gender Geist? Und die herbe jugendliche Schale scheuchte auch den Kundigen vorbei? Welch Studium hätten wir miteinan- der vollbringen können; welche Welten von Leben entdecken können: welche Rechenschaft hätten Sie von mir einholen kön- nen! Schämen Sie sich, Sie fleißiger schlechter Forscher! Ich muß Ihnen nun noch eine Kränkung zufügen; und es thut mir leid, daß die jetzt kommen soll! Ich war mir die Tirade über mich selbst nicht vermuthen, eh sie hier stand; und was nun kommt, habe ich Ihnen zugedacht. Mad. Huber ihr Buch habe ich gelesen: sie nennt es das Leben ihres Mannes Huber: unversehens schildert sie sich in dem Buche. Schreiben kann sie ja nicht Einmal. Ehren will sie sich gerne; zu dem Behuf nennt sie sich bald Weib, bald Eheweib, bald Gattin, bald Frau. Sie sucht in allen weiblichen Titeln herum, um diesen Zweck zu erreichen. Mit Ihnen möchte ich mir die Marter anthun, dies Buch noch Einmal zu lesen; und Wort vor Wort Rechenschaft fordern, und welche geben. In der ganzen mir bekannten Litteratur kenne ich nur Ein ähnliches Buch: les memoires de Marmontel. Der stäubt sich in aller Mühe auch selbst aus; und denkt, geschickt mit diesen sanften Hieb- chen sein Leben von seiner Aufführung zu säubren. Welche gewöhnliche -- um nicht das rechte Wort zu gebrauchen! -- Gesinnungen professirt die Frau in jedem Blatte! Und jede Gesinnung ärgerte mich nachher noch Einmal, wenn ich an Ihr Lob dachte. "Mit solchen Künsten lockt man solche Her- zen!" Hätten Sie sie reizend gefunden, mir sie so genannt! Aber dies die erste Frau?! Zeile vor Zeile unternehme ich mir dies Buch mit Ihnen durchzugehen! Ich hatte es von mei-
gender Geiſt? Und die herbe jugendliche Schale ſcheuchte auch den Kundigen vorbei? Welch Studium hätten wir miteinan- der vollbringen können; welche Welten von Leben entdecken können: welche Rechenſchaft hätten Sie von mir einholen kön- nen! Schämen Sie ſich, Sie fleißiger ſchlechter Forſcher! Ich muß Ihnen nun noch eine Kränkung zufügen; und es thut mir leid, daß die jetzt kommen ſoll! Ich war mir die Tirade über mich ſelbſt nicht vermuthen, eh ſie hier ſtand; und was nun kommt, habe ich Ihnen zugedacht. Mad. Huber ihr Buch habe ich geleſen: ſie nennt es das Leben ihres Mannes Huber: unverſehens ſchildert ſie ſich in dem Buche. Schreiben kann ſie ja nicht Einmal. Ehren will ſie ſich gerne; zu dem Behuf nennt ſie ſich bald Weib, bald Eheweib, bald Gattin, bald Frau. Sie ſucht in allen weiblichen Titeln herum, um dieſen Zweck zu erreichen. Mit Ihnen möchte ich mir die Marter anthun, dies Buch noch Einmal zu leſen; und Wort vor Wort Rechenſchaft fordern, und welche geben. In der ganzen mir bekannten Litteratur kenne ich nur Ein ähnliches Buch: les mémoires de Marmontel. Der ſtäubt ſich in aller Mühe auch ſelbſt aus; und denkt, geſchickt mit dieſen ſanften Hieb- chen ſein Leben von ſeiner Aufführung zu ſäubren. Welche gewöhnliche — um nicht das rechte Wort zu gebrauchen! — Geſinnungen profeſſirt die Frau in jedem Blatte! Und jede Geſinnung ärgerte mich nachher noch Einmal, wenn ich an Ihr Lob dachte. „Mit ſolchen Künſten lockt man ſolche Her- zen!“ Hätten Sie ſie reizend gefunden, mir ſie ſo genannt! Aber dies die erſte Frau?! Zeile vor Zeile unternehme ich mir dies Buch mit Ihnen durchzugehen! Ich hatte es von mei-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0444"n="430"/>
gender Geiſt? Und die herbe jugendliche Schale ſcheuchte auch<lb/>
den Kundigen vorbei? Welch Studium hätten wir miteinan-<lb/>
