höchsten Grade ist, doch nie auf einem höheren Grade war! Ich sehe ordentlich hübsch davon aus! Nach meinem Sinn. Etwas Zusammengenommenes, lieb-Gewisses in meinem Ge- sicht, was ich mir gar nicht kenne; so gewiß ist es, daß Ein- heit und Energie hübsch macht. Ich bin dabei ruhig: und habe in meiner Tiefe eine Art Amüsement, welches sonst nur ein äußeres Spektakel verschafft; und ich möchte sagen, alle Stimmungen zugleich. Mehr läßt sich aber gar nicht sagen: denn welches ruhiges Gedränge! -- alle Empfindun- gen meines vorigen Lebens -- und kennen wir mehr von un- serm ganzen Sein? -- gehen wie Banco's Geschlecht vorüber. Doch das noch! das Ganze giebt mir eine Helden stimmung und Muthwillen. Ich wollte, heute käme es dem Menschen- geschlecht auf eine Wahrheit an -- ich glaubte dem Tod selbst nicht -- und sagte sie ihm. Dabei kann ich wenig antworten, und bin bis zur Rührung traurig. -- Ich las deinen Brief noch Einmal, und will dir, mir nichts dir nichts -- comme si de rien n'etait ist besser -- antworten, Erstlich muß ich einen Irrthum lösen. Wenn ich schrieb, "quäle Mama nicht mit der Aussteuer," und was ich noch alles Mildrendes und Ausführliches hinzusetzte, so meint' ich nur, und konnte nur meinen, daß du diejenigen Dispüte und Verdrüsse vermeiden möchtest, die ohne eine starke raison, die noch eine stärkere zur Unterlage hat, beinah, oder gar nicht, mit Mamaen, bei solchen Expeditionen, zu vermei- den sind: und die ich auch nicht würde haben vermeiden kön- nen. Ich hielt dich weder für jünger, noch für eitler, noch für ungroßmüthiger, als du bist. Nur wollte ich Mamaen
höchſten Grade iſt, doch nie auf einem höheren Grade war! Ich ſehe ordentlich hübſch davon aus! Nach meinem Sinn. Etwas Zuſammengenommenes, lieb-Gewiſſes in meinem Ge- ſicht, was ich mir gar nicht kenne; ſo gewiß iſt es, daß Ein- heit und Energie hübſch macht. Ich bin dabei ruhig: und habe in meiner Tiefe eine Art Amüſement, welches ſonſt nur ein äußeres Spektakel verſchafft; und ich möchte ſagen, alle Stimmungen zugleich. Mehr läßt ſich aber gar nicht ſagen: denn welches ruhiges Gedränge! — alle Empfindun- gen meines vorigen Lebens — und kennen wir mehr von un- ſerm ganzen Sein? — gehen wie Banco’s Geſchlecht vorüber. Doch das noch! das Ganze giebt mir eine Helden ſtimmung und Muthwillen. Ich wollte, heute käme es dem Menſchen- geſchlecht auf eine Wahrheit an — ich glaubte dem Tod ſelbſt nicht — und ſagte ſie ihm. Dabei kann ich wenig antworten, und bin bis zur Rührung traurig. — Ich las deinen Brief noch Einmal, und will dir, mir nichts dir nichts — comme si de rien n’était iſt beſſer — antworten, Erſtlich muß ich einen Irrthum löſen. Wenn ich ſchrieb, „quäle Mama nicht mit der Ausſteuer,“ und was ich noch alles Mildrendes und Ausführliches hinzuſetzte, ſo meint’ ich nur, und konnte nur meinen, daß du diejenigen Dispüte und Verdrüſſe vermeiden möchteſt, die ohne eine ſtarke raison, die noch eine ſtärkere zur Unterlage hat, beinah, oder gar nicht, mit Mamaen, bei ſolchen Expeditionen, zu vermei- den ſind: und die ich auch nicht würde haben vermeiden kön- nen. Ich hielt dich weder für jünger, noch für eitler, noch für ungroßmüthiger, als du biſt. Nur wollte ich Mamaen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0237"n="223"/>
höchſten Grade <hirendition="#g">iſt</hi>, doch nie auf einem höheren Grade war!<lb/>
Ich ſehe ordentlich hübſch davon aus! Nach meinem Sinn.<lb/>
Etwas Zuſammengenommenes, lieb-Gewiſſes in meinem Ge-<lb/>ſicht, was ich mir gar nicht kenne; ſo gewiß iſt es, daß Ein-<lb/>
