euch schreib ich auch dem Onkel, von unserer Einigkeit in allem und unserer Liebe und wahren Harmonie mit Karl. Adieu.
Eure Rahel.
Es liegt noch ein großer Brief bei mir, den ich dir im Winter einmal schrieb. Aber ich bereute zornige Worte gegen Andere drin, und ließ ihn liegen.
An Varnhagen, in Prag.
Donnerstag, den 22. Februar 1810.
Welch einen Katzenbrief hast du der Guten geschrieben! Ja, er ahmt die glatten, kleinen Bewegungen eines Katzen- rückens bis in den kleinsten Theilen seiner anscheinend verwik- kelten Phrasen bis zum Verwechseln nach, und könnte der Mensch aus einem Briefe eine Katze machen, wäre es ihm ver- gönnt, deiner finge Mäuse. Die kann aber eine Welt um sich her zur Katze machen! Diese Hunde-Ader, daß du ihr gut bist; mußte sie nicht unter das Glanzfell? Muß ich nicht endlich nur sie loben? Hat man sie auch lieb, wie man es denn thut; zwingt sie einen nicht zu ewiger? bei mir ganz unerhörter Empörung durch ihre ungeheure Versteinerung -- ach nein! das ist es nicht -- mehr wie ein glattes festes Auster- thier, in sich geschlossen, zu kleinen, blinden, trüben Funktio- nen -- gegen Überzeugung. Ich behandle sie jetzt ganz wie du es ihr im Briefe machst: nur nicht mit so kleiner, regel- mäßiger, ebenmaßvoller, geschloßner Schrift und Art: rhapso- discher, zerstreuter; größerer, unebenerer Handschrift! Gestern Nachmittag schickte sie mir deinen Glanzbrief, mit einer Oblate
I. 30
euch ſchreib ich auch dem Onkel, von unſerer Einigkeit in allem und unſerer Liebe und wahren Harmonie mit Karl. Adieu.
Eure Rahel.
Es liegt noch ein großer Brief bei mir, den ich dir im Winter einmal ſchrieb. Aber ich bereute zornige Worte gegen Andere drin, und ließ ihn liegen.
An Varnhagen, in Prag.
Donnerstag, den 22. Februar 1810.
Welch einen Katzenbrief haſt du der Guten geſchrieben! Ja, er ahmt die glatten, kleinen Bewegungen eines Katzen- rückens bis in den kleinſten Theilen ſeiner anſcheinend verwik- kelten Phraſen bis zum Verwechſeln nach, und könnte der Menſch aus einem Briefe eine Katze machen, wäre es ihm ver- gönnt, deiner finge Mäuſe. Die kann aber eine Welt um ſich her zur Katze machen! Dieſe Hunde-Ader, daß du ihr gut biſt; mußte ſie nicht unter das Glanzfell? Muß ich nicht endlich nur ſie loben? Hat man ſie auch lieb, wie man es denn thut; zwingt ſie einen nicht zu ewiger? bei mir ganz unerhörter Empörung durch ihre ungeheure Verſteinerung — ach nein! das iſt es nicht — mehr wie ein glattes feſtes Auſter- thier, in ſich geſchloſſen, zu kleinen, blinden, trüben Funktio- nen — gegen Überzeugung. Ich behandle ſie jetzt ganz wie du es ihr im Briefe machſt: nur nicht mit ſo kleiner, regel- mäßiger, ebenmaßvoller, geſchloßner Schrift und Art: rhapſo- diſcher, zerſtreuter; größerer, unebenerer Handſchrift! Geſtern Nachmittag ſchickte ſie mir deinen Glanzbrief, mit einer Oblate
I. 30
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0479"n="465"/>
euch ſchreib ich auch dem Onkel, von unſerer Einigkeit in allem<lb/>
und unſerer Liebe und wahren Harmonie mit Karl. Adieu.</p><lb/><closer><salute><hirendition="#et">Eure Rahel.</hi></salute></closer><lb/><postscript><p>Es liegt noch ein großer Brief bei mir, den ich dir im<lb/>