der vollbringen können; welche Welten von Leben entdecken<lb/>
können: welche Rechenſchaft hätten Sie von mir einholen kön-<lb/>
nen! Schämen Sie ſich, Sie fleißiger ſchlechter Forſcher! Ich<lb/>
muß Ihnen nun noch eine Kränkung zufügen; und es thut<lb/>
mir leid, daß die jetzt kommen ſoll! Ich war mir die Tirade<lb/>
über mich ſelbſt nicht vermuthen, eh ſie hier ſtand; und was<lb/>
nun kommt, habe ich Ihnen zugedacht. Mad. Huber ihr Buch<lb/>
habe ich geleſen: ſie nennt es das Leben ihres Mannes Huber:<lb/>
unverſehens ſchildert ſie ſich in dem Buche. Schreiben kann<lb/>ſie ja nicht Einmal. Ehren will ſie ſich gerne; zu dem Behuf<lb/>
nennt ſie ſich bald Weib, bald Eheweib, bald Gattin, bald<lb/>
Frau. Sie ſucht in allen weiblichen Titeln herum, um dieſen<lb/>
Zweck zu erreichen. Mit Ihnen möchte ich mir die Marter<lb/>
anthun, dies Buch noch Einmal zu leſen; und Wort vor<lb/>
Wort Rechenſchaft fordern, und welche geben. In der ganzen<lb/>
mir bekannten Litteratur kenne ich nur Ein ähnliches Buch:<lb/><hirendition="#aq">les mémoires de Marmontel.</hi> Der ſtäubt ſich in aller Mühe<lb/>
auch ſelbſt aus; und denkt, geſchickt mit dieſen ſanften Hieb-<lb/>
chen ſein Leben von ſeiner Aufführung zu ſäubren. Welche<lb/>
gewöhnliche — um nicht das rechte Wort zu gebrauchen! —<lb/>
Geſinnungen profeſſirt die Frau in jedem Blatte! Und jede<lb/>
Geſinnung ärgerte mich nachher noch Einmal, wenn ich an<lb/>
Ihr Lob dachte. „Mit ſolchen Künſten lockt man ſolche Her-<lb/>
zen!“ Hätten Sie ſie reizend gefunden, mir ſie ſo genannt!<lb/>
Aber dies die erſte Frau?! Zeile vor Zeile unternehme ich mir<lb/>
dies Buch mit Ihnen durchzugehen! Ich hatte es von mei-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[430/0444]
gender Geiſt? Und die herbe jugendliche Schale ſcheuchte auch
den Kundigen vorbei? Welch Studium hätten wir miteinan-
der vollbringen können; welche Welten von Leben entdecken
können: welche Rechenſchaft hätten Sie von mir einholen kön-
nen! Schämen Sie ſich, Sie fleißiger ſchlechter Forſcher! Ich
muß Ihnen nun noch eine Kränkung zufügen; und es thut
mir leid, daß die jetzt kommen ſoll! Ich war mir die Tirade
über mich ſelbſt nicht vermuthen, eh ſie hier ſtand; und was
nun kommt, habe ich Ihnen zugedacht. Mad. Huber ihr Buch
habe ich geleſen: ſie nennt es das Leben ihres Mannes Huber:
unverſehens ſchildert ſie ſich in dem Buche. Schreiben kann
ſie ja nicht Einmal. Ehren will ſie ſich gerne; zu dem Behuf
nennt ſie ſich bald Weib, bald Eheweib, bald Gattin, bald
Frau. Sie ſucht in allen weiblichen Titeln herum, um dieſen
Zweck zu erreichen. Mit Ihnen möchte ich mir die Marter
anthun, dies Buch noch Einmal zu leſen; und Wort vor
Wort Rechenſchaft fordern, und welche geben. In der ganzen
mir bekannten Litteratur kenne ich nur Ein ähnliches Buch:
les mémoires de Marmontel. Der ſtäubt ſich in aller Mühe
auch ſelbſt aus; und denkt, geſchickt mit dieſen ſanften Hieb-
chen ſein Leben von ſeiner Aufführung zu ſäubren. Welche
gewöhnliche — um nicht das rechte Wort zu gebrauchen! —
Geſinnungen profeſſirt die Frau in jedem Blatte! Und jede
Geſinnung ärgerte mich nachher noch Einmal, wenn ich an
Ihr Lob dachte. „Mit ſolchen Künſten lockt man ſolche Her-
zen!“ Hätten Sie ſie reizend gefunden, mir ſie ſo genannt!
Aber dies die erſte Frau?! Zeile vor Zeile unternehme ich mir
dies Buch mit Ihnen durchzugehen! Ich hatte es von mei-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/444>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.