Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Krankheitsleiden warfen sich hauptsächlich auf die
Nächte, in deren einsamer Stille sie großentheils verborgen
blieben, und in ganzem Umfange nur der treuen Pflegerin
Dore bekannt wurden. Heftige Anfälle von Brustkrämpfen,
welche bei schnellster und wirksamster Hülfe doch nur lang-
sam wichen, und immer große Schwäche zurückließen, waren
nur die Steigerung eines Zustandes, der mehr oder minder
schon als der gewöhnliche gelten mußte.

Die Aufregungen der Zeit, die Unruhen, welche ausbrachen
oder drohten, die furchtbare Krankheit aus dem Orient, die Schreck-
bilder, in denen ihr Herannahen angekündigt wurde, die Sor-
gen, Theilnahmen und Mühen, welche ihr Erscheinen auferlegte,
endlich die Trennung von dem theuern Bruder Ludwig Robert,
der einen entfernten Aufenthalt wählte, um für seine Thätig-
keit friedliche Ruhe und Muße zu finden, alles dieses mußte
die schon vielfach angestrengten, und immer auf's neue nur
allzu bereitwilligen Kräfte in übergroße Spannung setzen.

Im Sommer 1832 überstand Rahel unter den größten
Leiden eine Krankheit, welche jederzeit als eine mit Lebensge-
fahr verbundene erachtet wird, und die zu überstehen man
ihrer so anhaltend bestürmten Organisation kaum noch zu-
traute. Sie überstand dieselbe jedoch wunderbar, und die hie-
bei sichtbar gewordene Lebenskraft erschien uns als ein gün-
stiges Zeichen, daß ihr noch eine ganze Reihe von Jahren
bestimmt sein könne. Allein nach einiger Zeit schon fanden
sich die alten Krankheitszustände wieder ein, und die wirk-
liche Schwäche wurde um so auffallender, als sie auf den
Anschein gewonnener Stärke folgte. Große Widerwärtigkei-

ten,

Die Krankheitsleiden warfen ſich hauptſächlich auf die
Nächte, in deren einſamer Stille ſie großentheils verborgen
blieben, und in ganzem Umfange nur der treuen Pflegerin
Dore bekannt wurden. Heftige Anfälle von Bruſtkrämpfen,
welche bei ſchnellſter und wirkſamſter Hülfe doch nur lang-
ſam wichen, und immer große Schwäche zurückließen, waren
nur die Steigerung eines Zuſtandes, der mehr oder minder
ſchon als der gewöhnliche gelten mußte.

Die Aufregungen der Zeit, die Unruhen, welche ausbrachen
oder drohten, die furchtbare Krankheit aus dem Orient, die Schreck-
bilder, in denen ihr Herannahen angekündigt wurde, die Sor-
gen, Theilnahmen und Mühen, welche ihr Erſcheinen auferlegte,
endlich die Trennung von dem theuern Bruder Ludwig Robert,
der einen entfernten Aufenthalt wählte, um für ſeine Thätig-
keit friedliche Ruhe und Muße zu finden, alles dieſes mußte
die ſchon vielfach angeſtrengten, und immer auf’s neue nur
allzu bereitwilligen Kräfte in übergroße Spannung ſetzen.

Im Sommer 1832 überſtand Rahel unter den größten
Leiden eine Krankheit, welche jederzeit als eine mit Lebensge-
fahr verbundene erachtet wird, und die zu überſtehen man
ihrer ſo anhaltend beſtürmten Organiſation kaum noch zu-
traute. Sie überſtand dieſelbe jedoch wunderbar, und die hie-
bei ſichtbar gewordene Lebenskraft erſchien uns als ein gün-
ſtiges Zeichen, daß ihr noch eine ganze Reihe von Jahren
beſtimmt ſein könne. Allein nach einiger Zeit ſchon fanden
ſich die alten Krankheitszuſtände wieder ein, und die wirk-
liche Schwäche wurde um ſo auffallender, als ſie auf den
Anſchein gewonnener Stärke folgte. Große Widerwärtigkei-