Winter einmal ſchrieb. Aber ich bereute zornige Worte gegen<lb/>
Andere drin, und ließ ihn liegen.</p></postscript></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>An Varnhagen, in Prag.</head><lb/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Donnerstag, den 22. Februar 1810.</hi></dateline><lb/><p>Welch einen Katzenbrief haſt du der Guten geſchrieben!<lb/>
Ja, er ahmt die glatten, kleinen Bewegungen eines Katzen-<lb/>
rückens bis in den kleinſten Theilen ſeiner anſcheinend verwik-<lb/>
kelten Phraſen bis zum Verwechſeln nach, und könnte der<lb/>
Menſch aus einem Briefe eine Katze machen, wäre es ihm ver-<lb/>
gönnt, deiner finge Mäuſe. Die kann aber eine Welt um<lb/>ſich her zur Katze machen! Dieſe Hunde-Ader, daß du ihr<lb/>
gut biſt; mußte ſie nicht unter das Glanzfell? Muß ich nicht<lb/>
endlich nur ſie loben? Hat man ſie auch lieb, wie man es<lb/>
denn thut; zwingt ſie einen nicht zu ewiger? bei mir ganz<lb/>
unerhörter Empörung durch ihre ungeheure Verſteinerung —<lb/>
ach nein! das iſt es nicht — mehr wie ein glattes feſtes Auſter-<lb/>
thier, in ſich geſchloſſen, zu kleinen, blinden, trüben Funktio-<lb/>
nen — gegen Überzeugung. Ich behandle ſie jetzt ganz wie<lb/>
du es ihr im Briefe machſt: nur nicht mit ſo kleiner, regel-<lb/>
mäßiger, ebenmaßvoller, geſchloßner Schrift und Art: rhapſo-<lb/>
diſcher, zerſtreuter; größerer, unebenerer Handſchrift! Geſtern<lb/>
Nachmittag ſchickte ſie mir deinen Glanzbrief, mit einer Oblate<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq">I.</hi> 30</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[465/0479]
euch ſchreib ich auch dem Onkel, von unſerer Einigkeit in allem
und unſerer Liebe und wahren Harmonie mit Karl. Adieu.
Eure Rahel.
Es liegt noch ein großer Brief bei mir, den ich dir im
Winter einmal ſchrieb. Aber ich bereute zornige Worte gegen
Andere drin, und ließ ihn liegen.
An Varnhagen, in Prag.
Donnerstag, den 22. Februar 1810.
Welch einen Katzenbrief haſt du der Guten geſchrieben!
Ja, er ahmt die glatten, kleinen Bewegungen eines Katzen-
rückens bis in den kleinſten Theilen ſeiner anſcheinend verwik-
kelten Phraſen bis zum Verwechſeln nach, und könnte der
Menſch aus einem Briefe eine Katze machen, wäre es ihm ver-
gönnt, deiner finge Mäuſe. Die kann aber eine Welt um
ſich her zur Katze machen! Dieſe Hunde-Ader, daß du ihr
gut biſt; mußte ſie nicht unter das Glanzfell? Muß ich nicht
endlich nur ſie loben? Hat man ſie auch lieb, wie man es
denn thut; zwingt ſie einen nicht zu ewiger? bei mir ganz
unerhörter Empörung durch ihre ungeheure Verſteinerung —
ach nein! das iſt es nicht — mehr wie ein glattes feſtes Auſter-
thier, in ſich geſchloſſen, zu kleinen, blinden, trüben Funktio-
nen — gegen Überzeugung. Ich behandle ſie jetzt ganz wie
du es ihr im Briefe machſt: nur nicht mit ſo kleiner, regel-
mäßiger, ebenmaßvoller, geſchloßner Schrift und Art: rhapſo-
diſcher, zerſtreuter; größerer, unebenerer Handſchrift! Geſtern
Nachmittag ſchickte ſie mir deinen Glanzbrief, mit einer Oblate
I. 30
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/479>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.