heit und Energie hübſch macht. Ich bin dabei ruhig: und<lb/>
habe in meiner Tiefe eine Art Amüſement, welches ſonſt nur<lb/>
ein äußeres Spektakel verſchafft; und ich möchte ſagen, alle<lb/>
Stimmungen <hirendition="#g">zugleich</hi>. Mehr läßt ſich aber <hirendition="#g">gar nicht</hi><lb/>ſagen: denn welches <hirendition="#g">ruhiges</hi> Gedränge! — alle Empfindun-<lb/>
gen meines vorigen Lebens — und kennen wir mehr von un-<lb/>ſerm ganzen Sein? — gehen wie Banco’s Geſchlecht vorüber.<lb/>
Doch das noch! das Ganze giebt mir eine <hirendition="#g">Helden</hi>ſtimmung<lb/>
und Muthwillen. Ich wollte, heute käme es dem Menſchen-<lb/>
geſchlecht auf eine Wahrheit an — ich glaubte dem Tod<lb/><hirendition="#g">ſelbſt</hi> nicht — und ſagte ſie ihm. Dabei kann ich wenig<lb/>
antworten, und bin bis zur <hirendition="#g">Rührung</hi> traurig. — Ich las<lb/>
deinen Brief noch Einmal, und will dir, mir nichts dir<lb/>
nichts —<hirendition="#aq">comme si de rien n’était</hi> iſt beſſer — antworten,<lb/>
Erſtlich muß ich einen Irrthum löſen. Wenn ich ſchrieb,<lb/>„quäle Mama nicht mit der Ausſteuer,“ und was ich<lb/>
noch alles Mildrendes und Ausführliches hinzuſetzte, ſo meint’<lb/>
ich nur, und konnte nur meinen, daß du diejenigen <hirendition="#g">Dispüte</hi><lb/>
und <hirendition="#g">Verdrüſſe</hi> vermeiden möchteſt, die ohne eine ſtarke<lb/><hirendition="#aq">raison,</hi> die noch eine ſtärkere zur Unterlage hat, beinah, oder<lb/>
gar nicht, mit Mamaen, bei ſolchen Expeditionen, zu vermei-<lb/>
den ſind: und die ich auch nicht würde haben vermeiden kön-<lb/>
nen. Ich hielt dich weder für jünger, noch für eitler, noch<lb/>
für ungroßmüthiger, als du biſt. Nur wollte ich Mamaen<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[223/0237]
höchſten Grade iſt, doch nie auf einem höheren Grade war!
Ich ſehe ordentlich hübſch davon aus! Nach meinem Sinn.
Etwas Zuſammengenommenes, lieb-Gewiſſes in meinem Ge-
ſicht, was ich mir gar nicht kenne; ſo gewiß iſt es, daß Ein-
heit und Energie hübſch macht. Ich bin dabei ruhig: und
habe in meiner Tiefe eine Art Amüſement, welches ſonſt nur
ein äußeres Spektakel verſchafft; und ich möchte ſagen, alle
Stimmungen zugleich. Mehr läßt ſich aber gar nicht
ſagen: denn welches ruhiges Gedränge! — alle Empfindun-
gen meines vorigen Lebens — und kennen wir mehr von un-
ſerm ganzen Sein? — gehen wie Banco’s Geſchlecht vorüber.
Doch das noch! das Ganze giebt mir eine Helden ſtimmung
und Muthwillen. Ich wollte, heute käme es dem Menſchen-
geſchlecht auf eine Wahrheit an — ich glaubte dem Tod
ſelbſt nicht — und ſagte ſie ihm. Dabei kann ich wenig
antworten, und bin bis zur Rührung traurig. — Ich las
deinen Brief noch Einmal, und will dir, mir nichts dir
nichts — comme si de rien n’était iſt beſſer — antworten,
Erſtlich muß ich einen Irrthum löſen. Wenn ich ſchrieb,
„quäle Mama nicht mit der Ausſteuer,“ und was ich
noch alles Mildrendes und Ausführliches hinzuſetzte, ſo meint’
ich nur, und konnte nur meinen, daß du diejenigen Dispüte
und Verdrüſſe vermeiden möchteſt, die ohne eine ſtarke
raison, die noch eine ſtärkere zur Unterlage hat, beinah, oder
gar nicht, mit Mamaen, bei ſolchen Expeditionen, zu vermei-
den ſind: und die ich auch nicht würde haben vermeiden kön-
nen. Ich hielt dich weder für jünger, noch für eitler, noch
für ungroßmüthiger, als du biſt. Nur wollte ich Mamaen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/237>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.