur, und konnte nur meinen, daß du diejenigen Dispüte und Verdrüſſe vermeiden möchteſt, die ohne eine ſtarke raison, die noch eine ſtärkere zur Unterlage hat, beinah, oder gar nicht, mit Mamaen, bei ſolchen Expeditionen, zu vermei- den ſind: und die ich auch nicht würde haben vermeiden kön- nen. Ich hielt dich weder für jünger, noch für eitler, noch für ungroßmüthiger, als du biſt. Nur wollte ich Mamaen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/237
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/237>, abgerufen am 22.12.2024.