ten,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0046" n="32"/>
            <p>Die Krankheitsleiden warfen &#x017F;ich haupt&#x017F;ächlich auf die<lb/>
Nächte, in deren ein&#x017F;amer Stille &#x017F;ie großentheils verborgen<lb/>
blieben, und in ganzem Umfange nur der treuen Pflegerin<lb/>
Dore bekannt wurden. Heftige Anfälle von Bru&#x017F;tkrämpfen,<lb/>
welche bei &#x017F;chnell&#x017F;ter und wirk&#x017F;am&#x017F;ter Hülfe doch nur lang-<lb/>
&#x017F;am wichen, und immer große Schwäche zurückließen, waren<lb/>
nur die Steigerung eines Zu&#x017F;tandes, der mehr oder minder<lb/>
&#x017F;chon als der gewöhnliche gelten mußte.</p><lb/>
            <p>Die Aufregungen der Zeit, die Unruhen, welche ausbrachen<lb/>
oder drohten, die furchtbare Krankheit aus dem Orient, die Schreck-<lb/>
bilder, in denen ihr Herannahen angekündigt wurde, die Sor-<lb/>
gen, Theilnahmen und Mühen, welche ihr Er&#x017F;cheinen auferlegte,<lb/>
endlich die Trennung von dem theuern Bruder Ludwig Robert,<lb/>
der einen entfernten Aufenthalt wählte, um für &#x017F;eine Thätig-<lb/>
keit friedliche Ruhe und Muße zu finden, alles die&#x017F;es mußte<lb/>
die &#x017F;chon vielfach ange&#x017F;trengten, und immer auf&#x2019;s neue nur<lb/>
allzu bereitwilligen Kräfte in übergroße Spannung &#x017F;etzen.</p><lb/>
            <p>Im Sommer 1832 über&#x017F;tand Rahel unter den größten<lb/>
Leiden eine Krankheit, welche jederzeit als eine mit Lebensge-<lb/>
fahr verbundene erachtet wird, und die zu über&#x017F;tehen man<lb/>
ihrer &#x017F;o anhaltend be&#x017F;türmten Organi&#x017F;ation kaum noch zu-<lb/>
traute. Sie über&#x017F;tand die&#x017F;elbe jedoch wunderbar, und die hie-<lb/>
bei &#x017F;ichtbar gewordene Lebenskraft er&#x017F;chien uns als ein gün-<lb/>
&#x017F;tiges Zeichen, daß ihr noch eine ganze Reihe von Jahren<lb/>
be&#x017F;timmt &#x017F;ein könne. Allein nach einiger Zeit &#x017F;chon fanden<lb/>
&#x017F;ich die alten Krankheitszu&#x017F;tände wieder ein, und die wirk-<lb/>
liche Schwäche wurde um &#x017F;o auffallender, als &#x017F;ie auf den<lb/>
An&#x017F;chein gewonnener Stärke folgte. Große Widerwärtigkei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ten,</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0046] Die Krankheitsleiden warfen ſich hauptſächlich auf die Nächte, in deren einſamer Stille ſie großentheils verborgen blieben, und in ganzem Umfange nur der treuen Pflegerin Dore bekannt wurden. Heftige Anfälle von Bruſtkrämpfen, welche bei ſchnellſter und wirkſamſter Hülfe doch nur lang- ſam wichen, und immer große Schwäche zurückließen, waren nur die Steigerung eines Zuſtandes, der mehr oder minder ſchon als der gewöhnliche gelten mußte. Die Aufregungen der Zeit, die Unruhen, welche ausbrachen oder drohten, die furchtbare Krankheit aus dem Orient, die Schreck- bilder, in denen ihr Herannahen angekündigt wurde, die Sor- gen, Theilnahmen und Mühen, welche ihr Erſcheinen auferlegte, endlich die Trennung von dem theuern Bruder Ludwig Robert, der einen entfernten Aufenthalt wählte, um für ſeine Thätig- keit friedliche Ruhe und Muße zu finden, alles dieſes mußte die ſchon vielfach angeſtrengten, und immer auf’s neue nur allzu bereitwilligen Kräfte in übergroße Spannung ſetzen. Im Sommer 1832 überſtand Rahel unter den größten Leiden eine Krankheit, welche jederzeit als eine mit Lebensge- fahr verbundene erachtet wird, und die zu überſtehen man ihrer ſo anhaltend beſtürmten Organiſation kaum noch zu- traute. Sie überſtand dieſelbe jedoch wunderbar, und die hie- bei ſichtbar gewordene Lebenskraft erſchien uns als ein gün- ſtiges Zeichen, daß ihr noch eine ganze Reihe von Jahren beſtimmt ſein könne. Allein nach einiger Zeit ſchon fanden ſich die alten Krankheitszuſtände wieder ein, und die wirk- liche Schwäche wurde um ſo auffallender, als ſie auf den Anſchein gewonnener Stärke folgte. Große Widerwärtigkei- ten,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/46
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/46>, abgerufen am 22.12.2024.